Hier finden Sie regelmäßig aktuelle Informationen zu unserer Loge und können sich einen Überblick verschaffen über Themen, die uns bewegen. Diese Themen werden zu unseren Gästeabenden diskutiert.
Nach den ersten Tempelarbeiten, die wieder "Live und in Farbe" stattgefunden haben, haben wir nun auch endlich wieder unseren ersten Gästeabend in Präsenz stattfinden lassen können. Dabei hörten wir einen Impulsvortrag zum Thema "Erkenne dich selbst" und in der anschließenden Diskussion spannten wir den Bogen zur der Frage, was denn Glück damit zu tun habe. Es ergaben sich viele spannende Fragen und einige interessante Antworten.
Wollen Sie auch einmal mit uns zusammensitzen und Meinungen austauschen? Wir freuen uns über jeden, der sich einbringen möchte. Wenden Sie sich einfach an unseren Schriftführer unter sekretaer@mozart-loge.de und erfahren Sie alles Weitere.
Die Corona-Inzidenzen geben Grund zur Hoffnung. Daher finden die ersten Arbeiten wieder in Präsenz statt - natürlich unter den geltenden Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen. Weiterhin ist jedoch Vorsicht geboten, sodass Gästeabende bis auf Weiteres online stattfinden werden. Bei Interesse, wenden Sie sich bitte an unseren Schriftführer unter kontakt@mozart-loge.de.
Ein neues Jahr hat begonnen, die Corona-Pandemie begleitet uns erwartungsgemäß auch hier und in der Freimaurerei. Ganze Logen liegen brach, viele Brüder haben sich seit Monaten nicht gesehen, Interessierte warten auf Möglichkeiten zum Kennenlernen. In den letzten Monaten haben wir erfolgreich digitale Varianten erprobt und sie für gut befunden. Sicher ersetzen sie kein reales Zusammentreffen, aber sie ermöglichen dennoch den Austausch, den wir in unsere Loge so schätzen. Daher werden auch in dem kommenden Halbjahr Zoom-Meetings unseren Arbeitsplan ausmachen. Jeden Monat gibt es einen interessanten Vortrag, zu dem auch Gäste herzlich eingeladen sind. Wenden Sie sich einfach an unseren Schriftführer.
Das öffentliche Leben ist größtenteils wieder in vollem Gang, doch bleibt der Umgang mit Veranstaltungen aller Art oft ein großes Fragezeichen. Ein Fragezeichen vor allem deshalb, weil es als Veranstalter nicht nur bedeutet Vorgaben einzuhalten, sondern auch eine Verantwortung für seine Gäste zu übernehmen. Die Brüder unserer Loge haben lange mit sich gerungen, doch sind wir zu dem Schluss gekommen, dass eine Durchführung von Präsenz-Veranstaltungen aller Art nicht unserem Bedürfnis nach Sicherheit für und unsere Mitmenschen entspricht. Daher haben wir entschlossen, dass sämtliche persönliche Treffen bis Ende diesen Jahres vorerst nicht stattfinden werden. Stattdessen haben wir in vergangenen Monaten Erfahrungen mit virtuellen Veranstaltungen machen dürfen. Diese Erfahrungen werden wir im kommenden Halbjahr nutzen und beispielsweise Vortragsveranstaltungen online stattfinden zu lassen. Interessierte Gäste wenden sich dafür bitte an unseren Schriftführer unter kontakt@mozart-loge.de.
Aufgrund der wachsenden Zahl der Ansteckungen mit dem Corona-Virus unsere Logenaktivitäten zunächst bis Ende April 2020 ruhen zu lassen. Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber nach dem Einholen eines Meinungsbildes und intensiver Diskussionen im Beamtenrat haben wir uns für diesen Schritt entschieden. Unsere Zusammenkünfte sind geprägt von einem engen Miteinander und die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung steigt somit. Wir hoffen darauf, dass wir Anfang Mai unsere Veranstaltungen wieder aufnehmen können und halten Sie auf dem Laufenden.
Unseren aktuellen Arbeitskalender finden Sie nun an gewohnter Stelle. Wir freuen uns auf Ihren Besuch.
Wir freuen uns, Ihnen heute unseren neuen Arbeitskalender für das zweite Halbjahr 2019 vorstellen zu können. Diese finden Sie, wie gewohnt, hier auf unserer Internetseite. Mit dem Johannisfest am kommenden Sonntag (23.06.) verabschieden sich alle Logen in die Sommerferien. Wir werden die Zeit nutzen und Kraft sammeln für das kommende Jahr.
Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie einen schönen Sommer. Sollten Sie in der Zwischenzeit Fragen zu unserer Loge oder der Freimaurerei im Allgemeinen haben, können Sie uns natürlich gerne kontaktieren.
Sie ist ein natur- und verfassungsrechtlicher Grundsatz, ein Menschenrecht, ein Alltagsbegriff, ein Kampfruf auf den Fahnen von Revolutionären, ein beliebtes Lockmittel für Politiker, für viele der einzige und wahre Garant für Glück. Sie erscheint auf den 1. Blick so einfach, jedem Kind eingängig und ist doch so schrecklich kompliziert. Gleichheit. Habt ihr Euch einmal damit befasst, was sie aussagt, was sie bedeutet, was sie Euch und der Gesellschaft, in der ihr lebt wert ist? Ob es sich lohnt darüber zu streiten, dafür zu kämpfen? Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte lautet: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren; sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“ Das hätten die alten Pflichten auch nicht schöner formulieren können. In der Aufklärung, der französischen Revolution war sie plötzlich in aller Munde wurde zum Menschenrecht ausgerufen. Aus dem christlichen Gedankengut der „Gleichheit vor Gott“ war die Forderung nach „Gleichheit vor dem Gesetz“ geworden, ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Feudalismus und staatliche Willkür. Gleichheit als Schutzrecht gegen den Staat, das Gebot bei Gesetzen und deren Anwendung niemanden wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Das war schon eine anspruchsvolle Aufgabe. Aber mit ihr begann er erst, der lange Weg der Gleichheit, ihr Wandel, ihr Wuchern in immer mehr gesellschaftliche Bereiche. Die Gleichheit aller vor dem Gesetz reichte schon bald nicht mehr aus. Frauenwahlrecht, gleiches Recht auf Gesundheit, eine menschenwürdige materielle Absicherung des einzelnen in Zeiten von Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter, die Geburt der Sozialversicherung, sozialstaatliche Leistungen, gleiche Bildungschancen… alles zwischenzeitlich Selbstverständlichkeiten in aufgeklärten modernen Demokratien. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Frauenquoten für Unternehmensvorstände und Parlamente. Irgendwann einmal gleicher Lohn für alle? Gleiches Vermögen für alle? Das gleiche Recht auf Glück? Noch auf der Agenda, oder entartet der Gleichheitsbegriff, bedroht er inzwischen elementare andere Güter? Etwa freie Entfaltung der Persönlichkeit, Individualität, die Differenz, die in so vielen Fällen unser Leben bereichert? Dass Geld bessere medizinische Versorgung erkauft, ist in Ordnung. Aber darf es darüber entscheiden, ob ich überhaupt eine notwendige medizinische Versorgung erhalte oder innerhalb einer angemessenen Zeit? Darf es den Unterschied von Leben und Tod ausmachen? Darf ich Slums als unumgängliche Übel mit Vergessen bestrafen und auf der anderen Seite Wohlstandsreservate entstehen lassen? Darf ich zulassen, dass sich eine Gesellschaft in Subkulturen der Reichen und Armen auseinanderdividiert, die keine gemeinsamen Schnittstellen mehr haben? Sich völlig fremd sind? Lässt sich aus dem Menschenrecht der Gleichheit auch die politische Forderung zu größerer Einkommensgleichheit herleiten? Schon der Kommunismus hat sich diese Frage gestellt, bei seinen radikalen Antworten jedoch das Bedürfnis der Menschen nach Freiheit und die Anfälligkeit totalitärer Systeme zur Korruption unterschätzt. Der Kapitalismus hat auf den Wegfall der kommunistischen Bedrohung so reagiert, wie es seinem Wesen entspricht, durch eine Steigerung der Gier nach dem Mehr. Die Finanzkrise 2008/2009 wurde von vielen als der Beginn der Wende erhofft … aber seit dem sind über 10 Jahre vergangen, ohne dass sich an den Fehlleistungen des Kapitals irgendetwas geändert hätte, jedenfalls nicht zum Besseren. Unsere Volksparteien haben erkennbare Akzeptanzprobleme beim Wahlvolk und sind zurzeit geradezu hysterisch darum bemüht, populäre neue Duftmarken zu setzen. Die SPD betreibt mit dem Konzept „Sozialstaat 2025“ die Abschaffung des Hartz IV Systems, dessen Ersetzung durch eine bedingungslose Grundrente. Außerdem stellt sie dezidiert einmal mehr die Verteilungsfrage, beanstandet die ungleiche Ausstattung mit Einkommen und Vermögen in der Bundesrepublik. Da möchte Robert Habeck natürlich nicht nachstehen, der es überraschend im ZDF-Politbarometer zum beliebtesten Politiker der Bundesrepublik geschafft hat, obwohl ihn 50 % der Wahlbürger überhaupt nicht kennen. Er hält die Enteignung von Bauspekulanten für „denkbar“. Die größere Angleichung von Einkommen und Vermögen! Ist das wirklich ein oder gar das Thema der Gegenwart? Oder sind dem durchschnittlichen Wähler die sich immer weiter öffnende Einkommensschere und die Superreichen nicht schlicht egal. Er hat Alltagsprobleme, deren Bewältigung ihn vorrangig bis ausschließlich bewegen. Ein bisschen mehr Geld im Monat zur Verfügung haben. Eine finanzierbare Wohnung finden. Einem Fahrverbot für seinen alten Diesel entgehen, wo er sich ein neues Fahrzeug nicht leisten kann. Steigende Benzin- und Strompreise, durchaus ökologisch begründbar, aber eben individuell viel zu teuer, jedenfalls für „Gelbwesten“. Schnelles Internet, damit Computerspiele und Netflix endlich störungs- und ruckelfrei laufen. Gleichheit im Materiellen scheint für den Durchschnittswähler kein vorrangig anzugehendes gesellschaftliches Problem, eher das Gegenteil. Er empfindet sich -im Rahmen seiner beschränkten finanziellen Möglichkeiten- als Mitspieler im großen Spiel der Ungleichheit. Das bessere Auto, die größere Wohnung, das angesagter Handy sind für ihn wichtige Merkmale seines sozialen Status, Symbole seiner positiven Ungleichheit gegenüber dem Nachbarn, der einfach „weniger“ hat. Wird die Gleichheit nicht in vielen Lebensbereichen eher zu einer Bedrohung, zur zwangsweisen, oder - noch heimtückischer -, freiwilligen Gleichschaltung? Einfalt statt Vielfalt, dass Verkümmern der Freiheit, der Besonderheit? Betreiben nicht Google, Facebook, Amazon und Co. ziemlich gezielt die globale Gleichheit aller Konsumenten und Wähler? Weltweit die gleichen Produktvorlieben, die gleichen Filme, Bücher und Musik, Coca-Cola und iPhone? Ist uns das Empfinden dafür abhandengekommen, in unserem Denken und Leben, in unseren Interessen und Vorlieben, unserem Ehrgeiz und unseren Methoden bereits viel zu gleich, austauschbar und verwechselbar, fast überflüssig geworden zu sein. Waren nicht einmal Individualität, Differenz, der eigene Weg ein hohes Gut, für das sich zu kämpfen lohnte? Und wieso leben wir plötzlich in einer Gesellschaft, die auf der einen Seite freiwillig und beschleunigend den globalen, digitalen Verführern die Individualität des einzelnen opfert, weltumfassend immer gleicher wird, auf der anderen Seite unter gravierenden Ungleichheiten leidet. Gleichheit ist eben nicht nur ein Menschenrecht, ein politisches Postulat sondern eben auch Ausdruck von Gleichförmigkeit und damit irgendwann Belanglosigkeit. Kehren wir noch einmal zurück zum Gleichheitsbegriff der Aufklärung. Was meinte, was bezweckte er? Es lassen sich 2 elementar unterschiedliche Ansätze erkennen: Der Erstere bezieht Gleichheit auch auf die gleichmäßige Verteilung von Einkommen und Vermögen: Gleichheit des persönlichen Besitzes. Dieses Ideal der Frühsozialisten bzw. utopischen Sozialisten taucht immer wieder auf, häufig unter dem verharmlosenden Begriff der „Ergebnisgleichheit“. Gemeint ist letztlich dasselbe: Ziel der Gleichheit seien egalitäre wirtschaftliche Verhältnisse für jedermann. Die andere Vorstellung von Gleichheit zielt auf „Chancengleichheit“. Bereits der Wortlaut von Art. 1 der Menschenrechte spricht eher dafür, dass diese Vorstellung von Gleichheit gemeint gewesen ist. Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren, aber was sie daraus machen, kann durchaus unterschiedlich sein und dementsprechend auch zu einer unterschiedlichen gesellschaftlichen Wertschätzung führen. Wer Chancengleichheit meint, der akzeptiert die Verschiedenheit der Menschen, ihre unterschiedlichen Fähigkeiten, Neigungen, Ehrgeiz, Bemühungen. Wer Ergebnisgleichheit meint, benachteiligt diejenigen, die nach ihren Fähigkeiten und der Entwicklung, die sie seit ihrer Geburt genommen haben, im positiven Sinn ungleich sind, nimmt in Kauf, Ungleiches gleich zu behandeln. Wer Chancengleichheit meint, der akzeptiert auch, dass der besser Ausgebildete, der Ehrgeizigere, Leistungsfähigere und Leistungsbereitere mehr verdient als der schlechter Ausgebildete, weniger Motivierte, weil beide die gleiche Chance dazu gehabt haben, aus ihrem Leben etwas zu machen. Wer arbeitet, soll am Monatsende mehr haben als der, der durch den Sozialstaat alimentiert wird. Das erscheint vielen gerecht, auch wenn die Vorstellung für Anhänger der Ergebnisgleichheit ein echtes Gräuel sein muss. Vergessen wird häufig, dass zu den Idealen der Aufklärung auch das Konstrukt des Gesellschaftsvertrages gehört. Jeder einzelne ist verpflichtet, nach seinen persönlichen Möglichkeiten am Gemeinwohl mitzuwirken, seinen Teil zum Wohlergehen der Gemeinschaft beizutragen. Gemeinschaft ist insoweit ein Geben und Nehmen. Ich fördere nach meinen besten Kräften das Gemeinwohl, dafür werden mir der Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft zu Teil, etwa wenn ich in Not gerate. Dem Leistungsverweigerer darf es schlechter gehen als dem Leistungsträger. Es muss ihm vielleicht sogar schlechter gehen, jedenfalls wenn wir die ursprüngliche Idee des Gesellschaftsvertrages von einem wechselseitigen Geben und Nehmen aufrechterhalten wollen. Mehrheitlich wissen wir, dass Ungleichheit nicht per se ungerecht ist, dass, wer mehr leistet, auch mehr verdienen soll/muss, dass eine unterschiedliche 6 Belohnung Leistungsbereitschaft, Kreativität und Fortschritt fördert. Dass es sogar notwendig ist, Menschen für ungleiche Bemühungen und ungleiche Effektivität unterschiedlich zu belohnen, um sie zu weiteren Anstrengungen zu motivieren und so für alle Menschen bessere Lebensbedingungen zu erreichen. Wie halten wir, die wir uns heute zusammengefunden haben, es wirklich damit, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind? Der Gleichheitsgrundsatz ist die Entscheidung für ein ideales, ein idealisiertes Menschenbild, für Humanität statt gedankenloser Effizienz zu Gunsten weniger. Hadern wir nicht selbst mit der idealen Gleichheit, insgeheim oder in aufgeklärter verbaler Zurückhaltung? Wähnen uns mehr, als die gleich Geborenen da unten, deren Lebensweise und Lebensumstände so weit entfernt vom idealen Menschenbild, jedenfalls von uns selbst, erscheinen? Denken, dass es Menschen gibt, die gleicher sein sollten als andere, dass es Menschen gibt, die an und für sich eine verantwortungsbewusste Wahlentscheidung intellektuell gar nicht treffen können, Menschen, die eine Schande für die Gemeinschaft sind, sich passiv mit einer lebenslangen Hartz IV Karriere begnügen, anstatt aktiv zum Gemeinwohl beitragen zu wollen, Kinder des Sozialsystems, denen unser Staat schon heute mehr gibt als sie verdienen? Auch wenn das Menschenrecht der Gleichheit jedenfalls nicht zwingend für die politische Anpassung der Einkommensverhältnisse instrumentalisiert werden kann, hat Gleichheit im Bereich der Einkommen und Vermögen unbestreitbar eine hohe gesellschaftliche Bedeutung. „Eine zu große Kluft zwischen Arm und Reich untergräbt die Solidarität, die für eine demokratische Gesellschaft unerlässlich ist. Aufgrund der großen sozialen Ungleichheit entfernt sich die Lebenswelt der Reichen zunehmend von jener der Armen. Die Begüterten ziehen sich aus den 7 öffentlichen Orten und Diensten zurück und überlassen sie denen, die sich nichts anderes leisten können.“ (Michael Sandel, lehrt politische Philosophie an der Harvard University) Die britischen Wissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett haben 2009 (deutsche Ausgabe 2016) mit ihrem wissenschaftlichen Bestseller „Gleichheit ist Glück“ am Beispiel von 25 führenden Industrienationen und im internen Vergleich der Bundesstaaten der USA überzeugend dargelegt, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Annäherung an möglichst gleiche Einkommensverhältnisse auf der einen Seite und gesellschaftlichen Zusammenhalt und Harmonie, Volksgesundheit und reduzierter Gewaltneigung auf der anderen Seite besteht. Die Länder mit den größten Einkommensunterschieden wiesen die geringste Lebensqualität aus. Es war eine direkte Korrelation zwischen dem Grad der Ungleichheit und dem Gelingen einer Gesellschaft zu erkennen. Ungleichheit macht aus Sicht der beiden Wissenschaftler nicht nur den Einzelnen, sondern die gesamte Gesellschaft krank. Eine Egalisierung der Einkommen führe gleichzeitig zu einer Steigerung der Lebensqualität des einzelnen, und zwar auch der an der Spitze der Einkommenshierarchie Stehenden. Die soziale Rangordnung innerhalb der Gesellschaft und ihre Verarbeitung spielen bei den meisten Menschen eine erhebliche Rolle. Wir reagieren empfindlich darauf, von anderen als minderwertig, unbedeutend angesehen zu werden. Der Vermögensstatus ist in den führenden Industrienationen zum wesentlichen Kriterium in der sozialen Hierarchie geworden, wie wir einander beurteilen und begegnen. Dabei zählt vor allem der symbolische Wert von Reichtum und Besitz. Welche Waren man kauft, wird oft weniger von ihrem Gebrauchswert als von ihrer Bedeutung für Status und Identität bestimmt. Der Grad der Einkommensunterschiede hat großen Einfluss darauf, wie die Menschen miteinander umgehen. Größere materielle Unterschiede zwischen Menschen schaffen eine größere soziale Distanz. Gefühle der Überlegenheit und Unterlegenheit nehmen zu, „Vereinfacht: Größere Einkommensunterschiede machen uns zu weniger netten Menschen. Wir wachen ängstlich über unseren Status, machen uns größere Sorgen, was andere von uns denken, sind narzisstischer und eher geneigt, den Wert anderer nach ihrem äußeren Reichtum zu beurteilen.“(Richard Wilkinson und Kate Pickett) „Alle Leute gleich uns sind Wir und alle anderen die“ (Rudyard Kipling) Dass der Wunsch nach höherem Einkommen häufig weniger der Erfüllung realer Konsumsbedürfnisse entspricht, sondern überwiegend dem Wunsch nach höherem Status, zeigte ein simples Experiment: „Die Versuchspersonen sollten wählen ob sie lieber weniger wohlhabend als andere in einer reichen Gesellschaft leben möchten oder lieber mit einem deutlich niedrigeren Einkommen in einer armen Gesellschaft, dort aber besser dastehen würden als andere. Die Hälfte der Befragten erklärte, dass sie bis zu 50 % ihres derzeitigen Einkommens darangeben würden, wenn sie dafür in einer Gesellschaft leben würden, in der es ihnen besser ginge als den anderen. Das zeigt die große Bedeutung, die dem gesellschaftlichen Status beigemessen wird. Hat der Mensch erst einmal das notwendigste zum Leben, schaut er, was die anderen haben.“ (Richard Wilkinson und Kate Pickett) Wie unterschiedlich darf Einkommen sein? Ab wann lassen sich Einkommensunterschiede nicht mehr rechtfertigen? Ab dem 20, 30 oder 50- fachen Einkommen eines statistischen Normalverdieners? Die Einkommens- und Vermögensschere in Deutschland ist weit geöffnet. In keinem anderen Land der Eurozone sind die Vermögen so einseitig verteilt. Nach den Berechnungen des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung besitzen die 45 reichsten Deutschen mehr Vermögen als die Hälfte der übrigen Bevölkerung. Dafür leben 15 % der Deutschen an der Armutsgrenze. Die reichsten 10 % der Haushalte besitzen 65 % der Nettovermögen. Die Zahl der Millionäre ist in den letzten 10 Jahren um rund 60 % gestiegen. Die durchschnittliche Kaufkraft der Arbeitnehmer stagniert auf dem Niveau der frühen Neunzigerjahre. Jedes Jahr werden bei uns vierhundert Milliarden Euro vererbt mit einer durchschnittlichen steuerlichen Belastung von 2,9 %. In den USA liegt die Besteuerung bei 10 %. Dafür erhalten die CEO‘s von 365 der 9 größten US-Firmen weit über 500-mal höhere Bezüge als der Durchschnitt ihrer Mitarbeiter. In Japan und den skandinavischen Ländern besitzen die reichsten 20 % nur knapp viermal so viel wie die ärmsten 20 % der Bevölkerung. Besonders drastisch sind dagegen die Einkommensunterschiede in Singapur, den USA, Portugal und Großbritannien. Deutschland liegt nach Wilkinson/Pickett auf Platz 8 hinter Japan, den skandinavischen Ländern, Belgien und Österreich. Vielleicht ist weniger die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen das Problem, sondern unsere Programmierung darauf, Reichtum und seine Statussymbole als alleinigen Maßstab für Glück, Status und gesellschaftlicher Bedeutung zu empfinden. Solange wir nicht die Maßstäbe verändern, anhand deren wir selbst Bedeutung und Stellung des einzelnen Menschen in der Gemeinschaft einstufen, ist möglicherweise die viel zitierte Einkommens- und Vermögensschere zweitrangig. Der gesellschaftliche Bewertungsdruck nimmt bei uns zu. Aber wir bewerten nicht unsere Mitmenschen, sondern ihren materiellen Besitz. Der Nachbar ist kein netter Mensch, weil er genauso viel verdient wie ich, kein besserer, weil er in einer höheren Einkommensliga spielt als ich. Es fällt uns schwer, die Leistung einer sich liebevoll und bis zur Erschöpfung bemühenden alleinerziehenden Mutter, einer Krankenhausschwester, einer Erzieherin Wert zu schätzen, während wir den weitgehend untätigen Millionenerben allein wegen seines Wohlstandes respektieren. Versteht mich nicht falsch. Ich bin durchaus für eine Angleichung von Einkünften und Vermögen, aber ohne ein verändertes Wertesystem/Leitbild der Menschen bewirkt das nicht so wahnsinnig viel. Der noch größere SUV oder vielleicht doch eher Greta Thunberg? Solange wir selbst unverändert in Wertkategorien/Zielkategorien von Konsum, Überfluss und Gier denken und streben, anhand von Statussymbolen unseren höheren Rang, unsere Ungleichheit, zu demonstrieren suchen, ist es mit der Abschöpfung von einer Hand voll Superreichen nicht getan. Wir kopieren willig deren beschränktes Wertesystem, quer durch alle Einkommensschichten und das verschwindet nicht automatisch, weil der Staat die Superreichen etwas ärmer macht. Wir müssen uns endlich von der Vorstellung befreien, die Maximierung persönlicher Einkünfte und des hiermit ermöglichten Konsums sei ein besonders lobenswertes Ziel, geschweige denn das wichtigste überhaupt. Wir müssen die von uns empfundene soziale Rangordnung ändern. Wir müssen mit dem kapitalistischen Aberglauben brechen, dass unsere Bedeutung als Mensch, als Mitglied der Gesellschaft, ausschließlich oder überwiegend durch unsere materielle Leistungsfähigkeit und Ausstattung bestimmt wird. Wir müssen ein Unbehagen an unserem Konsumstreben, unserer Gier nach materiellen Gewinn entwickeln und die uns abhandengekommenen sozialen Werte wiederentdecken. Was den sozialen Status des Einzelnen ausmacht, bestimmen wir selbst… sobald wir dazu bereit und fähig sind. Die Parole der französischen Revolution lautete: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Brüderlichkeit drückte hierbei den Wunsch nach mehr Gegenseitigkeit und Anerkennung in den sozialen Beziehungen aus, sozialen Zusammenhalt und Solidarität, die Pflege von Freundschaften und soziales Engagement in der Gemeinschaft. Unsere geänderten Vorstellungen seit der französischen Revolution bestimmen den Wandel des politischen Gleichheitsbegriffs. Materielle Ungleichheit im Übermaß zu bekämpfen ist ein wichtiger Schritt, aber wenig wert, wenn er nicht einhergeht mit einem gesellschaftlichen Wertewandel. Um Wohlstand bemüht zu sein, um die eigene und der Familie materielle Absicherung, ist ein legitimes Ziel, aber es darf nicht alle anderen Ziele und Werte verdrängen, in Gier, Übermaß und Geringschätzung des weniger Wohlhabenden münden.
Gestern Abend diskutierten wir über ein altes, philosophisches Dilemma, das immer mehr an Aktualität gewinnt: das Trolley-Problem. Zur Einführung trug unser Redner folgenden Impulsvortrag vor:
Philosophie ist unnütz, brotlos und irgendwie unverständlich. Sie sitzt in ihrem Elfenbeinturm und erklärt sich nur noch selbst die Welt. Bei den anderen Menschen kommt davon wenig an. Das sind alles Dinge, die man immer wieder über die Philosophie zu hören bekommt. Zugegeben: Viele Philosophen bedienen sich häufig einer nur schwer verständlichen Sprache und beschäftigen sich mit Problemen, die irgendwie keine sind. In meinem Alltag spielt es beispielsweise keine Rolle, ob der Empirismus nun der einzig richtige Weg zur Wahrheitsfindung ist oder ob doch die Rationalisten Recht haben. Es ist einfach wenig hilfreich zu verstehen, was Kant mit seinem synthetischen Urteil a priori meinte, wenn ich damit beschäftigt bin ein neues Auto zu kaufen. Doch im Moment scheint es so, als ob sich mir bei meinem Autokauf in nicht allzu ferner Zukunft ein wenig Philosophie über den Weg läuft und sich mir sogar aufdrängt.
Mit dem Fortschreiten der Technologie und den immer besser funktionierenden autonom handelnden Systemen nehmen auch philosophische Fragestellungen in diesem Bereich zu. Unterschiedlichen Studien zufolge, könnte autonomes Fahren bereits ab 2030 Realität auf deutschen Straßen sein. Das bringt nicht nur rechtliche Schwierigkeiten (Stichwort: Haftbarkeit) mit sich, sondern auch moralische.
Mit der bevorstehenden Zulassung selbstfahrender Autos auf unseren Straßen müssen wir uns einem Problem stellen, das bereits 1967 von Philippa Foot formuliert wurde und in der angloamerikanischen Ethikdebatte seitdem als Trolley-Problem bekannt ist:
Stellen Sie sich vor, eine Straßenbahn rast auf fünf Menschen zu. Sie stehen daneben, hätten jedoch die Möglichkeit eine Weiche umzustellen und die Bahn umzulenken. Nun würde die Bahn umgelenkt werden. Doch wäre es kein Problem, wenn es nicht einen Haken gebe würde. Denn die Bahn würde zwar umgelenkt werden, aber auf dem anderen Gleis steht eine weitere Person. Wenn Sie die Bahn nicht umlenken, sterben fünf Menschen – tun Sie es, stirbt ein Mensch.
Würden Sie das tun, auch wenn Sie damit für diesen einen Tod verantwortlich wären?
Die meisten Menschen antworten mit Ja.
Nun gibt es eine weitere Variante: Sie stehen wieder daneben, sehen die Bahn auf die fünf Personen zurasen. Nun gibt es jedoch keine Weiche, die Sie umstellen können. Stattdessen steht neben ihnen ein stark übergewichtiger Mann, den Sie auf die Gleise stoßen könnte. Sein Gewicht würde tatsächlich ausreichen um die Bahn zu stoppen und fünf Menschen zu retten.
Würden Sie das auch tun? Die meisten Menschen lehnen dies nun interessanterweise ab, obwohl das Ergebnis dasselbe wäre. Das beweist, dass wir nicht vollkommen "konsequenzialistisch" denken - also unser moralisches Urteil über eine Handlung nicht allein an ihrem Resultat, ihren Konsequenzen ausrichten.
Die mehr oder wenige selbe Fragestellung lässt sich in verschiedenen Varianten nun auf das autonome Fahren übertragen. Um diese Fragen eben nicht nur im Elfenbeinturm zu entscheiden, läuft bereits seit dem Jahr 2016 die Online-Umfrage „Moral Machine“ am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT), an der bereits mehr als 40.000 Menschen teilgenommen haben. Ihr Ziel ist es, unsere moralischen Intuitionen anhand von dramatischen Entscheidungsszenarien zu erforschen. Ein Beispiel: Bei einem selbstfahrenden Auto versagen die Bremsen und es gibt nur zwei Möglichkeiten: Soll es gegen eine Mauer fahren, wodurch die Insassen sterben, oder soll es drei Menschen zu Tode fahren, die gerade über die Straße gehen?
Nun werden die Fragen in dem Fragenkatalog immer komplexer und man muss sich immer mehr zwischen moralischer Pest und Cholera entscheiden.
Macht es zum Beispiel einen Unterschied, wenn die Menschen regelwidrig bei Rot über die Ampel gehen? Oder wenn einer oder mehrere der Menschen ein Arzt, ein Krimineller, eine Führungskraft, ein Obdachloser, eine Schwangere, ein Kind oder gar ein Baby ist.
Die Auswertungen der bisherigen Ergebnisse zeigt, dass die meisten Menschen eher den größtmöglichen Nutzen für die größtmögliche Zahl bevorzugen. Das heißt, dass im Zweifel lieber weniger Menschen sterben sollen als viele. Dies bezeichnet man in der Philosophie als Utilitarismus.
Damit liegen sie aber glücklicherweise ganz im Trend der Vorstellung, wie denn Maschinen zu handeln haben. Ein autonomes Auto würde also – nach heutigem Stand – eher freiwillig gegen eine Mauer fahren und seine Insassen als mehrere Menschen zu überfahren. Dem Auto wäre es egal, ob sich Kinder oder ältere Menschen in ihm befinden, solange es verhindert in eine Menschenmenge zu rasen.
Befragt man die Menschen jedoch, ob sie ein Auto kaufen würden, das ein solches utilitaristisches Verhalten an den Tag lege, würden die meisten dies jedoch verneinen. Denn wonach die Studie nicht fragt, ist die Frage nach meiner Entscheidung, wenn in dem Auto MEIN Kind oder MEINE Frau oder gar ICH selbst sitzen würde. Denn, wenn mein Kind die Chance hätte zu überleben, würde ich wahrscheinlich im Zweifel das Auto lieber in einer anonymen Menschenmenge zum Stehen bringen. Diese Fragen zwingen uns leider, uns mit den Abgründen unseres eigenen Handelns auseinanderzusetzen.
Würde ich mich selbst in ein Auto setzen, das meinen eigenen Tod in Kauf nimmt, wenn es andere damit rettet? Würde ich selbst so handeln, wenn ich am Steuer sitzen würde und die volle Kontrolle hätte? Was sagt mein großer SUV, mit dem ich im Zweifel mehr Menschen überrolle, über mein Sicherheitsbedürfnis aus?
Autonomes Fahren wird die Zahl der Unfälle wahrscheinlich drastisch senken. Es ließen sich die mehr als 3.000 Verkehrstoten pro Jahr um weit über die Hälfte reduzieren, denn 88% dieser Unfälle lassen sich auf menschliches Versagen zurückführen. Konsequent zu Ende gedacht, würde autonomes Fahren sehr wahrscheinlich die Umwelt entlasten, da weniger Fahrzeuge benötigt würden. Und dennoch bleibt dieser moralische Nachgeschmack. Das Problem ist nur, dass wir nicht einfach abwarten können, was passiert und die Maschinen diese Fragen für uns lösen lassen. Denn Maschinen handeln so, wie es ihnen beigebracht wurde. Wir sind also gezwungen uns diesen moralischen Finessen zu stellen und die Karten auf den Tisch zu legen. Wir können uns nicht mehr einfach verstecken, sondern müssen Stellung beziehen.
Doch diese Fragen gelten nicht nur für selbstfahrende Autos. Sie werden in nicht mehr allzu ferner Zukunft für immer mehr Maschinen gelten, die unseren Alltag leichter gestalten sollen. Daher sollten wir uns bereits jetzt Gedanken darüber machen, welche moralische Entscheidungen wir diesen Maschinen mitgeben und welche wir heute bereits für uns treffen.
Meine Fragen lauten daher für heute Abend:
- Wie entscheiden Sie sich bereits heute in gefährlichen Situationen, wenn Sie selbst betroffen sind? Retten Sie sich oder andere?
- Wenn Sie für andere entscheiden müssten, würden Sie dem utilitaristischen Prinzip des größtmöglichen Glücks für die größtmögliche Zahl folgen?
- Gilt Ihre Antwort auch für selbstfahrende Autos?
- Welche Maschinen sollten Ihrer Meinung nach über eine moralische Entscheidungsgewalt verfügen?
Heute hielt unser Redner einen Vortrag zu den ehemaligen deutschen Kolonien in Übersee. Zunächst erfolgte eine schlaglichtartige Einführung in die Geschichte dieser Kolonien - vom Erwerb bis zum Verlust - verbunden mit der Frage, was davon denn heute noch so bleibt und wie wir mit dieser Erinnerung umgehen sollen. Dieser gemeinsame Gästeabend mit der Loge "Spectemur Agendo" war geprägt von einem spannenden Austausch über diese Fragen und der Einsicht, dass unser Handeln immer Auswirkungen hat und wir uns unserer Verantwortung stellen sollten.
Pünktlich zum neuen Jahr ist nun auch der neue Arbeitskalender für das erste Halbjahr 2019 verfügbar. Wir freuen uns auf viele spannende Veranstaltungen mit Ihnen. Den Kalender finden Sie hier.
Wir wünschen Ihnen ein frohes und gesundes neues Jahr!
Zum gestrigen Gästeabend diskutierten wir die Veränderungen durch die Digitalisierung und die Argumente für und gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen. Den Vortrag finden Sie hier zum Download und Nachlesen.
Zum gestrigen Schwesternfest, das wir gemeinsam mit den beiden anderen "Dienstagslogen" Spectemur Agendo und Tusculum veranstalteten, hielt unser Redner die folgende Rede in der er sich bemüht Antworten auf Fragen von Außenstehenden zu finden:
Die heutige weiße Arbeit gibt unseren Partnerinnen und Partnern die Möglichkeit einen kleinen Einblick in das zu geben, was wir hier eigentlich so machen, wenn wir uns Woche für Woche auf den Weg ins Logenhaus machen.
Im Zuge dessen, wirft dieser Abend einige Fragen auf. Denn Partnerinnen und Partner fragen nach. Sie stellen teilweise gar unangenehme Fragen wie: „Was ist diese Freimaurerei eigentlich?“.
Unsere, für den Außenstehenden manchmal vielleicht sogar hilflos anmutenden Erklärungen, beginnen in der Regel damit, dass wir anfangen zu erklären, dass wir uns auf die Tradition der Steinmetzbruderschaften beziehen und wir geheime Rituale verwenden. Diese Rituale sind jedoch so geheim, dass wir darüber eigentlich nichts erzählen dürfen. Sie seien aber auch so gut, weil wir eben nichts darüber sagen dürfen.
Dass damit ein neugieriger Zuhörer nicht wirklich zufriedengestellt ist, daran mag sich jeder erinnern, der selbst vor seiner Aufnahme diese Frage stellte.
Kommt es nun noch schlimmer, folgt die nächste Frage, die uns dann doch erst einmal wieder ins Taumeln versetzt: „Mit welchem Ziel tust du das eigentlich?“.
An dieser Frage bin ich damals als Suchender doch immer wieder ein wenig gescheitert. Die Antworten auf diese Frage nach dem Warum, wurde zunächst vollkommen unterschiedlich beantwortet und viele Brüder bemühten sich um kryptische Antworten. Einige scheuten sich sogar nicht, stets eingeübte Sätze wie „Wir bauen am Tempel der Humanität“ oder Zitate aus Lessings „Ernst und Falk“ von 1787 zu konsultieren.
Natürlich sind diese Aussagen nicht falsch. Doch sie sind erst so richtig zu verstehen nachdem man zum Freimaurer geworden ist. Betrachtet man es also nun nur von außen, entsteht schnell der Eindruck, wir Freimaurer würden nun etwa einmal im Monat ein sagenumwobenes Ritual durchführen und das wäre es dann. Und auch der ein oder andere Freimaurer mag sich vielleicht still und heimlich immer wieder selbst fragen, was es denn nun bringen würde und wo es denn hinführt, an seinem eigenem rauen Stein zu arbeiten.
Genau diesen Fragen möchte ich mich heute widmen. Was machen wir hier eigentlich und warum machen wir das überhaupt?
Wie hier nun vermutlich allen Anwesenden bekannt ist, entstammt die Freimaurerei also den mittelalterlichen Steinmetzbruderschaften. Diesen gehörten die Steinmetze an, die auf - zumeist kirchlichen - Großbaustellen arbeiteten.
Nun müssen wir eingestehen, dass wir heute mit diesen Steinmetzen relativ wenig zu tun haben. Doch gibt es für mich eine wichtige Gemeinsamkeit. Denn: Der einzelne Steinmetz arbeitete für sich an seinem einzelnen Werkstück. Und bei vielen dieser Bauwerke konnte dieser einzelne Steinmetz nicht einmal das Endergebnis sehen, da der Bau oftmals länger dauerte als sein eigenes Leben. Und dennoch erschuf er etwas Größeres.
Und genau dieses Größere erschaffen wir nach wie vor – nur eben nicht mehr in Form von Steinen. Es sind heutzutage eher immaterielle Dinge, die nun doch nicht zwingend unwichtiger sind. Wir Freimaurer heute erschaffen Erlebnisse, Gemeinschaft, Werte und Gegensätze.
Was genau meine ich denn nun damit?
Bereits das Aufnahmeritual ist ein Erlebnis der besonderen Art. Der Aufzunehmende – und natürlich auch die Aufzunehmende - hat im Grunde genommen keine Ahnung was an diesem Abend mit ihm passieren wird. Er gibt sich ganz und gar dem hin, was Menschen, die er meistens kaum kennt, mit ihm vorhaben. Mit verbundenen Augen – so viel darf ich heute verraten – wird er in den Tempel geführt. Mit Spannung erwartet er den nächsten Moment und das, was als nächstes Geschehen wird. Und auch alle anderen im Tempel haben Teil an dieser Zeremonie. Sie werden einbezogen und erleben ihre eigene Aufnahme noch einmal. Das gilt für die meisten Arbeiten. Jede Tempelarbeit ist damit ein Erlebnis. Ein Erlebnis, dass das Potential hat uns tief zu prägen.
Diese Erlebnisse haben bereits viele Brüder vor uns erlebt. Durch sie sind wir weltweit miteinander verbunden. Doch sind es nicht nur diese Erlebnisse in Formen von Tempelarbeiten, die uns verbinden. Durch unsere regelmäßigen Zusammenkünfte finden wir ebenfalls als eine Gemeinschaft zusammen.
Darüber hinaus reisen wir und treffen auf andere Brüder. Durch das Internet gibt es vermehrt eine globale Vernetzung mit Brüdern aus anderen Ländern. Durch das alles erschaffen wir eine weltweite Gemeinschaft und ein Gemeinschaftsgefühl.
Diese Gemeinschaft und diese Erlebnisse gibt es, zumindest in der heutigen Form, seit mehreren hundert Jahren. Wie jeder Verein mit einer solch langen Vergangenheit beruft sich die Freimaurerei gerne auf ihre Traditionen und auch ihre alten Werte: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität. Der Unterschied zu anderen Vereinen besteht jedoch darin, dass diese Werte nicht einfach nur inhaltsleer wiedergegeben werden, sondern immer und immer wieder neu diskutiert werden. Sie werden nicht einfach hingenommen, sondern sie bilden den Grundstock für viele unserer Diskussionen. Ein jeder Maurer ist herausgefordert, diese Werte für sich zu definieren und zu leben. Daher ist es für mich nicht ein bloßes Hochhalten von Werten, sondern durch die stete Auseinandersetzung mit diesen Begrifflichkeiten, entstehen neue Werte. Zwar mag es für diese Werte noch keine Worte geben oder sie lassen sich den Oberbegriffen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität unterordnen, doch werden jederzeit neue Aspekte erschaffen, die dieses große Puzzle ergänzen.
Wie manch einer nun bereits erahnt, sind die meisten Freimaurer sehr diskussionsfreudig. Um diesen „Diskussionsdurst“ zu stillen, widmen wir uns in nahezu jeder Veranstaltung einem diskussionswürdigen Punkt. Es finden ein öffentlicher Gästeabend statt bei dem fleißig mit Außenstehenden und untereinander diskutiert wird, ein Abend zum brüderlichen oder schwesterlichen Austausch bei dem nur innerhalb der Bauhütte diskutiert wird und eine Tempelarbeit bei der der Redner mit seinem Vortrag möglichst Anlass für Diskussionen gibt.
Diese Veranstaltungen finden sich so in jedem Kalender der hier anwesenden Logen. Diskussionen und Gespräche sind demnach einer der zentralen Punkte der Freimaurerei. Eine gute Diskussion hat es aber nun einmal an sich, dass mehrere Personen unterschiedliche Ansichten vertreten. Sonst wäre die Diskussion schnell beendet und auch nicht besonders interessant. Dadurch, dass wir uns immer wieder Themen widmen, die unterschiedliche Meinungen hervorrufen, erschaffen wir permanent und mit vollem Bewusstsein Gegensätze.
Viele Menschen tun sich schwer damit genau das zu tun. Sie gehen ihrem Alltag nach und vergessen alles andere um sich herum. Ihre Komfortzone wird nicht verlassen. Doch genau das sollten wir immer wieder tun um uns weiterentwickeln zu können. Indem wir uns bemühen, immer und immer wieder diese Gegensätze zu erschaffen - und sie sogar auszuhalten - kann es uns gelingen, dass wir unseren Horizont erweitern.
Und gerade deswegen müssen wir verstehen, dass nicht alle Menschen diesen Weg einschlagen wollen. Wir müssen begreifen, dass die Freimaurer kein elitärer Haufen voller intellektueller Denker sind, die etwas besseres sein wollen. Nein, es sind Menschen. Menschen voller Fehler und voller Zweifel. Menschen, die anderen Menschen in nichts nachstehen und genau wie sie auf einer langen Suche sind. Nur mit diesem Verständnis können wir wahre Menschlichkeit erschaffen und sie leben.
Manchmal verliert man dieses Ziel ein wenig aus den Augen. Manchmal fragt man sich, was diese ganzen Diskussionen, die Tempelarbeiten und die ganze Arbeit bringen sollen. Denken wir an den Steinmetz zurück, der Tag für Tag seiner Arbeit nachging und das fertige Gebäude niemals sehen konnte. So erscheint es mir als müssten wir gar nicht immer sehen was am Ende daraus wird. Viel wichtiger ist es, bei der Sache zu bleiben und sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Diese Arbeit gelingt uns jedoch nur, wenn unsere Brüder, unsere Schwestern und unsere Partner an unserer Seite stehen. Daher gilt mein aufrichtiger Dank heute allen, die einen Freimaurer oder eine Freimaurerin an ihrer Seite haben und ihre Wege mit ihnen gehen.
Sie fordern und fördern uns – und leisten damit einen immensen Beitrag bei der Erschaffung von Erlebnissen, Gemeinschaft, Werten und Gegensätzen.
Ab sofort ist unser Arbeitskalender nun zum Herunterladen verfügbar. Wir freuen uns Sie auf einer unserer Veranstaltungen begrüßen zu dürfen. Auch dieses Halbjahr erwarten Sie und uns viele spannende Vorträge und Tempelarbeiten. Alles weitere dazu finden Sie hier.
Am vergangenen Dienstag, hielt einer unserer Bruder einen spontanen Vortrag, den wir Ihnen nicht vorenthalten wollen:
Erinnert ihr Euch noch daran? Am 14.06.2017 starben in London im Grenfell Tower, einem öffentlich geförderten Hochhaus mit Sozialwohnungen 80 Bewohner. Die größte Feuerkatastrophe der Nachkriegszeit in England wurde verursacht durch eine preisoptimierte, leicht entflammbare Fassadenverkleidung und massive Verstöße gegen Brandschutzbestimmungen. Der Hochhausbrand war für viele ein Symbol, das blitzlichtartig die Spaltung der britischen Gesellschaft erleuchtete, ein Symbol dafür, dass hier etwas zutiefst falsch, ganz und gar aus dem Ruder gelaufen ist. Kurzfristig wurde ein Schleier weggezogen durch den Turm der Schande, bis andere Katastrophen, zumeist in anderen und beruhigend fernen Ländern, ihn wieder in das Dunkel der Vergessenheit zurückgestoßen haben. Ein Symbol dafür, dass allen verfassungsrechtlichen Gleichheitsbeteuerungen zum Trotz der Profit und begüterte Eliten in vielerlei Hinsicht Vorrang vor den Bedürftigen haben, auch wenn es umso elementare Dinge wie Leben und Tod geht. Wir erleben eine wachsende gesellschaftliche Polarisierung, empfinden ein Unbehagen, das allzu offensichtlich von der Politik nicht wirklich geteilt, zumindest nicht als drängend empfunden wird. Der Lyriker Ben Okri hat über Grenfell Tower und wofür er steht, eine sehr berührendes, ein sehr politisches Gedicht geschrieben. Ich möchte daraus zitieren:
„Wenn ihr sehen wollt, wie die Armen sterben, kommt und seht den Grenfell Tower…
Die Armen, die dachten, für die Reichen zu stimmen, würde sie retten…
Manchmal braucht es ein Bild, um eine Nation aufzuwecken aus seiner geheimen Schande…
Sie starben nicht, als sie starben; ihr Tod geschah schon lange zuvor.
Er geschah in den Köpfen der Menschen, die sie nie gesehen haben.
Er geschah in den Gewinnspannen. Er passierte in den Gesetzen. Sie sind gestorben, damit Geld gerettet und gemacht werden konnte…
Sie nannten den Turm hässlich; sie nannten ihn einen Schandfleck, rund um die schönen Menschen in ihren schönen Häusern. Sie wollten nicht, dass der hässliche Turm ihre Hauspreise ruiniert…
Da ist überall Verkleidung. Politische Verkleidung, wirtschaftliche Verkleidung, intellektuelle Verkleidung. Dinge, die gut aussehen, aber ohne Zentrum, ohne Herz, nur moralische Polsterung. Sie sagen die Worte, aber die Worte sind hohl. Sie machen die Gesten und die Gesten sind flach. Ihr Körper kommt zum verbrannten Turm, aber ihre Seelen folgen nicht.“
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit sind die Leitsprüche der französischen Revolution und irgendwie auch die der Freimaurerei. Kaum ein Begriff hat einen so hohen idealen Wert in demokratischen Gesellschaften, wie die Gleichheit. Sie gilt als eine wesentliche Bedingung für Gerechtigkeit. Kaum ein anderer Begriff erweckt so hohe Erwartungen und wird gleichzeitig so restriktiv und eng, wie so ausufernd und omnipräsent verstanden, dass er letztendlich unbestimmt und schwierig handhabbar gerät, ein unscharfer Abglanz seiner verfassungsrechtlichen Bedeutung. Was hat das alles mit Grenfell zu tun? Grenfell ist ein Symbol dafür, dass der aufgeklärte Mensch dem Postulat von Gleichheit und Gerechtigkeit zwar grundsätzlich zustimmt, unsere Lebenswirklichkeit aber unübersehbar in vielen Bereichen im Widerspruch zu diesen Idealen steht, man den Eindruck gewinnen kann, vielleicht sogar muss, dass sich seit der französischen Revolution nur die Träger von Reichtum, Überfluss und politischer Macht geändert haben, nicht aber das jahrtausendealte System der Ungleichheit und der Ungerechtigkeit. Gerne zitieren wir die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen. Jeder hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand. Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.“ Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren? An welcher Würde? An welchen Rechten? Beginnt und endet die Menschenwürde zugleich beim Regelsatz von Hartz IV? Gleichheit vor dem Gesetz? Gilt dies wirklich gleichermaßen für jeden x-beliebigen Bürger wie für VW und Daimler-Benz? Gleiche politische Mitsprache? Beginnt und endet die damit, dass alle gleichermaßen im 4-jährigen Turnus ihr Kreuzchen auf dem Wahlzettel machen dürfen? Chancengleichheit? Hat das Kind aus prekären sozialen Verhältnissen wirklich den gleichen Zugang zu Bildung und einem erfüllten Berufsleben? Gleiches Recht auf Leben, auf Gesundheit? Für Kassenpatienten wie für private? Jahr für Jahr nehmen wir die jeweils aktuelle Forbes Liste zur Kenntnis, als gleichzeitig voyeuristisches und banales Symbol für die Ungleichheit bei der Verteilung von Wohlstand und Vermögen auf dieser Welt. Amazon Chef Jeff Bezos hat mit 112 Milliarden $ endlich den Olymp erstiegen, der bedauernswerte Bill Gates muss sich mit mageren 90 Milliarden $ auf dem 2. Platz begnügen. Der Durchschnittslohn in Deutschland im Jahr 2017 lag bei monatlich 3092 €, in Russland bei rund 600 €, in Bulgarien bei 436 €. Der Regelsatz nach dem Sozialgesetzbuch liegt bei 416 € (zuzüglich Kosten für eine angemessene Unterkunft). Der gesetzliche Mindestlohn in Russland liegt bei 123 €. Wir reden nicht wirklich über Gleichheit und Gerechtigkeit, über Möglichkeiten und Wege zu einer Annäherung. Wir üben uns in spontan zur Schau gestellter Betroffenheit, wenn wir mit Bildern wie dem Grenfell Tower konfrontiert werden, aber dann gibt es auch schon wieder die nächsten erschütternden Bilder, die nächste Ablenkung. Unsere Politiker biedern sich bei den systemrelevanten Großunternehmen und den Superreichen an, an deren Katzentischchen sie hin und wieder sitzen dürfen, und werden dafür noch nicht einmal gescholten, denn uns geht es ja gut, um ein Vielfaches besser jedenfalls als denen in Russland und Bulgarien. Und schließlich … wenn wir uns den Themen von Gleichheit und Gerechtigkeit ernsthaft widmen würden, würden sich dann all die Wohlstandsgaranten unserer Gesellschaft nicht innerhalb der schönen neuen grenzenlosen globalisierten Welt in andere, wirtschaftsliberaler ausgerichtete Länder verziehen und würden uns dem sozialen Niedergang andienen. Drohung mit Liebesentzug in Form von Standortverlagerung. Game out! Kann uns das wirklich befriedigen, wollen wir wirklich so leben, als Menschheit, selbst wenn wir uns persönlich, als Individuen, in einer Komfortzone eingerichtet haben? Wollen wir weiter unsere Ideale zu Jubiläen und Festreden hochleben lassen und dann schnell wieder wegschließen? Sie eher als naive Träume begraben, denn als erstrebenswerte Ziele leben? Diese Fragen muss sich jeder von uns stellen lassen, sowohl der junge Suchende, mit vielleicht brennenden Wunsch nach einer Verbesserung unserer Welt, als auch der möglicherweise in die Jahre der Resignation gekommene, sogenannte erfahrene Bruder: Was fangen wir Freimaurer mit unseren hochgelobten Idealen an? Und damit schließt sich der Kreis zum Grenfell Tower. Wie fasse ich den amorphen Begriff der Gleichheit? Das beginnt schon damit, dass ich mich darauf verständigen muss, ob ich Gleichheit national oder global verstehe. Sinnvollerweise werde ich Gleichheit an den Möglichkeiten des einzelnen Staates messen müssen, denn wie will ich die sozialen und wirtschaftlichen Elemente, die im Gleichheitsbegriff enthalten sind, vereinheitlichen, ungeachtet des unterschiedlichen Wohlstandes oder der unterschiedlichen Not im jeweiligen Land. Die größte Schwierigkeit ist aber die Frage danach, wo das menschenrechtliche Postulat der Gleichheit beginnt und wo es endet, enden muss. Man wird sich darauf verständigen können, dass die Vermeidung existenzieller Not, von Obdachlosigkeit, Hunger und Ausschluss von jedweder Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zum Gleichheitsgebot zählt. Jedenfalls in einem modernen Wohlfahrtsstaat. Existenzielle Not wäre aber abzugrenzen von Armut, und wie man Armut definiert, wird politisch sehr flexibel gehandhabt. Gehört überhaupt die Vermeidung von Armut zu einer Geburt gleich an Würde und Rechten? Fragwürdiger schon ist die Gleichheit vor dem Gesetz, die zwar normativ festgelegt ist, aber nicht immer zu gelten scheint, etwa für Banken oder Unternehmen, die eine systemrelevante Größe erreicht haben. Gleiche Beteiligung an der politischen Meinungsbildung. One man - one vote alle 4 Jahre auf dem Wahlzettel, und das war es dann? AFD inklusive? Sicher gesetzt scheint die gleiche Inhaberschaft der Grundrechte (Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit), wobei mancher den Islam ausklammern mag, denn irgendwie passt er doch eher weniger zu Deutschland als alle anderen Religionen?. Gleiche Chancen auf Bildung und berufliche Entwicklung. Was ist, wenn eine Elite sich dem allgemeinen Schul- und Bildungswesen entzieht und sich in Reservaten privatfinanzierter Einrichtungen ihre eigene Chancengleichheit sucht? Wo man nicht mit baufälligen Gebäuden, desillusionierten Personal und dem nicht im Lehrplan gestandenen Erfordernis konfrontiert ist, zu integrieren was nach Herkunft, Kultur, Sprache und Wertesystem weder selbstverständlich noch einfach kompatibel ist. Gleiche Chancen auf Leben und Gesundheit? Mindestvoraussetzung, die Krankenversicherung für jedermann. Darüber hinaus viele Fragen. Darf ein Staat hinnehmen, dass privat Krankenversicherte nicht nur Vorteile bei der Terminsvergabe in unserem Gesundheitssystem genießen, sondern auch Vorteile bei der Qualität der medizinischen Versorgung, wobei man generell auch schon die Geschwindigkeit des Zugangs zur Versorgung als wesentliches Qualitätsmerkmal ansehen muss. Wenn der Privatpatient eine sehr zeitnahe Aufmerksamkeit erwarten kann, sobald ihn eine wie auch immer geartete Beschwerde beunruhigt, muss sich der gesetzlich Krankenversicherte nicht selten noch einige Wochen, zum Teil auch Monate gedulden. Bei der letzten Grippewelle wurde offenbar, dass die Kosten für hochwertige und allein erfolgversprechende Impfstoffe nur von privaten Krankenversicherungen übernommen wurden, von den gesetzlichen Kassen indessen nicht freigegeben waren. Gleichheit schließt nicht aus, dass derjenige, der tüchtiger ist, mehr als andere zum Gemeinwohl beiträgt oder auch nur zu seinem und seiner Familie Wohlstand, einen Anspruch auf höhere Belohnung hat, soweit dies in einem angemessenen Maß geschieht, aber genau das ist das Problem. Der Mensch hat die Anlage zur Gier, zur Maßlosigkeit. Es genügt nicht, dass es ihm gut geht, er will mehr, er will reich sein, nicht nur reich, sondern superreich, so dass er und seine Nachfahren ein für alle Mal dem Erfordernis entzogen sind, etwas zu leisten, um eine Entlohnung zu verdienen. Das Ideal, dass viele Gleiche gemeinsam, zielstrebig und mit Fleiß an der Verbesserung ihrer gemeinsamen Zukunft wirken, ist eben nur ein solches: ein Ideal. Es gibt Gleiche, die sich dem Mitwirken, der Leistung, gänzlich entziehen, sich darauf beschränken, von der Solidarität der anderen zu leben, ohne sich über irgendeine Gegenleistung hierfür auch nur Gedanken zu machen. Es gibt Gleiche, die durchaus an der Verbesserung arbeiten, aber nicht zum gemeinen Wohl, sondern ausschließlich ihrem ganz persönlichen, deren Ziel es ist, möglichst Ungleich zu werden, sich durch besonderen Wohlstand von ihresgleichen zu unterscheidenDer Tüchtige, der Leistungen in der und für die Gesellschaft erbringt, darf der nicht eine höhere Entlohnung und sonstige Wertschätzung erwarten als derjenige, dem die laufenden staatlichen Transferleistungen völlig ausreichen, zumal, wenn man sie durch gelegentliche Schwarzarbeit nach Lust und Laune aufbessern kann? Muss nicht eine Gesellschaft, die Fortschritt wünscht, sich weiter entwickeln möchte, geradezu dafür sorgen, dass ein ausreichender Antrieb für die Leistungsträger gesichert ist? Wie aber bewerte ich Leistung, die man in ein wie auch immer geartetes Verhältnis zur Gegenleistung setzen muss? Was ist mit dem Arzt und der Pflegekraft, dem Lehrer und dem Kindergärtner, dem Fußballer und dem Lagerarbeiter? Was ist mit dem, der sich nicht freiwillig der Leistung verweigert, sondern durch Krankheit und Gebrechlichkeit oder mangelnde Bildung zu Leistung gar nicht imstande ist? Was ist mit dem Recht auf Freiheit, auf Eigentum, das eben auch die Möglichkeit einschließt, aus meinen wirtschaftlichen Möglichkeiten in jedweder Hinsicht eine Steigerung meiner Lebensqualität zu bewirken. Bessere Wohnqualität, bessere Bildung, bessere Gesundheitsversorgung, ein längeres Leben? Man kann sein Geld auch unvernünftiger ausgeben und es ist doch nun einmal meines! Fragen über Fragen, die eine hohe politische Brisanz haben, deren Beantwortung das Potenzial zu massiven Systemveränderungen hätte. Ich kann sie nicht beantworten, ich sehe aber auch nicht die Bereitschaft der Politik, der Gesellschaft, der Kreativen und der Intelligenten, sich mit diesen Fragen überhaupt, geschweige denn ernsthaft, auseinanderzusetzen, denn eine am Gleichheitsideal orientierte Lösung bedeutet fast sicher eine Verschlechterung der Verhältnisse derjenigen, die von unserem derzeitigen System besonders profitieren. Dieser Vortrag soll und kann keine Lösung sein. Er soll ein Impuls sein, uns mit den angesprochenen Fragen zu Gleichheit und Gerechtigkeit und vielen weiteren zu befassen, offen und diskursiv, jeder nach seiner persönlichen, eher ethisch bestimmten oder ganz praktikablen Ausrichtung und Erfahrung.
Von Europa hört man viel.
Europa ist wichtig, stark und freiheitlich, aber manchmal doch überflüssig, klein und bevormundend. Je nach Lesart ändert sich das Vokabular und die damit einhergehende Zuschreibung.
Der aktuelle Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD trägt den Titel: „Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland. Ein neuer Zusammenhalt für unser Land“. Europa scheint für unsere Bundesregierung einen sehr großen Stellenwert zu haben. Die Briten hingegen sahen Europa schon immer etwas kritischer, was sich nicht zuletzt im Brexit ausdrückt.
Bei all diesen verschiedenen Positionen, lohnt es daher einmal einen Blick auf dieses Europa zu werfen. Dafür werden wir uns zunächst den Ist-Zustand ansehen um am Ende gemeinsam zu überlegen, was Europa denn vielleicht werden könnte.
Beginnen wir also mit einer kleinen - und sicherlich nicht vollständigen Bestandsaufnahme - und stellen die Frage: Was ist Europa heute?
Die einfachste Antwort darauf lautet: Europa ist ein Erdteil.
Bleibt man jedoch weiter bei der geographischen Beschreibung, wird es schon etwas schwieriger. Denn Europa ist ein Erdteil, der sich über das westliche Fünftel der eurasischen Landmasse erstreckt. Obwohl dieser Erdteil geographisch gesehen ein Subkontinent ist, der mit Asien zusammen den gesamten Kontinent Eurasien bildet, wird es historisch und kulturell begründet meist als eigenständiger Kontinent betrachtet. Hier lässt sich bereits vermuten, dass sich hinter der Begriffen „historisch“ und „kulturell“ durchaus weitreichendere Aspekte verbergen, die Europa als ein komplexes Phänomen erscheinen lassen. Dies wird ebenfalls deutlich, versucht man eine natürliche Grenze zu finden, die Europa vom asiatischen Teil des Kontinents trennt. Denn es gibt keine völkerrechtliche Definition einer solchen Grenze. Heute folgt man bei der Grenzziehung zwischen Europa und Asien zwar üblicherweise weitgehend der Definition von Philip Johan von Strahlenberg aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, dennoch existieren bis zu fünf andere Modelle der innereurasischen Grenze. Auch eine Ziehung von Grenzen unter kulturanthropologischen Gesichtspunkten ist nicht eindeutig, da sie sich auf das römisch-griechische und christliche Erbe bezieht und einen Teil der Länder wieder ausschließt, die geographisch zu Europa gehören würden. Ebenfalls ist eine sprachliche Trennung kaum möglich, da in diesem Gebiet von etwa 10 Millionen Quadratkilometern ca. 200 verschiedene Sprache und Dialekte gesprochen werden. Und selbst historisch gesehen gehen die europäischen Sprachen hauptsächlich auf zwei Sprachfamilien zurück - nämlich die indogermanischen Sprachen und die uralischen Sprachen.
Europa ist demnach vielfältig und voller unterschiedlichster Traditionen und Kulturen. Es ist ein riesiger Flickenteppich voller unterschiedlichster Länder, die sich immer wieder neu definiert und verändert haben. Auch der Blick in die Geschichte zeigt, dass Europa eine Idee ist, deren Grenzen jederzeit neu ausgehandelt worden sind und deren Vorstellungen immer wieder eine Rückschau auf nicht zwangsläufig real existierende Grenzen der Vergangenheit gestützt wurden.
In heutigen Europa leben derzeit etwa 700 Millionen Menschen in 46 souveränen Staaten. Die größten Metropolen in diesem weitläufigen und vielfältigen Gebiet sind Moskau mit 10,4 Millionen Einwohnern, London mit 7,4 Millionen und Istanbul mit 6,9 Millionen Einwohnern. Erst auf dem fünften Platz folgt Berlin mit etwa 3,6 Millionen Einwohnern.
Von diesen 46 Staaten haben sich mittlerweile 28 zur Europäischen Union zusammengetan. Häufig, wenn wir über Europa sprechen, sprechen wir von dieser Europäischen Union – wobei wir viele große europäische Staaten außer Acht lassen. Aber auch mit diesen 28 Staaten wird es kompliziert, eine Einheit zu beschreiben. Es sind 28 Staaten mit unterschiedlicher Geschichte, mit verschiedenen Stärken und Schwächen, mit divergierenden Interessen und einer Bevölkerung von insgesamt über 500 Millionen Menschen, die in 24 Amtssprachen (und vielen weiteren Sprachen) miteinander kommunizieren.
Dieser Staatenverbund prägt unser aller Leben nun bereits seit mehreren Jahrzehnten. Die EU bestimmt Verbraucherschutz- und Umweltrichtlinien, sie reguliert den europäischen Export sowie den Binnenmarkt und hat nicht zuletzt eine eigene Währung, die in 18 EU-Staaten verwendet wird.
Dem ehemaligen Leiter der Europäischen Akademie, Prof. Dr. Eckart Stratenschulte, zufolge ist die Europäische Union „die größte Erfolgsgeschichte des vergangenen Jahrhunderts“, denn alle ihre „ursprünglichen Ziele, die sich die Union bei ihrer Gründung gesteckt hatte, sind mittlerweile erfüllt: Der Frieden unter den Mitgliedstaaten ist gesichert, Europa ist wieder aufgebaut, der Kalte Krieg ist überwunden und die Teilung des Kontinents ist es im Wesentlichen auch“[1].
Das Erreichen dieser Ziele macht die EU nun eigentlich hinfällig. Und auch der riesige Bürokratieapparat mit den teils schwer verständlichen Funktionen und seinen langgezogenen Entscheidungsprozessen vermittelt bei manchem nicht gerade einen sympathischen Eindruck. Ebenso wenig wie die Beiträge, die die einzelnen Mitgliedsstaaten aufbringen und die solidarisch allen zugutekommen. Im Jahr 2016 zahlte Deutschland 21,28 Milliarden Euro ein. Damit führt Deutschland die Liste der Meistzahler an, dicht gefolgt von Frankreich. Sogar der Ausstiegs-Kandidat Großbritannien zahlte „nur“ 13,46 Miliarden Euro - immerhin eine Milliarde weniger als Italien.[2] Betrachtet man nun den Rückfluss im Vergleich zum Beitrag, ergibt sich für Deutschland ein Minus von 10,99 Milliarden Euro.[3]
Dieses Minus ist für viele ein Grund einen Schritt in Richtung „Weniger Europa“ machen zu wollen. Die Briten beschreiten diesen Weg bereits radikal und vollziehen den Austritt aus der Europäischen Union am 29. März 2019 um 23 Uhr britischer Zeit. Ein weiterer Grund dafür war ein sich ausbreitender Nationalpopulismus wie man ihn derzeit in vielen Ländern beobachten kann. Dieser hat seinen Ursprung auch in der Angst vor dem Verlust der eigenen Identität. Doch der Weg zurück in den Nationalstaat bringt nur vermeintlich eine Lösung. Es hilft nämlich nichts, wenn ein nationales Parlament alles bestimmen, aber wegen der internationalen Rahmenbedingungen letztendlich nichts entscheiden kann. Die Festlegungen müssen nämlich auf der Ebene getroffen werden, auf der es überhaupt Handlungsmöglichkeiten gibt - und das ist der Nationalstaat oftmals schon nicht mehr, da gerade Unternehmen auf europäischer und internationaler Ebene agieren. Mehr Nationalstaat bedeutet auch immer weniger Internationalität auf wirtschaftlicher Ebene, was wiederum in einer globalisierten Welt Schwierigkeiten mit sich bringt.
Wo geht es also hin mit Europa du der Europäischen Union? Wo liegen ihre Aufgaben in der heutigen Welt? Welche Zukunft muss sie gestalten?
Die Europäische Union hat im 20. Jahrhundert erfolgreich den zwischenstaatlichen Frieden gesichert, sie steht jetzt in Zeiten der weltweiten Konkurrenz vor der Aufgabe, den sozialen Frieden zu gewährleisten. Meinungsumfragen zeigen, dass es die sozialen Probleme sind, die die Menschen in Europa zurzeit besonders beschäftigten. Tatsächlich öffnet sich – auch in reichen Ländern wie Deutschland – die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter. In den südlichen Mitgliedstaaten der EU gibt es Arbeitslosenzahlen von deutlich über 20 Prozent, und gerade für junge Leute sieht es oft noch schlimmer aus. Einer ganzen Generation droht die Zukunft abhanden zu kommen. Wie kann die EU hier Abhilfe schaffen?
In der Vergangenheit bestand der Erfolg der europäischen Integration vor allem darin, dass Grenzen abgebaut und hinderliche Regelungen abgeschafft wurden. So ist der größte Binnenmarkt der Welt entstanden, ein enormer Erfolg. Aber diejenigen, die auf diesem Markt nicht mehr benötigt werden, haben wenig davon, dass es im Supermarkt 200 Käsesorten aus ganz Europa gibt. Die „Europäisierung“ des Arbeitsmarktes schafft einen Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt, der Landesgrenzen bewusst ignoriert. Was kann die EU hier tun?
Dazu kommt: Die Europäische Union war immer auf das ganze Europa angelegt, das geht aus den Gründungsverträgen hervor. Die EU verhandelt immer mal wieder mit der Türkei, Serbien könnte 2020 beitreten und auch Montenegro ist ein Beitrittskandidat. Weitere Länder wie Albanien, Mazedonien, Bosnien und Heregowina sowie der Kosovo klopfen an die Tür. Welche Auswirkungen hat das auf den Arbeitsmarkt? Was bedeutet das auch für die Ost-Politik mit Russland? Was bedeutet das auch für die Integration?
Es sind viele Fragen, die sich die EU – und damit auch Europa – stellen lassen muss. Wirklich visionäre Antworten tauchen in der öffentlichen Debatte über Europa jedoch kaum auf. Meiner Meinung nach ein entscheidender Grund für dieses Desinteresse ist darin zu suchen, dass viele Menschen in Europa mehr eine Wirtschaftsgemeinschaft oder ein Bürokratiemonster sehen als eine Vision. Denn die Teilhabe an der Europäischen Union beschränkt sich auf die Teilnahme an den Wahlen für das Europäische Parlament. Und hierbei lag die Wahlbeteiligung 2014 bei gerade einmal 42,52% im europäischen Durchschnitt, woran sich Deutschland mit 47,9% beteiligte. Wer soll also eine Volksvertretung respektieren, die vom Volk selbst nicht ernst genommen wird?
Ein starkes Europa im 21. Jahrhundert wird es nur geben, wenn die Bürgerinnen und Bürger das wollen. Man kann den Verdruss über zu viel Einmischung aus Brüssel und zu wenig Mitsprache in europäischen Angelegenheiten nicht einfach bürokratisch verschleifen - nach dem Motto: "Lass die Leute doch murren, wir machen einfach weiter!"
Die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union müssen sich nach den Erfolgen der EU in den letzten 60 Jahren neu darüber verständigen, was sie mit dieser Union anfangen wollen. Man könnte etwas überspitzt sagen: Die EU muss sich neu begründen.
Jetzt geht es darum, neue Regelungen zu schaffen, die verhindern, dass ein Teil der Bevölkerung abgehängt wird. Die Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten werden die Europäische Union auch daran messen, ob es ihr gelingt, diesen Trend umzukehren. Sie werden ihr dann allerdings auch die notwendigen Vollmachten geben müssen. Das verträgt sich schlecht mit dem Modell, der EU im Gegenteil Kompetenzen wieder zu entziehen. Für eines von beiden müssen die Mitgliedstaaten und ihre Bürger sich entscheiden.
Damit stellt sich für die EU eine wirklich entscheidende Frage: Wie kann es gelingen, die Bürgerinnen und Bürger stärker an den Entscheidungsprozessen in Europa zu beteiligen und ihnen damit auch deutlicher das Gefühl zu geben, die Träger der europäischen Integration zu sein?
Die Stärkung des Europäischen Parlaments, die durch den Lissabonner Vertrag erfolgte, ist sicherlich ein wesentlicher Schritt vorwärts, aber sie ist kein Allheilmittel – und schon gar nicht, wenn weniger als 50 Prozent der Bürger überhaupt an den Wahlen teilnehmen. Nur wenn es gelingt, "Europa" stärker in die nationalen Diskurse zu tragen, es zu einem wichtigen Diskussionspunkt auf der Agenda von Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Bürgerinitiativen zu machen, wenn es möglich wird, Entscheidungen der europäischen Ebene nicht nur zu erfahren, wenn sie gefallen sind, sondern sie in ihrer Entstehung zu beeinflussen, wird das Europa der Bürger Wirklichkeit. Dieses neue europäische Demokratiemodell, das es noch zu entwickeln gilt, wird man sich als Mosaik vorstellen müssen, das aus vielen unterschiedlichen Teilen besteht. Es setzt aber ein stärkeres Engagement zu Hause voraus, das man auch wollen muss.
Das soziale Europa, das offene Europa, das Europa der Bürger – das sind drei Schlagworte für den europäischen Zukunftsdiskurs. Dabei ist vieles noch nicht angesprochen, was ebenfalls eine Rolle spielt: Europas Anstrengungen zum Klimaschutz und seine Fähigkeit und Bereitschaft, die anderen großen Länder dieser Welt auf dem ökologischen Weg mitzunehmen; die Offenheit gegenüber Flüchtlingen und die Regelung der Migration, die viele nicht wollen, aber alle brauchen, wenn wir unseren Lebensstandard halten wollen; der Schutz der Bürgerrechte in Zeiten der technisch möglichen Totalüberwachung; die Sicherung des Friedens außerhalb der Grenzen der Union – das sind nur einige Stichworte.
Wie bereits angemerkt, kommen jedoch wenig visionäre Ideen für ein solches Europa der Zukunft. Es ist ein Thema an dem man sich im Wahlkampf auch gerne mal die Finger verbrennen kann.
Einer der wenigen, der sich dennoch vehement für ein stärkeres Europa einsetzt ist der französische Präsident Emmanuel Macron. Inwieweit seine Motive dafür ehrenhaft sind, möchte ich heute erst einmal Beiseite schieben und lieber den Fokus auf seine Ideen legen:
Macron will die Integration der Europäischen Union vertiefen. Derzeit sei die EU "zu langsam, zu schwach, zu ineffizient", sagte Macron an der Pariser Universität Sorbonne Ende letzten Jahres. Nur ein starkes Europa könne sich den Herausforderungen einer globalisierten Welt stellen. In welchen Politikbereichen er Reformen anstoßen will, hat Macron in einer Grundsatzrede vorgestellt.
Die nächsten Europawahlen sind 2019. Bis dahin will Macron, dass die Hälfte der EU-Abgeordneten über länderübergreifende Listen gewählt wird. "Wir müssen das europäische Projekt für die Menschen und mit den Menschen neu begründen", sagte er. Die EU-Kommission soll auf 15 Kommissare beschränkt werden – einer pro Mitgliedsstaat. Derzeit sind es noch 28.
Macron hofft, dass nach der Reform der EU auch Großbritannien in die Gemeinschaft zurückkehren könnte. In dieser neu ausgerichteten Union könne das Vereinigte Königreich, wenn es wolle, in einigen Jahren seinen Platz finden, sagte er. Grundsätzlich sprach sich Macron in seiner Rede für ein Europa aus, in dem manche Länder bei der Integration voranschreiten können, ohne dass alle anderen mitziehen müssen.
Mit Deutschland will Frankreichs Staatspräsident in Zukunft eine noch engere Partnerschaft eingehen. Vorstellbar sei, bis 2024 "unsere Märkte vollständig zu integrieren" – mit denselben Regeln für Unternehmen in Frankreich und Deutschland, sagte Macron.
Auch in Sachen Verteidigung hat Macron eine klare Vorstellung: Es solle ein europäisches Verteidigungsbudget und eine gemeinsame Eingreiftruppe geben. Zu Beginn des kommenden Jahrzehnts soll sie einsatzbereit sein. Europa solle dann auch eine gemeinsame Verteidigungsstrategie besitzen. Die nationalen Armeen der Mitgliedstaaten sollten freiwillig Soldaten aus allen anderen europäischen Ländern aufnehmen.
Um Terrorismus in der EU besser zu bekämpfen, will Macron die Einrichtung der europäischen Staatsanwaltschaft vorantreiben. Geplant ist sie schon lang, die Umsetzung steht noch aus. Außerdem forderte er eine Geheimdienstakademie für die EU. Um die Staaten der Gemeinschaft besser gegen Naturkatastrophen wie Erdbeben und Waldbrände zu wappnen, schlug Macron einen gemeinsamen Katastrophenschutz vor.
In Bezug auf die Asylpolitik, schlägt Frankreichs Präsident eine europäische Asylbehörde vor um schneller über die Anträge von Flüchtlingen entscheiden zu können. Außerdem müssten die Einwanderungsgesetze harmonisiert und die EU-Außengrenzen besser geschützt werden. Dazu sei eine europäische Grenzpolizei notwendig. Um die Zuwanderung besser steuern zu können, solle es EU-weite Ausweise geben. Macron warnte jedoch auch vor den Gefahren eines zuwandererfeindlichen Nationalismus. Dieser verstoße gegen die Prinzipien eines gemeinsamen Europas, die aus der Tragödie zweier Weltkriege entstanden seien. "Wir dachten, die Vergangenheit kehre nicht zurück", sagte er. Doch isolationistische Einstellungen seien wieder aufgetaucht, "weil wir vergessen haben, Europa zu verteidigen".
Macron warb für einen neuen Anlauf für eine Finanztransaktionssteuer für alle EU-Mitglieder. Eine Finanztransaktionssteuer auf Börsengeschäfte war erst weltweit und dann 2013 auf gesamteuropäischer Ebene gescheitert. Die Einnahmen sollten für die Entwicklungshilfe verwendet werden.
Die Eurozone mit 19 Ländern solle ein eigenes Budget bekommen, forderte Macron. "Wir brauchen ein gestärktes Budget im Herzen von Europa, im Herzen der Eurozone", sagte er. Außerdem will er einen Eurozonen-Finanzminister unter demokratischer Kontrolle einsetzen. Man müsse auch darüber nachdenken, den Haushalt mit einer Steuer zu finanzieren. Er brachte dazu die Unternehmenssteuern ins Spiel, die in Europa angeglichen werden müssten. Bis zum nächsten EU-Budget 2020 sollten verpflichtende Unter- und Obergrenzen für die Körperschaftsteuersätze vorgelegt werden, sagte Macron. Länder, die sich daran nicht hielten, sollten keine EU-Strukturmittel erhalten, so der Franzose. "Man kann nicht von der europäischen Solidarität profitieren und gegen die anderen spielen."
Im Einsatz gegen den Klimawandel schlug Macron ein europäisches Förderprogramm für saubere Technologie bei Autos wie der Elektromobilität vor. Er will außerdem einen gemeinsamen europäischen Energiemarkt schaffen. Und um Forschung und Veränderungen wie die Digitalisierung zu begleiten, forderte Macron eine europäische Agentur für Innovationen.
Der französische Staatschef sprach sich für eine schrittweise Annäherung der Sozialmodelle in Europa aus. Macron will außerdem einen "Sorbonne-Prozess" anstoßen. Bis 2024 will er 20 europäische Universitäten mit europäischen Abschlüssen schaffen. Bildung in den weiterführenden Schulen will er harmonisieren. Der französische Präsident forderte, bis 2024 sollten alle jungen Europäer eine andere europäische Sprache lernen und alle unter 25-Jährigen die Möglichkeit bekommen, ein halbes Jahr im europäischen Ausland zu studieren oder zu arbeiten. [4]
Macron zeichnet hier also ein Bild von einem geeinten und starken Europa. Ein Europa mit einer starken, aber kontrollierten Wirtschaft mit Innovationen in Sachen Umwelt und Technik sowie ein Europa der Bildung. Dieses Bild ist sicherlich nicht jedermanns Geschmack, doch ist es ein – zumindest ein halbfertiges – Bild. Denkt man dieses Bild noch ein wenig weiter, könnte sich Europa eines Tages als ein föderaler Staat darstellen mit Regionen, die ihre lokalen Besonderheiten beibehalten und dennoch Teil eines großen Ganzen sind. Verdient dieses Europa dann nicht auch eine eigene Hauptstadt? Oder vielleicht ein „Europa in Europa“ – also ein Gebiet in dem Europa wirklich gelebt wird? Eine Art modellhafter Zwergenstaat mit mehreren Amtssprachen? Und wo bleibt die Identifikation mit Europa? Sollten wir in unserer Selbstbeschreibung nicht sagen, dass wir zunächst Europäer und dann Deutsche sind – ähnlich wie es der Titel des Koalitionsvertrages vorgibt?
Der französische Publizist Bernard-Henri Lévy kommentierte Europa mit den Worten: „kein Ort, sondern eine Idee“. Und damit trifft er den Nagel auf den Kopf. Europa ist nicht einfach zu fassen. Die Grenzen von Europa liegen in den Köpfen der Menschen. Es fehlt dieser Idee derzeit ein wenig an Visionen. Visionen, die von den Bürgern der einzelnen Nationalstaaten entworfen werden können. Daher würde ich mich freuen, mit euch heute Abend eure Ideen zu Europa zu diskutieren. Gibt es bereits ein „zu viel“ von Europa oder sind euch die Ideen Macrons zu wenig Europa? Was ist für euch überhaupt Europa? Wie soll dieses Europa eurer Meinung nach einmal aussehen?
Quellen:
[1] Stratenschulte, Eckart: Die Zukunft Europas, in: http://www.bpb.de/internationales/europa/europa-kontrovers/182478/einleitung (03.03.2018).
[2] Europäische Union: Nationale Beiträge der Mitgliedsstaaten zum Haushalt im Jahr 2016 (in Milliarden Euro), in: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/155196/umfrage/die-zehn-wichtigsten-beitragszahler-im-eu-haushalt-2010/ (03.03.2018)
[3] Operative Haushaltssalden der Mitgliedsstaaten im EU-Haushalt im Jahr 2016 (in Milliarden Euro), in: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/38139/umfrage/nettozahler-und-nettoempfaengerlaender-in-der-eu/ (03.03.2018)
Am 14. Januar 2018 fand der alljährliche Neujahrsempfang in unserem Logenhaus statt, der von allen Düsseldorfer Logen ausgerichtet wird. In diesem Jahr oblag unserer Loge die Leitung dieser Veranstaltung und unser Bruder Wolfgang hielt einen spannenden Vortrag zum Thema "Orientierung". Diesen können Sie hier nachlesen.
Unser Bruder Redner hielt zum ersten Gästeabend im Neuen Jahr einen Impulsvortrag zum Umgang mit der Geschichte - und ihrer Erinnerung - in der Freimaurerei. Dabei wurde kritisch beleuchtet, wie die Freimaurerei ihre eigene Geschichte - teils bewusst, teils unbewusst - manchmal selbst romantisiert und eine ehrliche Geschichtsbetrachtung gefordert. Dieser Ansatz führte zu einer lebhaften Diskussion, vor allem auch um den Umgang mit dem Nationalsozialismus. Den Vortrag können Sie gerne hier nachlesen.
Pünktlich zum Jahreswechsel ist unser Arbeitskalender fertig geworden, den Sie nun hier einsehen können. In ihm finden Sie alle Termine unserer Loge - inklusive aller öffentlichen Veranstaltungen und Tempelarbeiten. Wir freuen uns auf Ihren Besuch und wünschen Ihnen einen guten Übergang in das Neue Jahr!
Sollten Sie, egal ob Interessierter oder Bruder, Interesse an unserem Neujahrsempfang haben, freuen wir uns Sie am 14. Januar 2018 um 11:00 Uhr in unserem Logenhaus begrüßen zu dürfen.
Am 12. Dezember 2017 fand unser Diskussionsabend unter dem Motto "Freimaurer werden - Freimaurer sein - Freimaurer bleiben" statt. Eingeleitet wurde dieser Abend mit einem Impulsvortrag durch unseren Bruder Redner, den wir Ihnen gerne hier zur Verfügung stellen wollen. Der Impulsvortrag beschreibt zum einen den Weg vom Interessierten, zum Suchenden und dann zum Freimaurer beschreiben - macht jedoch an dieser Stelle nicht Halt, sondern denkt den Prozess ein wenig. Schließlich sollte der freimaurerische Werdegang weder mit der Aufnahme noch mit dem Meistergrad enden, sondern er ist immer einem Wandel unterworfen.
"Bevor ich beginne, muss ich leider eine sehr schwierige Frage stellen und zumindest den Versuch einer Antwort wagen, da ohne die Klärung dieser Frage der weitere Verlauf ein wenig unklar wäre. Die Frage lautet: Was ist ein Freimaurer? Diese Frage ist nun wieder eng verbunden mit der Frage, „Was ist Freimaurerei?“ - was die ganze Angelegenheit nun nicht wirklich einfacher macht. Schaut man sich die einleitenden Sätze des Wikipedia-Artikels zur Freimaurerei an, bekommt man einen ersten Eindruck: „Die Freimaurerei, auch Königliche Kunst genannt, versteht sich als ein ethischer Bund freier Menschen mit der Überzeugung, dass die ständige Arbeit an sich selbst zu einem menschlicheren Verhalten führt. Die fünf Grundideale der Freimaurerei sind Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität. Sie sollen durch die praktische Einübung im Alltag gelebt werden. Die Freimaurer organisieren sich in sogenannten Logen." Die Schwierigkeit einer genaueren Definition liegt nun darin, dass unter den vielen, sehr wohlklingenden Adjektiven, wie „freie Menschen“, „ethischer Bund“, „Gleichheit“ usw. ein jeder etwas anderes vorstellt. Würde jeder in diesem Raum seine persönliche Definition von Humanität vorstellen, hätten wir sicher einen sehr anregenden Abend, aber hätten damit auch nur den Bruchteil der allgemein existierenden Vorstellungen zu diesem Themenkomplex abgebildet. Und bereits jetzt hätten wir viele Meinungen gesammelt, die sich ergänzen, aber auch möglicherweise ausschließen. Selbst bei den drei Kernbegriffen Gleichheit, Brüderlichkeit und Toleranz, die immer wieder angeführt werden, ist eine Einigung auf die einzige und wahre Bedeutung nicht möglich.
Nun sind dies Begriffe mit denen man sich als Außenstehender aber auch irgendwo identifizieren kann. Dabei sind sie leider doch fast so gehaltvoll wie einige Wahlplakate, die Sprüche zeigen wie: „Für ein Land in dem wir gut und gerne leben.“ Ich denke, jeder hier würde diesen Wunsch unterschreiben.
Und genau so ist es auch in der Freimaurerei. Man muss sich die Frage stellen, was meinten denn unsere Gründungsmitglieder mit den Werten Gleichheit, Brüderlichkeit und Toleranz. Ohne diese Frage nun beantworten zu wollen, bringt es mich auf einen entscheidenden Punkt. Nämlich die lange Tradition der Freimauerei, die seit mehreren Jahrhunderten ein Bestandteil der Geschichte ist.
Und ein Teil, der diese Geschichte, diese lange Tradition am deutlichsten ausdrückt ist etwas, das einem Außenstehenden verborgen bleibt: Das Ritual.
Was passiert hinter den verschlossenen Tempeltüren? Was geschieht bei einer Aufnahme? Muss ich mich davor fürchten oder ist es etwas so banales, das es mich vielleicht sogar enttäuscht? Macht es
etwas mit mir? Verändere ich mich danach?
Ich möchte hier das Ritual gar nicht näher erläutern, aber ich möchte gerne darauf eingehen, warum es für die Freimaurerei, zumindest aus meiner persönlichen Sicht, so zentral ist.
Das Ritual wirft einen Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft, wobei es selbst in gewisser Weise zeitlos ist. Es ist für mich manchmal ein wenig so, als würde ich von außen einen Blick auf
das Leben werfen. Ich werde in die Lage versetzt, einen Schritt zurückzugehen und vielleicht die großen Fragen des Lebens zu stellen. Über unserem Tempeleingang prangt mahnend die alte
Aufforderung „Erkenne dich selbst“. Es ist dieser Imperativ, den ich sehe bevor ich diesen Raum betrete, der etwas metaphysisches, in seiner philosophischen und spirituellen Bedeutung, mit sich
bringt. Dieses „Erkenne dich selbst“ ist eine Aufforderung. Eine Aufforderung nicht nur zu fragen, wer ich bin, sondern alle erdenklichen W-Fragen des Lebens an mich selbst zu richten: Warum bin
ich? Wann bin ich? Wo bin ich? Wer bin ich? Wie bin ich? Wichtig ist dabei zu wissen, dass das Ritual die Antworten nicht direkt mitliefert. Manchmal werden sie zwar angedeutet, aber meist
unterliegt alles meiner persönlichen Interpretation.
An diesem Punkt halten wir kurz inne und fassen zusammen: Freimaurer sind Menschen, die sich gerne mit den großen Fragen des Lebens beschäftigen und dabei unter anderem ein Ritual als Hilfestellung verwenden.
Auch wenn einige meiner Brüder sicherlich über die plumpe Formulierung den Kopf schütteln und sich fragen, ob ich überhaupt verstanden habe, welche Tiefe die Freimauerei mit sich bringt und nicht
verstehen, wie ich die gesamte Symbolik, die Tradition, die Erfahrung des Rituals und die erlebte Brüderlichkeit außer acht lassen kann… möchte ich kurz einhaken und bemerken, dass dies alles
Dinge sind, die mir erst mit der Aufnahme und in den Jahren danach zugänglich werden, sodass sie für einen Außenstehenden nicht fassbar sind.
Nun gut, wie komme ich denn nun als interessierter Suchender in den Genuss der Aufnahme? Wie werde ich also Freimaurer?
Der erste Schritt besteht in unserer Loge aus dem regelmäßigen Besuch der Gästeabende für einen Zeitraum von etwa einem Jahr. Hier geht es vor allem darum, dass wir uns gegenseitig kennen lernen. Da ein Beitritt in der Regel auf Lebenszeit erfolgt, sollte der Schritt also von beiden Seiten gut überlegt sein. Schließlich trifft man sich mindestens drei Mal im Monat und muss miteinander auskommen - wobei ich dazu sagen möchte, dass Meinungsverschiedenheiten durchaus gewünscht sind, solange sie zumindest auf einer sachlichen Ebene ausgetragen werden.
Wenn Sie das Gefühl haben, dass sie bereit für eine Aufnahme sind, sprechen Sie einen von uns an. In der Regel ergibt sich im Laufe der Zeit ein guter Kontakt zu einem der Mitglieder und Sie fragen ihn, ob Sie uns beitreten können. Der Bruder wird dann alles weitere in die Wege leiten und Sie erhalten einen Aufnahmeantrag. Diesen füllen Sie aus, die Bruderschaft stimmt über diesen ab und die entsprechenden Schritte bis zur Aufnahme werden gemacht.
Nach ihrer Aufnahme sind Sie dann nicht nur Mitglied unserer Loge sondern in unserem Fall ebenfalls der Großen National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln sowie der Vereinigten Großloge von Deutschland.
Ab diesem Zeitpunkt sind sie also Mitglied einer Freimauerloge. Doch was bedeutet das nun? Was bedeutet es ein Freimaurer zu sein?
Dabei gilt es zwei Dinge zu betrachten. Zum einen das Leben innerhalb der Loge. Sie sind nun Teil einer vertrauten Gemeinschaft von Menschen, die sich wahrscheinlich sonst nicht so schnell begegnet werden. Das bedeutet zum einen, dass Sie sich nun mit diesen Menschen regelmäßiger treffen als es noch bei den Gästeabenden der Fall war. Ob dies nun zu den regelmäßigen Veranstaltungen der Fall ist oder ob Sie gemeinsam mit Ihnen anfangen andere Brüder in anderen zu Logen zu besuchen - Sie werden sie nun noch näher kennen lernen und auch auf einer anderen Ebene kennen lernen. Einem Bruder vertraue ich nun einmal ganz anders als einem Gast.
Das bedeutet auch, dass Einblicke in Leben gegeben werden, die ich möglicherweise vorher nicht bekommen hätte. Die Menschen innerhalb der Loge begegnen sich in der Regel auf Augenhöhe, wobei das Einkommen und der Bildungsstand keine Rolle spielen. Das gibt mir die Möglichkeit mich auch außerhalb meiner gesellschaftlichen Komfortzone bewegen zu können und neue Eindrücke für mich zu gewinnen. Der Preis den ich dafür zahlen muss, bringt mich dazu, was es außerhalb der Loge bedeutet ein Freimaurer zu sein. Denn meine bisherige Wahrnehmung der Dinge, inklusive meinem festen Standpunkt, kann unter Umständen an Relevanz verlieren. Durch das ständige Kollidieren und Abgleichen von unterschiedlichen Perspektiven, Lebensmodellen und Meinungen kommt es beinahe zwangsläufig zu einer Veränderung der eigenen Perspektive. Es heißt auch, dass ich meine eigene Perspektive im Alltag viel mehr hinterfrage, was mich auch oft dazu bringt, einfach mal mehr zuzuhören und mir mehr Zeit für eine Meinungsbildung zu gewähren. Dass das auch Anstrengend sein kann und auch manchmal zu einer Verunsicherung führen kann, wird meiner Meinung nach dadurch ausgeglichen, dass die reine Erkenntnis dessen, dass es so viele unterschiedliche Perspektiven wie Menschen auf der Welt gibt, auch etwas sehr beruhigendes hat. Es ist gar nicht immer wichtig, wer welche Meinung hat und es ist noch seltener wichtig, dass alle Menschen um mich herum meiner Meinung sind, sondern es ist wichtig dass es sie gibt und ich diese auch annehmen kann. Dieser Umstand zwingt mich ja sogar dazu um über mich und meinen Platz in der Welt nachzudenken. Und dieses Nachdenken darüber, diese ständige Neugier auf mich, die Welt um mich und über mir, ist für mich ein klarer Bestandteil des Freimauer-Seins. Es verändert etwas in mir - und diese Veränderung bedeutet möglicherweise auch eine Veränderung der Welt. Dabei geht es ja möglicherweise um die großen Dinge in der Welt. Es geht auch darum, was ich möglicherweise innerhalb meiner Familie, meines Freundeskreises oder im Beruf verbessern kann. Beobachte ich mich selbst dabei wie ich durch dieses Leben gehe, werfe dann noch einen kleinen Blick auf die anderen um mich herum und höre ihnen zu, erreiche ich meiner Meinung nach schon etwas großartiges. Ganz nach dem Satz Ghandis „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für die Welt.“, kann ich mit dieser Betrachtungsweise genau das verändern was ich mir wünsche.
Und das soll nun das Geheimnis der Freimaurerei sein? Dass soll es bedeuten ein Freimauerer zu sein? Ist das nicht alles etwas dürftig?
Ich denke, alles, was die Freimauerei darüber hinaus erreichen kann entsteht zwar aus ihr heraus, aber nicht in ihr. Ein Freimaurer soll innerhalb seines Alltags wirken und dort steht es ihm völlig frei sich zu entfalten wie es seinen Vorstellungen entspricht. Die Loge mit ihren Mitgliedern nimmt keinen Einfluss darauf, welche Ideen und Ziele ich außerhalb der Gemeinschaft verfolge. Sollte ich auf die Idee kommen, dass ich Spenden für einen guten Zweck sammle, dann ist das toll, muss aber nicht im Namen der Freimauerei geschehen. Wenn ich dafür natürlich Brüder aus meiner Loge gewinnen kann, ist das sicherlich schön, doch sie handeln dann als Privatpersonen, die möglicherweise von der Freimaurerei inspiriert wurden mehr Gutes innerhalb der Gesellschaft zu tun. An diesem Punkt entscheidet sich vor allem die deutsche Freimaurerei von der englischen und amerikanischen. Und noch etwas macht die deutsche Freimaurerei ein wenig anders: Ihre Geheimniskrämerei.
Viele unserer Brüder sind sehr auf ihre Deckung bedacht - das heißt sie wollen nicht, dass jedermann weiß, dass sie Freimaurer sind. Dieser Aspekt macht zwar die Öffentlichkeitsarbeit etwas schwierig, hat aber meiner Meinung nach auch einen entscheidenden Vorteil. Die Mitglieder, die tatsächlich den Weg zu uns gefunden haben und die dann auch noch in gewisser Weise freimaurerisch im Alltag wirken, tun das möglicherweise weil sie Freimaurer sind, aber sie gehen damit nicht hausieren. Da macht dieses Wirken zu etwas besonderem und hat etwas uneigennütziges und bescheidenes. Eine Tugend, die es sicherlich zu fördern gilt.
Nun gut, aber muss man dafür tatsächlich einem Verein beitreten?
Um es kurz zu machen: Nein, muss man nicht.
Ich glaube zwar, dass die Freimauerei grundsätzlich für die meisten Menschen offen steht, doch glaube ich nicht daran, dass sie für alle der richtige Weg ist. Zumal es sicher auch einige gibt, die nach ihrer Aufnahme enttäuscht sind, weil sie eben nicht einen metaphysischen Initiationsritus durchlebt haben, der ihnen die letzten Geheimnisse der Menschheit offenbart. Weil es eben auch innerhalb der Loge auch anders sein kann als ursprünglich gedacht. Weil möglicherweise Freimaurer doch nur ganz normale Menschen sind, die versuchen ihren Alltag zu gestalten.
Oder was, wenn das doch alles zu mühsam ist oder ich keinen Fortschritt bemerke? Was ist, wenn ich alle drei Grade durchlaufen habe und es mir an neuen Impulsen mangelt? Wie kann ich es dennoch
schaffen ein Freimaurer zu bleiben?
Unser Bund versteht sich als lebenslanger Bund. Sicher steht es mir jederzeit frei, diesen wieder zu verlassen, doch die Intention ist eine andere. Lebenslange
Verbundenheit. Das hört sich ein wenig an wie die Ehe und irgendwie erscheint es mir auch ein wenig so. Am Anfang steht die Neugier,
das Aufregende, die Spannung. Doch irgendwann setzt der Alltag ein. Wie kann es gelingen diesen Alltag zu durchbrechen?
Im Gegensatz zur Ehe hat die Freimaurerei einen großen Vorteil. Sie ist gewissermaßen polygam. Damit meine ich, dass ich mir innerhalb meiner Loge, aber vor allem innerhalb des gesamten Freimaurerbundes immer wieder neue Anreize holen kann - einfach indem ich die Gesprächspartner wechseln kann. Mir steht es frei - und es ist sogar gewünscht - , andere Logen zu besuchen und mit anderen Brüdern zu sprechen. Nur so kann ich aus meinem kleinen, neu geschaffenen, Mikrokosmos wieder ein wenig ausbrechen. Die dort neu gewonnen Impulse kann ich dann wieder in meine eigene Bauhütte zurück transportieren und so ein Wechselspiel der Ideen möglich machen.
Denn sicherlich gibt es auch in der Freimaurerei Dinge, die sich regelmäßig wiederholen. Ganz vorne mit dabei bei den Dingen, die sich wiederholen sind die Rituale, die nun einmal naturgemäß von der Wiederholung leben. Und doch gerade diese Wiederholung ist es auch, die mir immer wieder die Möglichkeit gibt neues zu entdecken. Wie oft wünscht lässt man manche Geschehnisse vor seinem geistigen Auge neu aufleben um sie von allen Seiten zu beleuchten? Das Ritual gibt uns die Möglichkeit, diese Seiten jedes Mal aufs Neue live zu erleben und zu entdecken.
Doch reicht das alles um sein Leben lang einem Bund treu zu bleiben? Was geschieht, wenn sich die Lebensumstände drastisch ändern? Seien es ein Umzug, ein neuer Job, Kinder, Heirat, Scheidung - und all die vielen weiteren Dinge, die das Leben noch bereithält? Kann man nicht auch möglicherweise an einem Punkt auch nicht mehr aus der Freimaurerei herausziehen? Ja hat man vielleicht irgendwann einmal einfach alles gesehen und alles schon einmal gehört? Gerade, wenn die Freimaurerei sich viel um sich selbst dreht oder die Themen mit denen sie sich beschäftigt einfach mal erschöpft sind?
Gehe ich zurück an den Anfang meines Vortrags und auf meinen Ansatz, dass die Freimaurerei hauptsächlich aus dem Stellen von Fragen besteht, drängt sich hier der Gedanke auf, dass diese Fragen möglicherweise eines Tages beantwortet sind. Vielleicht nicht universell beantwortet, aber zumindest für mich persönlich. Wäre das dann nicht vielleicht sogar ein ideales Ziel des Freimaurerbundes? Die Beantwortung von Fragen des eigenen Lebens? Wäre damit nicht möglicherweise ein Vorgang abgeschlossen und die der Bund behält seinen ideellen Wert, aber sein Nutzen für den Einzelnen ist damit passé?
Wie wir sehen, ist es gar nicht so schwer ein Freimaurer zu werden. Die Schwierigkeiten scheinen erst aufzutauchen, wenn es darum geht tatsächlich einer zu sein und viel mehr noch einer zu bleiben."
Zum gestrigen Abend lieferte unser Br. Wolfgang Heilmann einen gewohnt präzisen Blick auf die Em- und Be-Findungen vor sowie nach der Bundestagswahl vom 24. September. Er vermittelte seinen ganz persönlichen Eindruck mit Erwartungen und Enttäuschungen und gab seine eigene Haltung wieder. Anhand dieses einleitenden Vortrages konnten wir Teilnehmer unsere eigenen politischen Befindlichkeiten reflektieren und mit den anderen teilen, Meinungen austauschen und neue Erkenntnisse gewinnen. Den Vortrag in seiner Gänze können Sie hier nachlesen oder herunterladen.
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Es soll selbstverständlich nicht um Parteipolitik gehen, sondern um die Befindlichkeiten in unserem Land vor und nach der Wahl vom 24. September. War der bisherige Weg richtig, wohin soll ein neuer führen? Welche Werte bewegen uns und sollen wie in der Politik wieder gespiegelt werden? Empfindet ihr wie ich die Bundesrepublik als im demokratischen Dornröschenschlaf verhaftet? In einem ideologischen Vakuum? Deutschland steht wirtschaftlich gut da, Bruttosozialprodukt, Exportquoten, Steueraufkommen, alles im tief grünen Bereich. Eine der führenden Wirtschaftsnationen, absolut führend in der EU. Politisch kein Weltgewicht, aber Kraft unserer Kanzlerin durchaus reputierlich. Der Deutsche fühlt sich wohl. Fußball-Weltmeister, Bundesliga, Berlin Tag und Nacht, Konsumglück für jedermann, einschließlich der Selbstbestätigung in der schönen virtuellen Welt von Facebook, Amazon und Apple. Was will man mehr? Politisches Engagement? Überschaubar! Beteiligung an der politischen Meinungsbildung? Wer hin und wieder Hart aber Fair, Maischberger oder Anne Will an sich vorbeirauschen lässt, ist schon aktiver als der Durchschnitt. Politische Meinungsbildung wenigstens im Bundestag? Fehlanzeige! Die Art und Weise wie sich die große Koalition im Bundestag generiert und wie die bisherigen Oppositionsparteien dies generös hingenommen haben, kommt einer Verweigerung der Auseinandersetzung, der Debatte, gleich. Da findet keine Kontrolle der Regierung statt, keine Entwicklung alternativer Konzeptionen, sondern lähmende Jasager Mentalität. Da sich die überwiegende Mehrheit der Deutschen permanent im Wohlfühlmodus befindet, ist auch ein Ehrgeiz der Politiker und Parteien, etwas anders, etwas Neues zu machen, kaum erkennbar. Never change a running System. Und überhaupt: Im Vergleich zu Donald Trump, Erdogan, Orban und Kascynski müssen wir uns doch wohl nicht verstecken. O. k.: Einen Emmanuel Macron können wir nicht aufbieten. Wir sind gerade dabei, das Erbe der Aufklärung zu verschenken. Der Homo Sapiens, der Homo Democratius hat sich zum Homo Consumens weiterentwickelt oder sollte man besser sagen zurück entwickelt? Unsere Welt ist unübersichtlich geworden. Probleme werden globaler, Instanzen, die darauf reagieren könnten, fehlen. Konnten wir uns früher darauf beschränken, national zu fühlen und zu denken, ist das heute nicht mehr ausreichend. Der Nationalstaat kann globale Probleme nicht lösen. Wo sind oder entwickeln sich aber neue Instanzen, die mit größerer Autorität globale Probleme auch global angehen? Unsere Gesellschaften, die technische Entwicklung, haben sich beschleunigt, werden für die meisten undurchschaubar, so dass wir dazu neigen, persönlich zu resignieren, an der Aufgabe zu verstehen, gar mitgestalten zu wollen. Es ist verführerisch, sich dem vermeintlich Unabänderlichen hinzugeben, nur noch individuelle Interessen zu verfolgen, für sich und seine Lieben zu sorgen und sich ansonsten abzufinden. Sich ins Private oder die Unverbindlichkeit der sozialen Netzwerke zurückzuziehen, auf den letztlich unzulänglichen wie unwürdigen Standpunkt: Mir geht es gut und die da oben, die es immer schon gerichtet haben, werden es auch weiter richten. Wären da nicht so lästige Irritationen wie ein neuer Atomwaffentest in Nordkorea, eine neue bitterböse und brandgefährliche Anekdote aus dem Leben des amerikanischen Präsidenten, ein Attentat mit islamistischen Hintergrund (zumindest, wenn es in Europa stattfindet) oder eine neue Asylantenwelle. Und dann noch ein Dorn im Wohlfühlbereich: die AFD. Ausgerechnet diese unsägliche Partei muss uns den Spiegel vorhalten, dass es eben nicht nur zufriedene Wohlstandsbürger durch alle Schichten unserer Gesellschaft gibt, sondern auch Wutbürger, Unzufriedene, die sich dem Diktat der political correctness verweigern, die sich zusammenrotten (früher nannte man das demonstrieren), die lautstark schimpfen, beleidigen, auch schon einmal drohen und ziemlich häufig auch, wenn es gerade schön passt, lügen. In postfaktischen Zeiten, in denen die Wahrheit keinen allgemein akzeptierten, positiven Wert mehr darstellt, die Digitalisierung jedenfalls bei politisch motivierten Fehlinformationen weit fortgeschritten ist. Und das Traurige daran ist, die AFD Wähler haben ja nicht immer und ausnahmslos Unrecht. Sie sind zu zornig, um zu schlummern, wie die Mehrheit, aber auch zu zornig, um nachzudenken, zornig, weil sie sich als relevante Bevölkerungsgruppe empfinden, zu der unserer Politik derzeit wenig mehr einfällt, als sie tot zu schweigen zu versuchen. Das wird im neuen Bundestag mit einer AFD als drittstärkster politischer Partei, mit 12,6 % Prozent AFD Abgeordneten nicht mehr möglich sein. Sicherheit und Gerechtigkeit sollten maßgebliche Wahlthemen gewesen sein. Was ist unseren Politikern dazu Kreatives eingefallen? Mindestens 15.000 neue Polizisten, woher man sie fertig ausgebildet auch nehmen mag, und irgendwelche betraglich überschaubaren aber inhaltlich nebulösen Steuererleichterungen. Den reichsten 10 % der Deutschen gehören 52 % des Nettovermögens, die gesamte untere Hälfte der Bevölkerung teilt sich zusammen ein Prozent. Kapitalerträge werden zumeist geringer besteuert als Einkünfte aus humaner Arbeit. Bei Apple hat sich Irland mit einer Körperschaftsteuer von 0,005 % begnügt, ein legitimer (?) Steuervorteil von 13 Milliarden €. In Luxemburg hat Amazon aufgrund besonderer Absprachen nur ¼ der für ansässige Unternehmen geltenden Steuern entrichten müssen. Vorteil 250 Millionen €. Die Fliehkräfte wachsender sozialer Ungleichheit - niemand bemüht sich um ein Rezept dagegen. Wir verschenken eines der zentralen Versprechen der Aufklärung: „Gleicher Respekt und gleiche Sorge für jedes Mitglied der Gesellschaft“. Die Symbiose von Wirtschaft und Politik, oder besser die Unterordnung der Politik unter die Interessen des Kapitals? Kein wirkliches Thema! Der unkontrollierte Markt ist gefährlich und der Staat impotent. Dieselaffäre, systematischer Gesetzesbruch und ebenso systematisches Wegschauen der Politik, zumindest solange es irgendwie möglich ist. Kein Thema. Gleichheit vor dem Gesetz? Das Bußgeld des einzelnen Autofahrers für einen kaputten Auspuff und der Persilschein der Autoindustrie für vorsätzlichen flächendeckenden Regelverstoß? Da ist es doch eher ärgerlich, dass in Stuttgart oder Düsseldorf die freie Fahrt für freie Dieselbürger beeinträchtigt werden könnte. Der erbärmliche Zustand unserer Infrastruktur, unserer Straßen, Autobahnbrücken, Schulen? Nicht nur die technische, sondern auch die gesellschaftliche Herausforderung digitaler Zeiten, insbesondere das Hinwegraffen von Millionen Arbeitsplätzen, die nicht alle zum Systemadministrator umschulbar sind? Die Zukunft, Angemessenheit, Finanzierbarkeit und Gerechtigkeit unseres Renten- und Gesundheitssystems? Nur auf dem Papier ein Thema, vertagt bis irgendwann, am besten nach der nächsten Wahl. Meine Befindlichkeit vor und nach der Wahl? Irgendwo zwischen Ärger, Besorgnis und Hoffnung? Braucht es wirklich weltweit Autokraten und Rechtsradikale, um uns aus dem demokratischen Tiefschlaf auf zu schrecken? Was für ein Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich! Die Franzosen haben sich mit erstaunlicher, bewundernswerter Mehrheit gegen das Weiter so entschieden, die in Jahrzehnten erstarrten, vorgeblich staatstragenden Parteien gnadenlos abgestraft und einen politischen Neuanfang gewagt, der entschiedener kaum ausfallen konnte. Erwartung, Hoffnung und Mut. Wir Deutschen sind hierfür zu verzagt, aber die Richtung beginnt zu stimmen. Merkels Politikstil der Verweigerung der politischen Auseinandersetzung, wurde auch bei uns ein „nicht weiter so“ entgegen gesetzt. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik wurden die beiden sogenannten Volksparteien zusammen so drastisch abgestraft, weil es vielen Wählern scheint, als hätten die Christdemokraten wie die Sozialdemokraten den Kontakt zu weiten Teilen des Volkes verloren. Die große Koalition hat die Gegenwart eher schlecht als recht verwaltet. Zukunftsgestaltung hat nicht stattgefunden. Von Visionen möchte man gar nicht reden, das wäre ja fast schon revolutionär, umstürzlerisch. Noch nicht einmal die uns Deutschen traditionell zugetraute administrative Kompetenz konnte überzeugen. Jedem Schüler sein Ipad, anstatt Schulen zu sanieren, in Anbetracht deren gegenwärtigen baulichen Zustandes man sich als Eltern nur schamvoll abwenden kann, als Schüler lieber einhält, als vorhandene sanitäre Einrichtungen zu nutzen, die eher an ein Bürgerkriegsszenario erinnern. Digitalisierung von Schülern, denen es zuvörderst an Lehrern fehlt. Lehrern, deren Zeitarbeitsverträge dann bitte nicht zu Beginn der Sommerschulferien enden und nach dem Ende der Schulferien wieder verlängert werden. Freie Fahrt für freie Bürger im Dauerstau. Marode Straßen, noch marodere Autobahnbrücken, eine Sachausstattung der Bundeswehr, die allenfalls bruchstückhaft und bedingt einsatzfähig zu sein scheint., eine jahrelange personelle Auszehrung unserer Polizei bei gleichzeitiger Erweiterung ihrer Aufgaben, eine fast schon faszinierende Unfähigkeit in der Kooperation unserer Sicherheitsbehörden, vom Fall Amri für einen kurzen Blitzlichtmoment erhellt, ehe sie wieder in eifersüchtig gewahrter föderativer Vielfalt untergeht. Der Flughafen unserer Hauptstadt, der fast schon eine Utopie darstellt, anstatt eine überfällige, technisch und administrativ zu bewältigende Infrastrukturmaßnahme. Oder wenn man des viel gelobten Sozialstaates bedarf und sich 3 Monate bis zum Erlass eines simplen Hartz IV Bescheides gedulden und durchhungern muss. Und das alles ist nur schlichtes Verwalten der Gegenwart, ohne Innovationen, die des Namens wert wären. Digitalisierung oder Industrie 4.0, auch so ein allgegenwärtiges Wahlkampfschlagwort. Macht sich irgendjemand da oben irgendwelche Gedanken darüber, was die 4. industrielle Revolution für unsere Arbeitsmärkte, sozialen Strukturen, die Stellung des Menschen in der Gesellschaft bedeutet? Natürlich müssen wir im globalen Wettbewerb bestehen, natürlich lassen sich mit Industrie 4.0 noch mehr Unternehmensgewinne und Exporterfolge erzielen, möglicherweise auch das Steueraufkommen weiter erhöhen. Alle bisherigen Gesellschaftsformen basieren auf Gemeinschaften, in denen der einzelne nach seinen Fähigkeiten am Erfolg des Gemeinwesens partizipiert. Der Wert des einzelnen für die Gemeinschaft und damit auch sein Selbstwertgefühl werden dadurch bestimmt, was er leistet, dass er leistet. Schon die Jäger und Sammler bezogen ihre Bestimmung aus den Aufgaben, die sie für die Gemeinschaft zu erfüllen hatten. Was machen wir mit den Menschen, die im Rahmen der 4. industriellen Revolution überflüssig werden? Es reicht sicherlich nicht aus, ihnen ein wie auch immer zu finanzierendes Bürgergeld bzw. bedingungsloses Grundeinkommen zu verschaffen. Die Bedeutung von Beschäftigung geht über die einer gängigen (nicht unbedingt der erfolgreichsten) Erwerbsquelle hinaus. Welchen Sinn, welche Bestimmung möchten wir einem Millionen starken Bürgergeld-Prekariat geben? Panem et circenses? Grundeinkommen und Bundesliga, sowie ein erweitertes Spektrum gesellschaftlich gebilligter, zulässiger Drogen? Da fallen mir einige Zeilen aus Casper‘s „Hinterland“ ein: „Willkommen zu Haus wo jeder Tag aus Warten besteht und die Zeit scheinbar nie vergeht. Man gibt uns gut zu verstehen, die leeren Gläser der Theke sind beste Lupen aufs Leben“ Seit vielen Jahren ist bekannt, dass unser gewohntes Rentensystem kollabieren wird. Die Erwartungen des Generationsvertrages sind angesichts unserer demographischen Entwicklung hinfällig. Der Jurist würde es Wegfall der Geschäftsgrundlage nennen. Wann beginnt die Politik ernsthaft nach Alternativen zu suchen, darüber zu diskutieren, Zukunft zu gestalten mit gerade bei der Altersversorgung langen Vorbereitungs- und Umstellungsperioden, anstatt an kleinen Stellschrauben einer längst veralteten Maschine zu drehen. Befindlichkeiten vor der Wahl? Unbehagen in Anbetracht des Versagens, der Unterlassungen bereits in Bereichen der alltäglichen Administration. Sorge vor dem allgegenwärtigen naiven Mantra: „Uns geht es gut, besser als unseren Nachbarn, also machen wir am besten weiter so, wie bislang auch“. Zorn über den verengten, soweit überhaupt vorhandenen Blick in die Zukunft. In einem unserer Rituale heißt es „Stillstand ist in geistigen und sittlichen Beziehungen undenkbar. Hier gibt es nur Fortgang oder Rückgang.“ Diesem Stillstand gilt es in unseren Demokratien und bei unseren Repräsentanten zu begegnen. Befindlichkeiten nach der Wahl? Der Wähler hat die große Koalition abgestraft, mit einem Minus von mehr als 13 % der Wählerstimmen bei einer leicht gestiegenen Wahlbeteiligung von 75 %. Das Parteienspektrum wurde erweitert: Die Rückkehr einer alten Partei als durchaus gelungene Einmannschau, aber letztendlich alter Wein in neuen Schläuchen. Eine neue, rechtspopulistische Partei, mit sehr alten Ideen, die wir Kinder der Aufklärung leichtfertig als im vergangenen Jahrhundert endgültig entzaubert geglaubt hatten, Ideen, deren erneuter Vormarsch ins Parlament bei uns deutlich länger gedauert hat, als bei unseren europäischen Nachbarn. Ist das nun ein Aufbruch? Ein 1. Schritt zu wirklicher Veränderung? Die Hoffnung stirbt zuletzt, doch der Zweifel bleibt. CDU/CSU, SPD, Grüne und auch die Liberalen waren bislang die Repräsentanten des: Uns geht es gut, lieber keine Experimente, die Zukunft wird uns auch weiter so belohnen, wie wir es unserer Prosperität und der Tüchtigkeit und politischen Pflege unserer Unternehmen verdanken. Mehr als 73 % (CDU, SPD, FDP, Grüne) haben das Weiter so gewählt, gegen den Mut zum Neuen, zu wirklicher Veränderung gestimmt. Das hat nichts mit wirklicher, mit durchdachter Zufriedenheit zu tun, sondern mit Angst vor Veränderung, dem Ungewohnten. Die Franzosen wollen es Besser haben, die Deutschen nicht Schlechter. Wer Entwicklung will, braucht neue Besen, wen die Angst vor Rückschritt lähmt, der bleibt beim gewohnten Personal. Ein Christian Lindner ist zweifellos ein Gewinn aber kein Emmanuel Macron. Die Linken sind und bleiben erstarrt in antiquierten Klassenkampfvorstellungen, die durchaus eine Modernisierung verdienen würden und müssen sich als Fundamentalopposition ausgerechnet von einer AFD überholen lassen. Populismus ist nicht mehr wirklich rechts oder links. Er fischt jedoch immer im selben trüben Gewässer. Wir haben es immerhin 72 Jahre geschafft, nationalsozialistisches Gedankengut aus dem Parlament zu halten, die Erinnerung an das tausendjährige Reich und den Holocaust als „Denkmal der Schande“ zu bewahren. Wir müssen damit leben, dass Gesellschaften, eben auch Demokratien, anfällig gegen rechtspopulistische Bewegungen sind. Da müssen wir nicht in die USA schauen. 2017 erhielt Geert Wilders in den Niederlanden 13,1 % der Wählerstimmen, der Front National in Frankreich 12,2 % und für die noch in diesem Jahr stattfindende Wahl in Österreich werden der FPÖ aktuell sogar 24 % prognostiziert. Hier bewegt sich die AFD mit 12,6 % im europäischen Kontext durchaus unauffällig, auch wenn man eine derartige Rückwärtsgesinnung Deutschland noch immer übler nehmen mag als den Nachbarn. Ein Drama ist eine AFD als drittstärkste Fraktion nicht! Auch kein Anlass für andere Parteien „rechte Flanken zu schließen“. Es gab immer und es wird immer geben Bürger, die sich abgehängt und unbeachtet empfinden, die anfällig sind für rechts- oder linkspopulistische Rattenfänger, anfällig für Appelle an Wut, Angst, Diffamierung und postfaktische Vergewaltigung von Wahrheit und Geschichte. Die „Spiel nicht mit der Schmuggelkindern“-Taktik der etablierten Parteien war schon immer falsch, eine einfältige Ignorierung real bestehender Befindlichkeiten im Wählerspektrum. Jetzt haben sie die Gelegenheit und die demokratische Pflicht, sich offensiv im Bundestag mit dieser neuen Fraktion und deren alten Ideen auseinanderzusetzen, diskursiv, entschieden in der Sache, aber unter Meidung stilistischer Anpassung an den politischen Gegner. Die überwiegende Mehrheit der Wähler wünscht auch weiterhin ihre gewohnte Kanzlerin. Persönlich ist sie deutlich weniger eingebrochen als die sie tragenden Volksparteien. Für die AFD ist Merkel Hassobjekt und Existenzbegründung zugleich. Ihrer Wähler waren nicht wirklich für die AFD sondern gegen Merkel. 60 % der AFD-Wähler gaben an, nicht aus Überzeugung, sondern aus Enttäuschung ihr Kreuz gemacht zu haben. Über 90 % der AFD-Wähler machen sich Sorgen um den Verlust der deutschen Kultur. Seit der Wahl sind zwischenzeitlich mehr als 2 Wochen vergangen. Von „wir haben verstanden“ wenig Spur. Die Kanzlerin äußert noch am Wahlabend mit schmerzhaften Realitätsverlust, sie wisse gar nicht, was sie in der Vergangenheit hätte anders machen sollen. Die SPD hat sich zur gleichen Zeit bereits auf die Oppositionsbank verabschiedet, um die Wunden der viel zu langen großen Koalition zu lecken. Die AFD hat nicht zu verstehen, außerdem diabolisch getimten Abschied ihrer Parteivorsitzenden. Ein Wahlergebnis, das nach Aufbruchstimmung ruft. Aber erst einmal wollen wir noch die Ernte oder Missernte unserer alten Politik in Niedersachsen einfahren? Die Sondierungsgespräche haben noch nicht einmal begonnen, aber das Stühlerücken ist wenigstens schon einmal in vollem Gange. Der Finanzminister wird vorsorglich in das ehrenwerte Amt des Bundestagspräsidenten gelobt, um Platz für Begehrlichkeiten der Liberalen zu machen, die ihn im Amt beerben wollen. Der Außenministerposten wird ohnehin nur noch interimistisch wahrgenommen. Gut für die Grünen. Und die SPD leidet still unter der dramatischen Reduzierung der zu vergeben Posten. Da muss dann schon einmal die eine oder andere der Partei nahestehende Stiftung herhalten, die dringend neues Führungspersonal brauchen.
Visionen? Die hat in Europa und für Europa derzeit vor allem Emmanuel Macron. Festlegung auf Schmerzgrenzen, jenseits deren der Platz auf den Oppositionsbänken winkt? Fehlanzeige. Wer sich zuerst bewegt, der verliert. Die politische Mehrheit aber auch wir Wähler selbst sollten es mehr mir mit Albert Einstein halten, den ich zum Schluss zitieren möchte: „Die Welt wird nicht bedroht von Menschen, die böse sind, sondern von den Menschen, die danebenstehen und sie gewähren lassen.“ und: „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“
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Gestern Abend behandelte der Impulsvortrag unseres Redners das Thema Freimaurerei und Geschlecht, wobei der Kern des Vortrages nicht unbedingt das behandelte, was Freimaurer vermuten würden. Es ging nämlich nicht um die Frage, ob Frauen Freimaurer werden können/dürfen/sollen/müssen oder ob gemischte Loge Sinn machen oder andere Fragen, die einem Freimaurer da zumeist in den Sinn kommen. Es ging vielmehr um denn Mann und die Frau als Geschlecht an sich. Aber lesen Sie selbst:
Ein freier Mann von gutem Ruf soll ein Freimaurer sein. Über die Definitionen „guter Ruf“ und „frei“ kann man viel streiten, lässt es doch recht viel Raum für Interpretation. Bei dem Wort „Mann“ sieht das schon wieder anders aus. Die Freimaurerei geht mit dem Thema Geschlecht relativ wenig um, außer, dass Frauen aus deutschen Logen in der Regel ausgeschlossen werden, genau so, wie Männern eben auch der Eintritt in eine Frauenloge verwehrt bleibt. Diese Regelung wird zwar in der Freimauerei auch unterschiedlich bewertet, doch herrscht eine scheinbar grenzenlose Einigkeit über das, was ein Mann und eine Frau ist. Eine Frau ist kein Mann und ein Mann keine Frau - ganz einfach. Oder doch nicht? Keine Sorge! Ich möchte heute nicht darüber diskutieren, ob Frauen auch Freimaurer werden dürfen oder ob sogar gemischte Logen Sinn machen können. Dieses Thema ist einfach zu unerschöpflich, die Regularien der Großlogen sind da sehr eindeutig und auch die Meinungen innerhalb der Bruderschaft gehen da viel zu weit auseinander. Heute Abend möchte ich mich vielmehr der Frage widmen, was denn „ein Mann“ eigentlich sein soll? Ist der Begriff bei näherer Betrachtung tatsächlich so eindeutig, wie er den Anschein macht? Und wenn er es nicht ist, was bedeutet das für uns als Freimaurer? Schlägt man das Wort „Mann“ bei Wikipedia nach, scheint die Welt erst noch in Ordnung: „Mann bezeichnet einen erwachsenen Menschen männlichen Geschlechts." Liest man dann ein wenig weiter begegnen einem viele Klammern, die diese Ordnung dann wieder etwas relativieren: „Aus molekularbiologischer Sicht unterscheidet sich der Mann von der Frau durch das Chromosomenpaar XY (siehe jedoch auch XX-Mann) in den Geschlechtschromosomen (statt XX bei der Frau, siehe aber auch XY-Frau)." Auf den ersten Blick ist also die An- oder Abwesenheit des Y-Chromosoms ausschlaggebend: mit Y heißt männlich, ohne heißt weiblich. Aber Medizinern ist schon lange bewusst, dass bei so manchem die Grenzen verschwimmen, wenn die Geschlechtschromosomen das eine sagen und Geschlechtsmerkmale wie die Keimdrüsen (Eierstöcke und Hoden) etwas anderes. Eltern von Kindern mit Besonderheiten und Störungen der Geschlechtsentwicklung, auch DSD für "disorders of sexual development", Intersexualität oder Sexualdifferenzierungsstörungen genannt, sehen sich oft der schwierigen Entscheidung gegenüber, ob sie ihr Kind als Junge oder als Mädchen aufziehen sollen. Laut Spezialisten hat sogar jeder Tausendste eine Form von DSD. Betrachtet man die Genetik, verschwimmt die Grenze zwischen den Geschlechtern noch mehr. Wissenschaftler haben viele der Gene identifiziert, die an den Hauptformen von DSD beteiligt sind und auf subtile Weise die Anatomie und Physiologie des Einzelnen beeinflussen. Neue Techniken der DNA-Sequenzierung und Zellbiologie machten deutlich, dass fast jeder von uns zu einem gewissen Grad aus verschiedenen Zellen besteht, gleichsam wie ein Patchwork. Dabei haben manche unserer Zellen ein Geschlecht, das zum Rest des Körpers eigentlich nicht passt. Auch das Verhalten einer Zelle scheint über komplexe molekulare Systeme von seinem Geschlecht beeinflusst zu werden. Diese biologische Komponente, wenn also der Mensch biologisch zwischen den zwei „klassischen“ Geschlechtern steht, bezeichnet man als Intersexualität. In Deutschland leben heute etwa 80.000 Intersexuelle Menschen. Doch nicht nur intersexuelle Menschen können Schwierigkeiten mit einer eindeutigen Geschlechtlichkeit haben. Auch kann es manchen Menschen schwer fallen, sich eindeutig als Mann oder Frau zu fühlen. Dies wird wiederum als Transsexualität bezeichnet. Transsexuelle haben das sichere Gefühl, im falschen Körper gefangen zu sein. Sie sehnen sich nach einem Leben im anderen Geschlecht und versuchen, sich auch äußerlich diesem so weit wie möglich anzugleichen. Das hat nichts mit der Lust an Verkleidung zu tun. Ebenso wenig heißt das, dass sie lesbisch oder schwul sind. Transsexuelle scheinen zwar nach biologischen Kriterien Mann oder Frau zu sein - ihr Erbgut und ihre Hormone sind eindeutig. So einfach ist es aber nicht: Tatsächlich stimmt ihr Geschlecht nicht mit diesen sicht- und messbaren Geschlechtsmerkmalen überein. Diese innere Gewissheit ist dauerhaft. Dabei erweckt der Begriff Transsexualität den Anschein, es handele sich um ein sexuelles Problem. Das ist falsch. Es geht den Betroffenen nicht um Sex, sondern um Identität. Deshalb bezeichnen sie sich selbst lieber als "Transidente". In den aktuellen Klassifikationssystemen für psychische Krankheiten - etwa dem DSM-IV - wird der Begriff Transsexualität ebenfalls nicht mehr verwendet. Stattdessen ist dort die Bezeichnung Geschlechtsdysphorie zu finden, ein Begriff, der das emotionale Leiden an der fehlenden Übereinstimmung zwischen Körper und Psyche beschreibt. Transsexuelles Erleben und Verhalten als psychische Erkrankungen zu sehen, gilt mittlerweile ebenfalls als überholt. Sicher ließe sich argumentieren, dass die Zahl derer, die „im falschen Körper“ stecken, keine eindeutigen Geschlechtsmerkmale haben oder sich nicht klar zu ihrem biologischen Geschlecht bekennen können (oder wollen) recht gering ist. Aber dennoch bringt es mich zu einer wichtigen Frage: Was, wenn einer dieser Menschen morgen an unsere Türe klopft und um Zugang zur Loge bittet? Wie gehen wir dann damit um? Oder wenn es erst nach der Aufnahme auffällt? Oder sich ein Bruder für eine Geschlechtsangleichung zur Frau entscheidet? Eine weitere Frage, die sich mir dann aufdrängt, ist die nach den Eigenschaften eines Mannes. Wenn das Geschlecht nicht immer so eindeutige Kategorien darstellt sondern bereits auf biologischer und identitärer Ebene so diffus ist, lässt sich dann vielleicht eine Art Punktekatalog erstellen, der etwas über die Zugehörigkeit zur Kategorie Mann aussagt? Oder mit den Worten des Bochumer Bardens Herbert Grönemeyers Worten gefragt: „Wann ist ein Mann ein Mann?“. Welche Eigenschaften sollte der ideale Mann denn mitbringen? Ist er der alleinige Ernährer der Familie oder ist er Hausmann, der die Kinder hütet? Ist er stets gut gekleidet und achtet auf sein Äußeres oder ist er der mit dem Holzfällerhemd, der gerne in seiner Garage an Autos herumschraubt? Redet er gerne oder ist er wortkarg? Lebt er ein wildes Leben als Single wobei er nichts anbrennen lässt oder lebt er in einer festen Beziehung - vielleicht sogar mit einem anderen Mann? All diesese Fragen eindeutig zu beantworten erscheint mir nicht möglich. Zumal sie immer wieder einem Wandel unterworfen sein werden. Das bedeutet, dass das was noch vor hundert Jahren als besonders männlich galt, heute schon wieder vergessen ist. Es scheint also auch unsere Umwelt etwas damit zu tun zu haben, was als männlich angesehen wird. Genderforscher gehen größtenteils davon aus, dass Geschlecht ein soziales Konstrukt ist. Grundsätzlich gehen sie davon aus, dass es zwei Komponenten gibt. Zum einen das biologische Geschlecht, das sie mit dem englischen Wort „Sex“ bezeichnen und das soziale Geschlecht, das sie „Gender“ nennen. Doch wenn Geschlecht tatsächlich ein soziales Konstrukt ist, das auch schon schwer zu definieren ist - was geschieht dann mit dem biologischen Geschlecht, wenn auch das nicht immer von Eindeutigkeit geprägt ist? Drehen wir uns dann bei der Geschlechterfrage nicht grundsätzlich im Kreis? Ist die Männlichkeit wirklich dem Untergang geweiht, wie uns einige Medien glauben machen wollen? Sind die Männer nun endgültig den Feministinnen zum Opfer gefallen? Brauchen wir eine Männerquote? Oder ist es nicht vielleicht gerade dieser Versuch der zwanghaften Unterscheidung zwischen zwei Kategorien? Vor allem von zwei Kategorien, die ja anscheinend doch nicht immer so eindeutig zu sein scheinen. In unserer modernen Welt scheint mir diese Kategorisierung manchmal etwas überholt. Ist also vielleicht sogar eine Überwindung dieser Dichotomie an dieser Stelle angebracht? Und wenn ja, wie könnte sie funktionieren? Ein Vorschlag zur Überwindung kommt von den Philosophen Thomas Vašek und Rebekka Reinhard. Sie plädieren für ein ethisches Geschlecht. Für sie beruht das ethische Geschlecht auf Werten. Es steht in einer Beziehung zum biologischen Körper und zu sozialen Normen, doch es lässt sich weder auf das eine, noch auf das andere reduzieren. Ein Wert wie beispielsweise Stärke mag dabei zufälligerweise aus einer als männlich anzusehenden Tradition entstanden sein, doch darf jeder Mensch entscheiden, ob ihm dieser Wert wichtig ist und danach streben ihn in seiner bestmöglichen Form zu leben. Diese Werte kann ich mir, zumindest in den gegebenen Rahmen, aussuchen. Ich kann für mich entscheiden, welche Werte mir zu einem guten Leben verhelfen und mein Sein danach ausrichten. Männer können dabei auch weibliche Werte haben – so wie Frauen männliche Werte -, und zwar in allen erdenklichen »Kombinationen«. Das ethische Geschlecht ist nichts Statisches, keine fixe Konfiguration, die ein für allemal festgelegt wäre. Wir können unsere Werte verändern, die Gewichtungen verschieben, die Prioritäten verlagern. Das ethische Geschlecht ist dynamisch, es ist immer in Bewegung, es verändert sich je nach Lebenssituation. Wenn wir sinnvoll über den modernen Mann nachdenken wollen, sollten wir die Gender-Debatte also neu beginnen – und statt über die »Männer-versus Frauen«- Differenz über die zwischen männlichen und weiblichen Werten reden. Wir können diese Differenz in ein Verhältnis setzen, wenn es uns gelingt, sie aus dem Korsett von Normen und Biologie zu befreien. Erst wenn männliche und weibliche Werte aufeinanderprallen, ohne dass es dabei um Macht und Unterwerfung ginge, kann die Geschlechterdifferenz ihre fruchtbare Wirkung entfalten – als Differenz zwischen Werten, nicht zwischen Männer und Frauen. Zwischen der »Kultur Mann« und der »Kultur Frau« gibt es wenig zu »vermitteln«. Was wir brauchen, das ist eine neue, eine »dritte Kultur«, welche die Differenzen nicht einebnet, sondern – um eines guten Lebens und gelingender Beziehungen willen – von eben diesen Differenzen lebt. Wir stellen also fest: Die Einteilung in zwei einfache Kategorien scheint uns nicht weiterzubringen. Doch was bedeutet das für uns als Freimaurer? Die drei großen Fragen, die ich heute angerissen habe und die ich gerne mit euch diskutieren möchte lauten zusammengefasst: Wie gehen wir damit um, wenn sich uns Menschen anschließen wollen - oder bereits angeschlossen haben - bei denen die zwei klassischen Geschlechterkategorien nicht mehr greifen? Wie definieren wir für uns als Freimaurer die Frage nach dem was ein Mann denn ist? Können - und sollen - wir die Geschlechterfrage überwinden, welche Möglichkeiten haben wir dazu und welche Auswirkungen hätte das wiederum auf die Freimaurerei?
Der neue Arbeitskalender für den Zeitraum von August 2017 bis Januar 2018 ist nun fertig. In diesem finden Sie alle Termine, die unsere Loge betreffen. Interessierte Gäste können hier sehen, zu welchen Terminen Sie uns kennenlernen können und Brüder erfahren hier alles über Möglichkeiten des Besuchs zu Tempelarbeiten.
Den Kalendar können Sie sich nun herunterladen oder hier online ansehen.
Zu unserem gestrigen öffentlichen Diskussions- bzw. Gästeabend kamen wir zusammen um über das Thema "Bewertung von Arbeit" zu sprechen. Dabei stellte unser Referent seine Gedanken zum Thema Arbeit vor und bezog sich dabei auf das Buch „Feierabend! Warum man für seinen Job nicht brennen muss“ von Volker Kitz.
Die Gedanken unseres Referenten wurden lebhaft diskutiert und Sie können diese nun hier nachlesen:
Vielleicht erst etwas zu mir, um vielleicht verstehen zu können, warum mich das Thema beschäftigt:
Ich arbeite.
So banal es klingt, vor umso größeren Problemen stellt mich diese Tatsache. Nach 25 Lebensjahren, geprägt von einem Schulsystem, was mich zum Glück nie ausgelastet hat und einem Studium, was zwar arbeitsreicher, aber dafür freier in der Zeiteinteilung war, bin ich jetzt in der rauen Arbeitswelt angekommen. Nicht, dass ich es nicht so wollte, ich habe immer darauf hingearbeitet, da mir das reine Lernen ohne Anwendungsmöglichkeit immer recht sinnlos vorkam. Doch die große Erfüllung hat sich bei mir nicht eingestellt, sondern eher Ernüchterung. Arbeit ist oft monoton bis langweilig, vor allem als Berufsanfänger äußerst anstrengend und wenn man denkt, man hätte es jetzt geschafft, stellt man fest, dass erst Montagabend ist und morgen alles wieder von vorne beginnt. Ich rette auch nicht jeden Tag die Welt und muss feststellen, dass ich jederzeit ausgetauscht werden kann.
Und das sollte es jetzt also gewesen sein? 40-50 Jahre jetzt so abzusitzen ist wirklich keine schöne Vorstellung. Doch ohne Arbeit wird man vermutlich auch nicht glücklich. Dieser Gegensatz zeigt sich bereits in den Gefühlen, die das Wort auslöst. Im Gegensatz zu fast allen anderen Wortpaaren, wie zum Beispiel „Trennung“ und „trennen“, die beide negative Gefühle beim Lesen auslösen oder „Reise“ und „reisen“, die positive auslösen, ist es laut einer Studie über die Wirkung von deutschen Wörtern bei „Arbeit“ und „arbeiten“ anders: Der Begriff „Arbeit“ ruft positive Gefühle hervor, der Begriff „arbeiten“ hingegen negative. Dies führt zur zentralen These des oben erwähnten Buches: Nicht die Arbeit macht unglücklich, sondern die Lügen, die wir uns darüber erzählen. Die Arbeit wird idealisiert, mit großen Erwartungen und Hoffnungen beladen, die die Realität nicht einlösen kann. Diese Desillusionierung kann zu Enttäuschung und Frust oder allgemeiner gesagt, zu negativen Gefühlen führen. Es hilft dabei nichts, mit Biegen und Brechen die Wirklichkeit diesem Ideal anzupassen, die es niemals erfüllen kann. Dadurch wird das Unglück, die Frustration im schlimmsten Fall immer weiter erhöht. Sinnvoll scheint mir ein ehrlicher, sachlicher Umgang mit der Arbeit zu sein, frei von den überzogenen Versprechungen der Stellenanzeigen und Jobangebote, die neben der materiellen Bezahlung auch den Sinn des Lebens anbieten.
Diese Aufladung der Bedeutung der Arbeit scheint ein vergleichsweise modernes Phänomen zu sein: War Arbeit in der Vorzeit Nahrungserwerb und Überlebensstrategie, wurde sie in der Bibel als eine Art Strafe von Gott eingeführt, nachdem Adam und Eva aus dem Paradies (der Arbeitslosigkeit) verbannt wurden. In der Antike bestand das Ideal darin, nicht zu arbeiten, sondern zu Lernen, zu Philosophieren und sicher auch zu Essen und zu Trinken. Die Erhöhung begann erst mit Luther, der sie „Beruf“ nennt, was der geistlichen „Berufung“ nahekommt und den Anschein erwecken könnte, es sei göttlicher Auftrag, Brötchen zu backen oder Haare zu schneiden. Doch ist diese Einstellung angesichts der Banalität der allermeisten Berufe wirklich gesund? Wäre es nicht vernünftiger, Arbeit als simple Notwendigkeit zu betrachten, um Geld zu verdienen und gut über die Runden zu kommen? Die Arbeit selber würde sich dadurch nicht verändern, sondern vermutlich an Qualität gewinnen. Daher möchte ich einige dieser Aufwertungen, im Buch weniger neutral Lebenslügen über das Arbeitsleben genannt, vorstellen und diskutieren.
Glaubt man den Beschreibungen vieler Unternehmen, so werden ihre Produkte und Dienstleistungen nur mit einem hohen Maß an Leidenschaft hergestellt bzw. angeboten. Leidenschaft scheint eine der wichtigsten Eigenschaften zu sein, um die Arbeit gut zu machen. Doch ist das richtig? Arbeitet nur ein leidenschaftlicher Arbeitnehmer gut? Mir scheint es, dass Leidenschaft für ein gutes Arbeitsergebnis auch schaden kann, wenn andere Menschen, Impulse oder Ideen ignoriert werden. Leidenschaft kann zu einer Ignoranz gegenüber Mitarbeitern, Vorgesetzten oder Kunden führen. Wer blind seiner Leidenschaft folgt, kann sich verrennen. Die zahllosen talentlosen Sänger, Models und Schauspieler die in Castingshows oder im Nachmittagsprogramm verschiedener Privatsender zu beobachten sind, geben ein Zeugnis davon. Leidenschaft ist kein Maß für ein gutes Arbeitsergebnis, sondern eine komplett andere Größe. Gute Arbeit braucht auch eine gewisse Distanz, um das eigenen Handeln zu reflektieren, seine Arbeitsweise zu hinterfragen und gegebenenfalls auch zu ändern. Ein leidenschaftlicher Chirurg, der für seine Arbeit brennt, aber den Patienten aus dem Sinn verliert, ist kein guter.
Belastend kann der Leidenschaftszwang werden, wenn durch das ganze Gerede über die Leidenschaft ein Druck aufgebaut wird, dass für die Arbeit Leidenschaft empfunden werden muss. Doch die meisten Menschen brennen nicht für einen Beruf, sie haben sich nicht von klein auf vorgestellt, Müll einzusammeln, am Fließband zu stehen oder Finanzkennzahlen zu überprüfen. Nichtsdestoweniger können gerade diese Menschen ihre Arbeit sehr gut machen und auch eine Befriedigung empfinden, wenn sie ihre Tätigkeit ausüben. Sie müssten sich nur ggf. von der Illusion befreien, dass sie für die Arbeit brennen müssen.
Ein kleinerer, aber ebenso interessanter Punkt, ist die Vorstellung, mit der Arbeit etwas zu gestalten, zu schaffen oder sich ausleben zu müssen. Dies mag bei einem Firmengründer, der mit seinem von ihm entwickelten Produkt das Leben von Millionen beeinflusst, naheliegend sein, bei einem Fließbandarbeiter, der jeden Tag hunderte Male den gleichen Handgriff tätigt, ist dies schwieriger vorstellbar. Doch auch er gestaltet etwas und schafft etwas Neues, er ist Teil in dem hochkomplexen Schaltwerk, was sich unsere Welt nennt, mit all ihren Beziehungen untereinander. Wenn ein Teil stockt, hat es Einfluss auf viele andere. Nur die Art der Durchführung ist mehr oder weniger genau vorgeschrieben. Doch meistens braucht es genaue Vorgaben, wie etwas gemacht wird, damit dieses Schaltwerk nicht ins Chaos zerfällt. Jeder gestaltet etwas, nur nicht unbedingt, wie er es selber machen würde. Sich komplett auszuleben, etwas ohne Vorgaben zu machen, ohne Einschränkungen – dafür ist die Freizeit da.
Jeder Mensch wäre gerne wichtig, er möchte, dass andere zu ihm aufsehen und dass im Büro nichts ohne seine Entscheidungen gehen würde. Doch auch das ist eine Illusion. Wenn die Stelle nach der Pensionierung nicht neu besetzt wird oder wenn trotz langer Krankheit oder Urlaub alles den gewohnten Lauf geht, merken viele erst, dass auch sie ersetzbar sind und ihre Arbeit kein tragender Teil der Abteilung war. Niemand ist unersetzbar und ein realistischer Blick auf diese Tatsache kann vor Enttäuschungen bewahren. Das Wissen um die eigene Bedeutung oder eher Bedeutungslosigkeit kann frei machen vor den eigenen überzogenen Erwartungen und denen der Umwelt.
Der letzte Punkt ist die Sinnfrage. Hat unsere Arbeit einen Sinn? Oder nur bestimmte Art von Arbeit? Sind nur soziale Tätigkeiten sinnvoll, hingegen Arbeiten z. B. in der Bürokratie Zeitverschwendung? Ich komme noch einmal auf das hochkomplexe Schaltwerk von vorhin zu reden kommen. Alles ist miteinander verknüpft, nach der Kleine-Welt-Theorie über maximal 6 andere Personen. Der Entwicklungshelfer muss sich vielleicht seltener fragen, welchen Nutzen seine Arbeit hat, jedoch könnte er nicht arbeiten, wenn nicht jemand seine Spenden verwaltet. Er würde ohne Baumaterialien mit leeren Händen dastehen, doch diese müssen hergestellt, organisiert und transportiert werden. Hierfür braucht es Straßen, die gebaut werden müssen. Für Straßen braucht es Steuergelder, die eingezogen und verwaltet werden müssen. Der Entwicklungshelfer steht quasi nur am Ende der Nahrungskette, doch steht er auf einem riesigen Fundament, ohne dass er komplett nutzlos wäre. Dadurch, dass er so weit oben steht, ist er in gewissem Maße noch viel abhängiger von anderen. Es sind die vielen vermeintlich kleinen Tätigkeiten, die alles erst ermöglichen.
Man könnte einwenden, dass es wirklich viele Jobs gibt, die überflüssig erscheinen. Sei es in der Verwaltung oder auch in manchen Firmen, gibt es Leute, die nur unzureichend Arbeit haben. Nicht umsonst wird spekuliert, ob das sogenannte Boreout-Syndrom, der Zustand andauernder Unterforderung am Arbeitsplatz, nicht häufiger vorkommt als das häufig genannte Burnout-Syndrom, was etwas das Gegenteil beschreibt. Hier zeigt sich aber, dass es wichtig ist, überhaupt Arbeit zu haben, um einen Sinn darin zu finden, nicht welche Tätigkeit genau das ist.
Es gibt noch weitere Punkte, die sich diskutieren lassen können, doch will ich zu einem Fazit kommen: Was bleibt, wenn man die Arbeit von ihrem hochstilisierten Gerüst befreit? Ein Tausch von Lebenszeit gegen Geld, nicht mehr und nicht weniger. Es spricht hierbei nichts dagegen, diese „verkaufte“ Lebenszeit so angenehm wie möglich zu machen und dafür eine gerechte Bezahlung zu erhalten. Auf der anderen Seite muss dafür natürlich auch die Arbeit geleistet werden, für die diese Bezahlung erhalten wird.
Die normale Arbeit ist profan, zwar wichtig, jedoch nicht weltbewegend, jeder ist austauschbar und man muss auch nicht für seine Arbeit brennen, um sie gut zu machen. Ein realistisches Bild von der Arbeit bewahrt uns vor Frustration und kann uns wiederum zu besseren Arbeitern machen. In gewissem Maße lässt sich diese Erkenntnis auch auf die freimaurerische Arbeit übertragen. Nur wenn wir uns, unsere Fähigkeiten mit ihren Stärken und Schwächen, unsere Bedeutung in unserem privaten und beruflichen Umfeld richtig einschätzen, bewahren wir uns vor Enttäuschungen. Hierzu ist das „Erkenne dich selbst“ genauso wichtig wie das „Schaue um dich“. Und auch wer für die Freimaurerei brennt, muss noch kein guter Freimaurer sein.
Der Diskussionsabend befasste sich diesen Monat mit dem Thema "Veränderung", denn Veränderung findet immer und überall statt. Wir wollen schließlich ständig etwas verändern. Uns. Unsere Freunde. Die Welt.
Doch was ist Veränderung eigentlich? Warum ist sie wichtig und wie kann sie überhaupt funktionieren? Und - welche Rolle kann die Freimaurerei dabei spielen?
Diese Fragen wurden mit Hilfe des folgenden Impulsvortrages erläutert und anschließend rege diskutiert:
Klären wir zunächst die vielleicht leichteste Frage: Was ist Veränderung?
In dem Wort selbst steckt das Wort „ändern“, welches wiederum das Wort „anders“ enthalt. Es geht also darum etwas anders zu machen als es ist. Somit ist es der Versuch den Ist-Zustand in Richtung eines Soll-Zustandes zu bewegen, der dann wiederum ein neuer Ist-Zustand wird.
Das wäre an sich erst einmal eine einfach Sache. Wirft man einen Blick auf die Synonyme, die für diese einfache Sache verwendet werden, offenbart sich jedoch ein komplexeres Bild. Synonyme für Veränderung sind:
Abwandlung, Korrektur, Modulation, Überarbeitung, Umänderung, Umarbeitung, Umbildung, Umformung, Umgestaltung, Modifikation, Revision, Transformation, Novellierung, Abkehr, Abwendung, Neuerung, Neugestaltung, Neuregelung, Umbruch, Umkehr, Umschwung, Umstellung, Wechsel, Wandel, Wende oder Wendung.
An einer Vielzahl dieser Begriffe lässt sich die Dramatik dieses scheinbar einfachen Prozesses bereits erahnen. Denn Veränderung nicht immer so leicht. Es ist nunmal nicht leicht mit dem Rauchen aufzuhören, öfters Sport zu machen, liebevoller mit sich selbst umzugehen und schon gar nicht die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Was ist aber daran so schwer?
Menschliches Verhalten erfüllt immer einen Sinn und Zweck. Bestimmte Verhaltensweise haben wir erlernt, denn sie haben uns in bestimmten Situationen immer wieder geholfen. Unser Gehirn hat sich gemerkt: Wenn ich mich so verhalte, passiert folgendes und das ist gut. So ist es sinnvoller der merkwürdig riechenden Tante doch ein Küsschen zu geben um dann ein Bonbon abgreifen zu können als sie hinterrücks mit Deo einzusprühen. Auf eine ähnliche Weise, in Zusammenspiel mit einer gewissen genetischen Prädisposition, hat sich unsere Persönlichkeit entwickelt, die wiederum unsere Verhaltensweisen bestimmt. Eine tiefgreifende Verhaltensveränderung bedeutet somit auch, dass wir in gewisser Weise die Persönlichkeit verändern müssen.
Was aber immer mitschwingt, ist der benötigte Erfolg. Wo ist mein Vorteil, wenn ich aufhöre zu rauchen? Wo ist mein Benefit, wenn ich meine Mitarbeiter bei Entscheidungen einbeziehe und meine Vorstellungen nicht wie Befehle kommuniziere?
Und warum sollte ich überhaupt etwas verändern? Wann ist der Punkt erreicht, an dem mir auffällt, dass etwas so nicht mehr weiter geht? Ich gehe davon aus, dass wir unser Verhalten ökonomisch betrachten:
Erst wenn die Nachteile, die unser Verhalten mit sich bringt, die Vorteile dieses Verhaltens überwiegen, fangen wir an, unser Verhalten anzuzweifeln. Dabei muss sich nicht einmal das Verhältnis der Pros und Contras verändern, sondern lediglich ihre Gewichtung.
Passend zur Gewichtung, ein Beispiel zum Essen: Ein Mann isst für sein Leben gern Chips. Er ist sich im Klaren darüber, dass Chips essen dick macht und ungesund ist. Er weiß aber auch ganz genau, dass ihn Chips essen sehr glücklich macht. Dieser Mann isst fröhlich weiter Chips und nimmt dabei zu. Für ihn ist das ok, denn sein Verhalten macht ihn ja glücklich. Nun trifft er eine Frau, die ihn sehr beeindruckt. Diese Frau ist gertenschlank, macht viel Sport und hasst Chips. Wie lange wird es wohl dauern, bis er den Konsum von Chips aufgibt?
Es gibt also eine Lücke zwischen Verhalten und Veränderung. Und es gibt noch weitaus mehr Hürden, die überwunden werden müssen:
Meiner Meinung nach, zeigt das sogenannte Transtheoretische Modell, das von James Prochaska von der University of Rhode Island bereits in den 1990er-Jahren entwickelt wurde, die verschiedenen Stadien von Verhaltensänderung am übersichtlichsten auf.
Das Modell ist aufgebaut wie eine Spirale. Ganz unten befindet sich das Stadium der Absichtslosigkeit. Hier haben Menschen noch keinerlei Absicht etwas zu verändern, auch wenn ein Problem schon existiert oder ein gewisser Druck da ist.
Im zweiten Stadium erfolgt dann doch eine erste Absichtsbildung. Es besteht also das Vorhaben irgendwann etwas zu verändern.
Im Vorbereitungsstadium planen Personen konkret, demnächst ihr problematisches Verhalten zu ändern und unternehmen erste Schritte in Richtung einer Verhaltensänderung. Sie lesen also vielleicht Bücher zum Thema.
Im nächsten Stadium vollziehen die Personen dann die geplante Verhaltensveränderung und sind somit im Handlungsstadium. Nun wird es schwieriger, denn damit ist noch nicht alles geschafft. Denn nun folgt das Stadium der Aufrechterhaltung. Im Aufrechterhaltungsstadium haben Personen seit einem längeren Zeitraum das problematische Verhalten aufgegeben. Damit ist aber noch nicht alles vorbei, denn das alte Verhalten muss noch dauerhaft aufgegeben werden - also mindestens ein Jahr. Mit diesem Stadium ist das neue Verhalten verinnerlicht und wird sehr wahrscheinlich aufrechterhalten.
Der Aufbau dieser Stadien in einer Spirale, lässt bereits erkennen, dass der Weg immer wieder vor und zurück gehen kann. Es ist also nicht gesagt, dass eine Person diese Stadien alle jemals durchlaufen wird.
Das alles klingt nun nach einer ganzen Menge Arbeit und irgendwie auch gar nicht so hoffnungsvoll. Daher könnte man auch fragen: Ist das denn überhaupt nötig? Sollen wir nicht lieber alle den Ist-Zustand akzeptieren und endlich mal aufhören ständig einem Soll-Zustand hinterherzuhechten? Denn wenn der Soll-Zustand erst einmal erreicht ist, wird er ja zum neuen Ist-Zustand und wir brauchen vermutlich wieder ein neues Soll. Also warum das Ganze?
Vielleicht haben Philosophen ja auf diese Frage mal eine schlaue Antwort:
Fragt man in der Welt der alten Weisen herum, spielt die Veränderung immer wieder eine Rolle:
„Panta rhei" - alles fließt, sagte bereits Heraklit, einer der ältesten Philosophen, die uns heute noch bekannt sind. Damit wollte er zum Ausdruck bringen, dass alle Dinge im Ausgleich der Gegensätze entstehen würden, dieser Ausgleich aber nie ewiglich herrschen würden und somit immer alles in Bewegung, oder eben in Veränderung, befindlich ist.
Konfuzius meinte: „Wer ständig glücklich sein möchte, muss sich oft verändern.“
Das klingt nach sehr viel Anstrengung und immer glücklich sein, ist nun auch schwer möglich.
Können wir denn dann nicht aufhören uns zu verändern?
Ovid meinte kurz und knapp: „Alles ändert sich.“ Das bedeutet, dass auch wenn wir uns nicht verändern, die Welt um uns herum sich verändert. Die Welt um uns herum nimmt wiederum Einfluss auf uns, also müssen wir uns zwangsläufig verändern. Und wenn wir diesen Prozess des Veränderns zwangsläufig mitmachen müssen, können wir uns auch bemühen ihn aktiv mitzugestalten. Und irgendwie tun wir dies auch mit unserem eigenen Verhalten. In dieser Wechselwirkung von Innen und Außen liegt der Kern der Veränderung.
Das bringt mich zu der Frage: Können wir denn auch andere Menschen gezielt verändern, ohne dass wir uns verändern? Ja, das geht.
Aber dafür müssen einige Vorraussetzungen erfüllt sein und die wichtigste bringt Johann Heinrich Pestalozzi auf den Punkt: „Ihr müßt die Menschen lieben, wenn ihr sie verändern wollt.“
Jeder Therapeut und Pädagoge weiß, dass es immer Möglichkeiten gibt, die Menschen um uns herum zu verändern. Es ist ihr Alltagsgeschäft. Doch ein wichtiger Teil ihrer Arbeit besteht daraus, dass sie verstehen, dass nicht sie die Vorgaben zu Veränderung machen. Nicht sie zeichnen den Weg vor, den andere zu gehen haben, sondern sie erarbeiten ihn gemeinsam mit ihren Klienten. Sie haben verstanden, dass jeder seinen eigenen Weg zu gehen hat.
Und was bedeutet das alles für die Freimaurerei? Die Freimaurerei proklamiert die Veränderung an sich ständig. Der raue Stein soll zum behauenen Stein werden. Es muss also ständig die ursprüngliche Form des Steines verändert werden bis er ein behauener Stein wird. Doch nicht jeder Stein ist gleich und wenn ich ihn nicht mit Vorsicht bearbeite, ihn genau studiere und auch seine Grenzen akzeptiere, dann wird aus ihm niemals ein behauener Stein, der seinen Platz in der Welt, oder maurerisch gesprochen, im Bau des Tempels der Humanität, finden kann.
Am gestrigen Abend, den 14. Februar 2017, hielt unser Br. Wolfgang Heilmann einen spannenden Vortrag zum Thema "Freimaurerei in postfaktischen Zeiten". In diesem wagt er den Versuch die Freimaurerei in unserer heutigen Zeit zu verorten und sie als einen Ort des Austauschs in einer turbulenten Zeit zu zeichnen.
Den gesamten Vortrag finden sie hier zum Download.
Im Rahmen eines öffentlichen Vortrages stellte unser Br. Redner seine Gedanken zum Thema "Freimaurerei und Arbeit" vor. In diesem Vortrag verfolgte er mehrere Ansätze, wie Freimaurerei und Arbeit zusammenhängen, die dann gemeinsam diskutiert wurden. Diesen Vortrag können Sie hier nachlesen:
"Wir Freimaurer sprechen gerne von Arbeit. Wir verwenden beispielsweise Begriffe wie Tempelarbeit oder Festarbeit, deren Termine wiederum im Arbeitskalender festgehalten werden. Am liebsten sprechen wir jedoch von der Arbeit an uns selbst. Das Sinnbild des rauen Steins an dem gearbeitet werden muss begegnet uns immer wieder. Mit diesem bearbeiteten Stein, arbeiten wir dann weiter an dem Tempel der Humanität. Also auch hier wieder: nur Arbeit…
Ich möchte mich heute Abend ein wenig näher mit dem Begriff der Arbeit beschäftigen, aber vor allem darüber sprechen, was die Arbeit an uns und somit die Arbeit am Tempel der Humanität mit der alltäglichen Erwerbstätigkeit zu tun hat.
Den Begriff der Arbeit wirklich zu durchdringen fällt schwerer als man vielleicht erwartet.
So unterscheiden sich die Tätigkeiten einer Hausfrau (und natürlich auch die eines Hausmannes) inhaltlich von denen eines Buchhalters, Bauarbeiters oder Sozialarbeiters. Vor allem aber erhält die Hausfrau keinen Lohn für Ihre Tätigkeit. Ist nun Arbeit nur etwas, für das man auch bezahlt wird? Also ein Mittel zum Zweck um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten?
Geht man in der Geschichte der Arbeit zurück, wird es erst etwas einfacher. Arbeit war zuallererst einmal eine körperliche Tätigkeit, die der Sicherung der Lebens(-unterhaltes) diente. So mussten die, die es nicht nötig hatten, auch gar nicht arbeiten und konnten sich den wichtigen Dingen des Lebens widmen: Beispielsweise der Kunst oder der Philosophie.
Erst mit dem Erstarken des Christentums begann die Diffamierung von körperlicher Tätigkeit nachzulassen. Besonders prägend ist hierbei der Ausspruch des Paulus’: „Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen.“ Martin Luther berief sich in seiner Schrift "An den christlichen Adel deutscher Nation" ausdrücklich auf diesen Paulus-Satz und erklärte Müßiggang zur Sünde: "Müßiggang ist Sünde wider Gottes Gebot, der hier Arbeit befohlen hat. Zum anderen sündigst du gegen deinen Nächsten.“ Arbeit ist nun auch nicht mehr nur eine reine körperliche Tätigkeit, sondern sie schließt auch immer mehr geistige Tätigkeiten ein. Und Arbeit wird nun also auch zu etwas, das von allen erwartet wird und wiederum für alle gut ist. Diese Gedankengang wird immer stärker im 17. und 18. Jahrhundert und so wird von Thomas Hobbes Arbeit zum ersten Male als Quelle des gesellschaftlichen Reichtums hervorgehoben.
Auch der letzte große Philosoph der Aufklärung, Friedrich Hegel, sieht in der Arbeit wesentlich mehr. Für Hegel ist Arbeit weitaus mehr als bloßer Mittel zum Zweck. Für ihn hat die Arbeit auch einen Wert in sich, denn sie bildet den einzelnen Menschen. Darüberhinaus kommt die Tätigkeit selbst, sowie der daraus entstandene Verdienst, der Gesellschaft zugute.
Und diese zwei Gedanken Hegels sind es, die, meiner Meinung nach, entscheidend sind für eine zentrale Frage des heutigen Abends: Was hat die Arbeit an uns mit der alltäglichen Erwerbstätigkeit zu tun?
Zum einen ist es der Gedanke, dass Arbeit uns bildet und zum anderen, dass Arbeit der Gesellschaft zugute kommt.
Den Bildungsbegriff bei Hegel hier weiter auszuführen, würde für heute Abend ein wenig zu weit führen, doch möchte ich ihn im Sinne von „Formen“ verwenden. Arbeit formt uns als Mensch. Überträgt man den Gedanken einmal in die heutige Zeit, finden sich einige Aspekte, die diese Idee unterstützen. Schließlich beginnen wir unsere ersten Schritte in der Arbeitswelt mit einer Ausbildung. Diese Ausbildung verändert zum Teil auch unsere Sichtweise auf die Welt und unser Verhalten zu ihr. Lasse ich mich beispielsweise zum Polizeibeamten ausbilden werde ich mich vermutlich anders entwickeln als wenn ich eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten beginne. Darüberhinaus erfordern die meisten Berufe eine permanente Weiterentwicklung, damit ich diesen Beruf weiter gut ausüben kann. Ein Richter sollte über die aktuelle Gesetzeslage genau so gut informiert sein wie ein Kaufmännischer Angestellter über die Funktionsweisen der neusten Version von Microsoft Excel.
Doch egal welche Art von Lohnarbeit ich verrichte, ich trage meinen Teil zum Funktionieren unserer Gesellschaft bei. Ein Teil meines Lohnes fließt in die Sozialsysteme und den weiteren Teil lasse ich in die Wirtschaft fließen indem ich konsumiere. Dieser Konsum sorgt wiederum dafür, dass andere Menschen Arbeit haben, die wiederum ihre Anteile in die Systeme fließen lassen. Ich trage also etwas dazu bei, dass es uns als Gesellschaft gut geht.
Soviel zu den philosophischen Überlegungen zur Arbeit und wie sie uns nützen kann. Doch was ist mit der Praxis? Könnte man aus diesen Thesen nun schließen, dass es, gesamtgesellschaftlich betrachtet, doch am besten für alle wäre, einen möglichst gut bezahlten Job zu bekommen?
Sehen wir uns diese Berufe einmal an:
Zu den bestbezahlten Berufen gehören in Deutschland (je nach Statistik) Unternehmensberater, Vorstandsmitglieder von Aktien-Gesellschaften, Juristen, Ärzte, Investmentbanker, Marketing- und Vertriebsleiter sowie Ingenieure.
Diese Menschen, würden laut der These, also am meisten für die Gesellschaft tun.
Zum Vergleich dazu eine Auswahl der am schlechtesten bezahlten Berufe, die dementsprechend am wenigsten für die Gesellschaft tun würden: Friseure, Kellner, Kassierer, Pflegekräfte, Arzthelferinnen, Berufskraftfahrer, Hausmeister und Handwerker.
Ich denke, damit ist deutlich geworden, dass der Nutzen einer Tätigkeit nicht nur von der Bezahlung abhängt. Unsere Gesellschaft würde schließlich beim besten Willen nicht funktionieren, wenn wir alle Vorstandsmitglieder eines DAX-Unternehmens wären und niemand sich um uns kümmert, wenn wir alt sind. Mit diesem Hinweis möchte ich beim besten Willen keine Diskussion über Lohngerechtigkeit vom Zaun brechen, sondern lediglich darstellen, dass die Frage nach einer „wertvollen“ Arbeit nicht ganz so leicht zu beantworten ist.
Ist es denn nun demzufolge egal, welche Tätigkeit ich ausübe um am vielgelobten „Tempel der Humanität“ zu arbeiten und einen Beitrag zu einer besseren Gesellschaft zu leisten? Reicht es nicht, wenn ich brav meine Steuern und Sozialabgaben zahle und an Weihnachten möglichst viel Geld für Geschenke ausgebe um die Wirtschaft fleißig anzukurbeln?
Ich denke, es ist nicht egal, welche Tätigkeit ich ausübe. Wie ich gezeigt habe, macht Arbeit etwas mit uns. Somit können wir doch auch etwas mit unserer Arbeit machen. Wir können Sie nutzen um etwas zu verändern, denn wir können Sie uns in vielen Fällen zumindest erst einmal aussuchen. Sicher nicht jeder in vollem Umfang, aber bis zu einem gewissen Grad können wir mitbestimmen, welche Tätigkeit wir für welches Unternehmen ausüben wollen. Wenn ich ein guter Programmierer bin, muss ich nicht zwingend eine Software für VW schreiben. Wenn ich ein guter Verkäufer bin, muss ich mich nicht zwingend in die Dienste eines Rüstungskonzernes begeben. Schon gar nicht, wenn ich als Freimaurer an einer besseren, toleranteren oder menschlicheren Gesellschaft arbeiten möchte.
Ich erwarte nicht, dass wir als Freimaurer nun alle anfangen für eine gemeinnützige Organisation unserer Wahl zu arbeiten. Ich frage mich nur, inwieweit wir unsere alltägliche Arbeit als etwas ebenso wichtiges begreifen wie unsere Tempelarbeiten und die Arbeit an uns selber. Und ob es da nicht Möglichkeiten gibt, diese Arbeiten zu vereinen und wo die Grenzen dafür liegen. Wir verbringen etwa 37 Jahre unseres Lebens im Beruf. Im Laufe eines normalen Arbeitslebens hat ein Mensch in Deutschland etwa 61.283 Stunden gearbeitet. Zeit, die wir sicherlich gut nutzen können um etwas zu verbessern."
Gestern, am 06. September 2016, fand unser erstes Treffen im neuen Maurerjahr 2016/2017 statt. Nach unserer zweimonatigen Sommerpause kamen die Brüder unserer Loge zu einem "Brüderlichen Beisammensein" zusammen um sich über die letzten Monate auszutauschen und sich Gedanken über das kommende Jahr zu machen.
Das kommende Jahr beginnt bereits sehr spannend nächste Woche Dienstag, den 13. September 2016, mit einem Doppelvortrag zweier Brüder, die gegensätzlicher Meinung sind. Das Thema dazu lautet: "Symbole - Sinn oder Unsinn?". Einer der beiden Referenten ist ein ausgesprochener Symbolfan und sieht in Symbolen eine absolute Notwendigkeit - nicht nur auf die Freimaurerei bezogen. Der zweite Referent sieht dies eher gegenteilig und wird seine Sichtweise dazu darlegen. So erwartet uns nicht nur ein Diskussionsabend mit einem spannenden Thema, sondern auch ein Beispiel für den Umgang mit Gegensätzlichkeiten innerhalb der Freimaurerei. Gäste sind uns an diesem Abend herzlich willkommen, denn Symbole finden sich nicht nur in der Freimaurerei, sondern sie begegnen uns überall.
Darüberhinaus erwarten uns diese Jahr Vorträge zu den Themen "Öffentliches Risikobewusstsein", "Arbeit und Freimaurerei" und "TTIP". Die aktuellen Daten entnehmen Sie bitte unserem Internetkalendar oder laden Sie sie hier herunter.
Gestern Abend (14. Juni 2016) fand unser öffentlicher Diskussionsabend statt. Thematisiert wurde dieses Mal der Umgang einer Gesellschaft mit Rauschmittel. Der Referent, der beruflich regelmäßig mit diesen Stoffen, ihren Wirkungsweisen und ihren Folgen zu tun hat, gab einen ersten Überblick über das gesamte Spektrum der Drogen. Anschließend näherte er sich der Frage, wie wir als aufgeklärte und verantwortungsbewusste Bürger mit solchen Stoffen umgehen können und in wie weit der Staat in diesen Bereich eingreifen sollte oder ob Freiheit nicht doch ein noch höheres Gut darstellt als der Schutz vor sich selber. Diese Fragen wurden eingehend und lebhaft mit allen Anwesenden diskutiert.
Den einleitenden Vortrag können Sie in gesamter Länge hier nachlesen:
"Dieser Monat ist wieder Drogenmonat. Denn der neue Drogenbericht der Bundesregierung ist da. Es wird geredet über Jugendliche, die sich wieder weniger ins Koma saufen, über Manager, die wieder mehr koksen und über Kinder, die schon früh vom Computer abhängig werden. Und dann wird da auch immer mehr gekifft.
Warum tut da eigentlich niemand was? Warum ist die Politik machtlos? Und sollte da eigentlich wirklich überhaupt jemand etwas tun?
Im Februar forderte der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan, dass alle Drogen weltweit legalisiert werden sollten. Und mehr noch: Der Staat sollte die Drogen sogar noch beschaffen und den Konsumenten zugänglich machen. Warum sollte der Staat das tun? Hatte Kofi Annan vielleicht selber ein wenig zu viel konsumiert?
Doch bevor wir uns diesen sehr weit reichenden Fragen widmen, vielleicht ein wenig Grundlagenforschung:
Als Droge gilt, nach Definition der Weltgesundheitsorganisation, jeder Wirkstoff, der in einem lebenden Organismus Funktionen zu verändern vermag. Das gilt dann für den im Tabak enthaltenen Wirkstoff Nikotin genauso wie für das im Kaffee enthaltene Koffein. Wikipedia beschreibt Drogen als „im deutschen Sprachgebrauch verwendete Bezeichnung für stark wirksame psychotrope Substanzen und Zubereitungen aus solchen.“ Und weiter: „Allgemein weisen Drogen eine bewusstseins- und wahrnehmungsverändernde Wirkung auf.“
Die bekanntesten sind Tabak, Heroin, Alkohol, Cannabis, LSD, Kokain sowie Amphetamine wie Speed, Ectasy und Crystal Meth.
Am beliebtesten sind unangefochten immer noch Alkohol und Tabak, auch wenn der Konsum leicht zurückgeht.
Doch stolze 9,7 Liter reinen Alkohol tranken die Deutschen durchschnittlich im Jahr 2013. Das entspricht etwas einer Badewanne von 137,2 Liter voll mit alkoholischen Getränken. Darin enthalten sind 106,6 Liter Bier, 21,1 Liter Wein, 5,5 Liter Spirituosen und 4,0 Liter Sekt.
Etwa 74.000 Menschen sterben im Jahr an den Folgen ihres riskanten Alkoholkonsums.
An den direkten Folgen des Rauchens sterben etwa 110.000 Menschen in Deutschland pro Jahr. Zusätzlich geht die Drogenbeauftragte der Bundesregierung von etwa 3.300 Todesfällen durch Passivrauchen
aus.
Am Konsum illegaler Drogen starben in Deutschland im vergangenen Jahr 1.226 Menschen. Die meisten dieser Tode gingen auf das Konto von Heroin.
Doch warum nehmen Menschen Drogen? Warum trinken wir Alkohol? Warum rauchen wir?
Es gibt viele, auch viele gute Gründe, Drogen zu nehmen und sich zu berauschen. Alkohol zum Beispiel erleichtert die Kontaktaufnahme zu anderen und entspannt. LSD bewirkt ein Gefühl, mit allem eins zu sein sowie ein tieferes Verständnis „von den Dingen“, das Gefühl von einer die Ahnung einer „höheren Wirklichkeit“ und dem „Gefühl allumfassender Liebe“ - Gefühle, die wir Freimaurer doch in gewisser Weise suchen.
Doch auch wenn es viele gute Gründe gibt sich zu berauschen, gibt es leider wie bei allem im Leben ein paar Nachteile.
Alkohol ist ein Nervengift und greift den gesamten Körper an, LSD kann latent vorhanden psychische Erkrankungen auslösen, oder ich kann auf dem Trip hängenbleiben und kann nicht mehr zwischen Realität und Halluzinationen unterscheiden.
Und wenn es dann auch noch richtig schiefgegangen ist, habe ich eine Abhängigkeit entwickelt. Von einer Abhängigkeit spricht man, wenn jemand unter dem Zwang leidet mit Hilfe von bestimmten Substanzen oder bestimmten Verhaltensweisen, belastende Gefühle zu vermeiden.
Die meisten Süchtigen sind unter den Rauchern zu finden: Etwa 14,7 Millionen Menschen, 1,8 Millionen Menschen sind alkoholabhängig und etwa 2,3 Millionen Menschen sind vermutlich von Medikamenten abhängig. Rund 600.000 Menschen weisen einen problematischen Konsum von illegalen Drogen auf, weit verbreitet ist hier vor allem Cannabis.
Wenn wir also bereits jetzt ein so großes Problem mit den Drogen haben, die jederzeit verfügbar sind, warum sollten dann auch noch die bis jetzt illegalen Drogen legalisiert werden? Fallen dann nicht alle auf einmal über diese neue Droge her und fröhnen einem ausgelassenen Hedonismus?
Sehen wir uns das ganze mal am Beispiel von Cannabis an:
Etwa 22% der Europäer (ca. 75 Mio.) haben in ihrem Leben bereits einmal Cannabis konsumiert. Somit ist Cannabis keine unbekannte und besonders schwer zu beschaffende Droge, sondern eine, die in der Gesellschaft angekommen ist (oder sogar schon immer da war?). Viele Länder dieser Welt gehen mittlerweile offen damit um und gehen zu einer liberalen Politik über. Unsere niederländischen Nachbarn haben bereits 1976 mit einer Entkriminalisierung begonnen und können nun auf 30 Jahre Erfahrung mit dieser Form der Politik zurückblicken. Dabei zeigt sich, dass der Straßenhandel massiv zurückgegangen ist und dass zusätzliche Steuereinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe generiert wurden. Gleichzeitig wurde der Anteil der neuen Konsumenten oder Süchtigen jedoch nicht erhöht. Diese Erfahrungen machten bis jetzt nicht nur die Niederländer sondern auch Länder, die ebenfalls eine liberale Form des Umgangs mit Cannabis pflegen, auch wenn ihre Erfahrungen bis jetzt noch nicht so weitreichend sind.
Anscheinend sind Menschen doch in der Lage mit einem berauschenden Mittel verantwortungsbewusst umzugehen und müssen nicht von einem übereifrigen Staat bevormundet werden. Drogen wurden immer konsumiert und werden auch weiterhin konsumiert werden. Die Frage ist nur, welche Droge wird das sein? Ich denke, dass jede Zeit ihre eigene Droge mit hervorbringt und der Umgang mit dieser immer wieder neu erlernt werden muss. Schließlich wollen wir doch, dass unsere Mitmenschen verantwortungsbewusste und mündige Bürger ihres Landes sind. Dass man Entscheidungen treffen kann, die diese beiden Adjektive verdienen, bedeutet, dass ich voll und ganz über die positiven und negativen Folgen Bescheid weiß und auch Erfahrungen machen kann, die mich an - und manchmal auch über - meine Grenzen bringen. Es bedeutet auch, dass ich meinen persönlichen Rückzugsraum haben darf, den mir keiner nehmen darf, solange ich niemanden anderen gefährde. Ich glaube, es gibt für jeden Menschen eine bestimmte Form von Rausch, die ihm etwas bedeutet, die ihn wieder runterholt, ihn entspannt, ihm neue Möglichkeiten eröffnet. Ob das nun unbedingt eine Droge sein muss, ist eine ganz andere Frage, aber sollten wir Menschen die diese Weg für sich gehen möchten, auch noch versperren? Und wenn wir ihn versperren, bewirkt es wirklich, dass Menschen diesen Weg nicht gehen? Sollten wir nicht vielleicht unterstützende Maßnahmen einleiten, die Menschen dazu befähigen verantwortungsvoll mit Suchtmitteln umzugehen? Sollten wir „Rauschseminare“ anbieten, in denen - unter Anleitung und im passenden Rahmen - mit solchen Mitteln experimentiert wird? Oder sollten wir dem ganzen einen Riegel vorschieben, einfach alle Rauschmittel, inklusive Tabak und Alkohol, an den Pranger stellen und diese verbieten? Sollten wir dafür sorgen, dass alles, was der Gesundheit schadet, verboten wird und wenn das nicht geht, zumindest an allen McDonalds-Fillialen einen Warnhinweis aufkleben?
Ich hoffe ihr seht, dass der Umgang einer Gesellschaft mit dem Thema auch etwas damit zu tun haben kann, wie viel Freiheit man seinen Bürgern lässt und wie viel Verantwortung man ihnen zutraut. Versteht mich nicht falsch, ich bin nicht der Überzeugung, dass wir nun alles frei zugänglich machen sollten und jeder 15-Jährige sich an der Straßenecke Heroin kaufen kann. Doch ich bin der Meinung, dass wir uns fragen sollten, ob ein aufgeklärter Mensch nicht auch in der Lage sein sollte, mit einem Sicherheitsnetz versehen, auch mal einen kleinen Sprung zu wagen."
Diesen Dienstag (10. Mai 2016) diskutierten wir zum ersten Mal im öffentlichen Rahmen die Flüchtlingskrise. Wie immer bei unseren Diskussionen ging es nicht darum Lösungen zu finden, sondern sich auszutauschen - auch über brisante Themen, die viele gegensätzliche Positionen evoziert. Doch wollen wir zeigen, dass es möglich ist, sich auch bei solchen Themen respektvoll zu begegnen. Den Impulsvortrag lieferte unser stellvertretende Redner Wolfgang Heilmann, der viele Punkte ansprach, die es wert waren ausgiebig diskutiert zu werden. Hier der Vortrag in voller Länge:
"Ich kann es einfach nicht mehr hören…"
Diese spontane Reaktion war und ist häufig zu vernehmen, wenn es um Flüchtlinge, Asyl und Grenzsicherung geht. Aber Überdruss allein hat noch kein Problem behoben. unreflektierter Überdruss führt zu unreflektierten Ergebnissen, zum Beispiel an der Wahlurne. Das Thema ist brisant, gefährlich eskalativ, der Stoff, der aus Freunden Gegner macht und umgekehrt, der Stoff, aus dem brennende Flüchtlingsheime entstehen. Das Thema ist aber auch ein Paradebeispiel dafür, wie schwankend, wie unkalkulierbar des Volkes Stimmung ist.
Erinnern wir uns nur acht Monate später noch an die anscheinend mehrheitliche, euphorische Hilfsbereitschaft, dieses eigentümliche Gemenge von Gefühl und Nüchternheit, Überzeugung und Stolz, die das „Wir schaffen das“ der Kanzlerin geprägt haben, das wärmende Empfinden, in der Weltöffentlichkeit endlich wieder „der gute Deutsche“ zu sein. Vergangenen Dezember wurde Merkel vom Time Magazin als Person des Jahres 2015 ausgezeichnet, als „Kanzlerin der freien Welt". Zitat:
"Bei Merkel schwang ein anderer Wertekanon – Menschlichkeit, Güte, Toleranz – mit, um zu zeigen, wie die große Stärke Deutschlands zum Retten statt zum Zerstören genutzt werden kann. Es ist selten, einem Anführer bei dem Prozess zuzusehen, eine alte und quälende nationale Identität abzulegen."
Kommentar von Donald Trump, der sich um einen verdienten ersten Platz in der Rangliste geprellt fühlte:
"Sie haben die Person ausgewählt, die Deutschland ruiniert."
Eine Meinung, in der sich heute viele Deutsche wiederfinden. Der Wahlkampf in 3 Bundesländern… Verrückte Welt. Christdemokraten und christlich Soziale gehen auf Distanz zu ihrer Kanzlerin, wo sich Sozialdemokraten und Grüne mit ihr solidarisieren? Eine AfD, der Wahlstimmenanteile zugetraut werden, von denen die NPD nur hätte träumen können, die zurzeit vor dem Bundesverfassungsgericht ums Überleben kämpft.
Zweckbündnisse, die zuvor undenkbar erschienen. Seehofer mit Putin, Merkel und die EU mit Erdogan?
Der Amerikaner Samuel Huntington machte 1996 also bereits vor 20 Jahren mit seinem Buch „Clash of Civilisations“ Furore. Heute hat sein Albtraum vom Untergang der westlichen Zivilisation und dem Erstarken der islamischen Kultur einen demographischen Ansatz: Einwanderung und Asyl.
Die einen propagieren die Schließung der Grenzen, vor allem die Schließung der Balkanroute als Rettung des Abendlandes, die anderen sind plakativ empört, aber innerlich hochzufrieden darüber, dass faktisch der Flüchtlingsdruck am Stacheldraht versickert.
Über 1 Million neue Flüchtlinge in Deutschland im Jahr 2015. Damit hat niemand gerechnet, auch nicht die Kanzlerin und die Fortschreibung solcher Zahlen stimmt auch überzeugte Flüchtlingshelfer nachdenklich. Wo soll das enden? Die Beantwortung dieser Frage darf man nicht der AfD überlassen, aber zurzeit sind die etablierten Parteien erschreckend sprachlos. Aktionsalismus ersetzt Nachdenklichkeit und Argumentation.
Ich kann und möchte keine Lösung liefern, aber ich möchte Eure Meinungen, Eure Haltungen zu diesem Thema erfahren. Die Freimaurerei ist durch die Idee des Humanismus geprägt. Unserer Arbeit wäre nur halb getan, wenn wir gefühllos blieben gegen die Not um uns her. Wenn das Thema Flüchtlinge kein Lackmustest für unsere Ideale ist, welches andere dann? Wir sind mit der offenen Diskussion und Erörterung ziemlich spät dran. Der öffentliche Druck der Flüchtlingsströme an unseren Grenzen ist spürbar geringer geworden, ohne dass unsere Regierung dazu etwas nachhaltig Überzeugendes beigetragen hätte. Das Thema Asyl ist nicht mehr der Dauerbrenner in den Schlagzeilen, der Schock der Silvesternacht in Köln und der drei Landtagswahlen vom 13. März sind abgeklungen. Es besteht begründete Hoffnung, sich etwas leidenschaftsbegrenzter mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Im allgemeinen Wortgebrauch bedeutet Asyl gewähren, einem in Not geratenen Menschen eine Zuflucht, ein Obdach gewähren. Bis ins Mittelalter waren Asyle Orte christlicher Nächstenliebe, meistens im Rahmen einer Klostergemeinschaft oder einer Missionsstation. Im modernen politisch, juristisch geprägten Wortgebrauch betrifft das Asyl indessen nur Flüchtlinge, d.h. Menschen, die in ihrem Herkunftsland wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Überzeugung verfolgt werden. Damit werden ausgenommen Personen, die vor einer wirtschaftlichen Not, vor Hunger und Obdachlosigkeit fliehen. Warum die politisch Verfolgten eher unserer Hilfe und Nächstenliebe bedürfen sollen als die Hungernden, lässt sich unter humanitären Gesichtspunkten nicht begründen, hat seine Ursache vielleicht darin, dass man gemeint hat, die Zahl politisch Verfolgter durch geeignete Definitionen und die politische Festlegung so genannter sicherer Herkunftsländer eher in den Griff zu bekommen.
Asylpolitik ist ein Brennspiegel des modernen Menschen, seiner Gesellschaften, deren Befindlichkeiten und politischer Hilflosigkeit. Lob und Tadel liegen verdammt nah beieinander. Im September 2015 waren wir überwiegend stolz auf unsere Kanzlerin, deren selbstbewusstes „Wir schaffen das“ auf einen Sturm von Hilfsbereitschaft traf, den die Welt den deutschen Erbsenzählern nicht zugetraut hätte. Das Verfallsdatum guter Taten ist indessen erschreckend kurz, zumal wenn man im Überschwang humanistischer Regungen deren Spätfolgen vernachlässigt. Der Preis ist dann ein überschäumender Stammtisch, mit Seehofer und AFD als Trittbrettfahrer und Brandbeschleuniger.
Wir haben den Sozialstaat, dessen unmittelbare Nutznießer eifersüchtig über ihre Pfründe wachen, die Zuwanderung (nicht nur die Spielart der Asylanten) als Belastung der letztendlich nicht beliebig steigerbaren Ressourcen empfinden, an dessen Höhe und Verteilungsmodus man sich doch schon so gewöhnt hat. Mehr und länger lebende Rentner bedeuten niedrigere Renten. Mehr Asylanten bedeuten mehr Wettbewerb um Sozialleistungen und Wohnraum und damit letztendlich Abstriche für die derzeitigen Leistungsempfänger, so die Logik nicht nur der Straße, sondern auch eines oberflächlich besorgten Vizekanzlers.
Politiker sind eine viel verachtete, viel gescholtene Spezies. Wen wundert es, dass sie zunächst überwiegend und parteiübergreifend die Gelegenheit ergriffen haben, sich einmal als „Menschen“ zu zeigen. Das Wort „Gutmensch“ ist allerdings zwischenzeitlich eher zu einem Schimpfwort degeneriert und so rudert man wieder vorsichtig zurück, was man als bessere Einsicht verkaufen möchte, aber irgendwie schon nach opportunistischen Fähnlein im Winde der Volkswut riecht.
Beim Asyl prallen Ideal und Wirklichkeit, Humanismus und Abgrenzung, politische Verantwortung und der Zorn der Straße ziemlich heftig aufeinander.
Die Ambivalenz ist dabei hausgemacht. Jahrzehntelang haben unsere Politiker geleugnet, dass wir ein Zuwanderungsland seien. Da hatten andere Nationen längst eine realistischere Betrachtung und vor allen Dingen eine durchdachte gesetzliche Regulierung der Migration gewonnen. Nomen Est Omen. Wir Deutschen haben kein Einwanderungs- oder Zuwanderungsgesetz, sondern - getrennt - ein Aufenthaltsgesetz und Asylgesetz. Der Ausländer ist etwas Fremdartiges, als Urlauber oder Investor, allenfalls noch als von unseren Unternehmen dringlich benötigter, qualifizierter Mitarbeiter willkommen, aber ansonsten möglichst weg zu regulieren. An EU-Bürger hat man sich gewöhnt, obwohl sie ja an und für sich auch Ausländer sind. Aber wir haben die Grenzen unserer my home is my castle Mentalität einfach EU erweitert. Multikulti hat infolge islamistischen Terrors ohnehin seinen romantischen Charme deutlich eingebüßt.
Humanismus, Menschenliebe, Hilfsbereitschaft in der Not oder Abgrenzung, Erhalt eines Bevölkerung-Status quo, der bereits jetzt als verbesserungswürdig empfunden wird, bei negativem Bevölkerungswachstum.
Die ungerechte und wachsende Kluft zwischen Arm und Superreich in unserem Land empört die Straße evident deutlich weniger als die Aussicht mit zugewanderten anderen Armen konkurrieren zu müssen. Dass die Superreichen abgeben sollen, beispielsweise über eine gerechtere Versteuerung von Kapitaleinkünften oder eine spürbare Erbschaftssteuer, erscheint weniger naheliegend, als dass der Import von neuen Hungerleidern zu unterbleiben habe. Es geht auch nicht wirklich um Kriegsopfer, Kriegsflüchtlinge. Es geht um die Abwendung von Völkerwanderungen der Ärmsten zu den Sozialtöpfen der reichen Nationen. Versteht mich nicht falsch: Das ist völlig legitim, die Sorge um materielle Überforderung unseres Sozialstaates. Aber man soll das Kind dann auch ehrlich beim Namen nennen.
Man soll die verdammte Bigotterie einstellen. Den guten Deutschen herauskehren, Ungarn, Österreich und die Balkanstaaten wegen deren sachlich durchaus naheliegender alternativen Grenzpolitik schelten und gleichzeitig die versiegenden Flüchtlingsströme als unmittelbare Folge dieser Sperrung der Balkanroute als erholsame Entlastung wertschätzen. Das ist genauso unredlich wie der Deal mit Erdogan. Ehrlichkeit und Realismus, schlichtes Verwaltungshandwerk tun Not.
Ganze Völker, Volksmassen sind unterwegs auf der Suche nach einer neuen Heimat, weil die alte ihnen nur Krieg, Armut und Not bietet, eine Zukunft verweigert. Dies gilt es zu unterbinden bzw. so weit zu regulieren, dass nicht die Zielländer überfordert und mit in den Abgrund gezogen werden.
Entwicklungshilfe und militärische Interventionen in Fluchtländern können aus vielfältigen Gründen die Zuwanderungsbewegungen weder verhindern noch wesentlich eindämmen. Sie sind wichtig, aber nicht geeignet, uns die Frage zu ersparen: Wie viel Zuwanderung wollen/können wir uns leisten?
Grenzen haben eine staatstragende Funktion. Ich darf, ich muss ungeregelte, anonyme massenhafte Grenzübertritte unterbinden. Diese Erkenntnis zu leugnen, kann sich nur ein Land leisten, dass keine Außengrenzen der EU aufweist oder dessen Grenzen jenseits aller gebräuchlichen Flüchtlingsrouten liegen. Die Freizügigkeit innerhalb der EU und die damit verbundenen Vorteile europäischer Unternehmen im Binnenverkehr können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Staatsgrenzen notwendig sind und auch die Funktion erfüllen müssen, ungewollte, gesetzwidrige Grenzübertritte möglichst zu verhindern. Man sollte also mit der Dämonisierung von Grenzen und Grenzsicherung aufhören. Die aktuelle Lage ist für Deutschland im Grenzbereich ziemlich bequem. Die „bösen Hardliner“ in Europa haben die Balkanroute unterbrochen. Sie übernehmen die undankbare Rolle, Flüchtlingsströme, die sie auf ihrem Staatsgebiet nicht, auch nicht vorübergehend, dulden wollen, notfalls mit Gewalt an einer Grenzüberschreitung zu hindern. Sie treffen die bösen Bilder von Tränengasgranaten auf Frauen und Kinder. Unsere eigene Landesgrenze ist nicht gefordert, solange diese Zustände (formal beanstandet) fortbestehen. Österreich und die Balkanstaaten handeln rational und regelkonform, werden aber ein wenig scheinheilig als „bad guys“ gehandelt.
Unser Ruf als beamten- und bürokratiestarke Nation nimmt Schaden, wenn es nicht gelingt, Asylbewerber zeitnah und zuverlässig zu registrieren und die Verfahren rechtsstaatlich und zeitnah abzuschließen. Integration, Sprachförderung, örtliche Verteilung der Asylbewerber sind organisierbar. Hier klaffen Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit, die nicht weniger befremden als der Zustand unserer Straßen, Brücken, Schulen oder auch der Zustand der Ausstattung der Bundeswehr. Es verbreitet sich der Eindruck mangelnder Voraussicht, Planung und exekutiver Elementarfähigkeiten.
Juristisch ist das Problem hingegen in den Griff zu bringen. Nach einem sprunghaften Anstieg der Asylbewerber in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren wurde das bis dahin schrankenlos gewährte Asylgrundrecht neugestaltet:
- Ausländer, welche über einen Staat der Europäischen Union oder einen sonstigen sicheren Drittstaat einreisen, können sich nicht auf das Asylrecht berufen (Art. 16a Abs. 2 GG).
- Bei bestimmten Herkunftsstaaten (sog. sichere Herkunftsstaaten) kann vermutet werden, dass dort keine politische Verfolgung stattfindet, solange der Asylbewerber diese Vermutung nicht entkräftet (Art. 16a Abs. 3 GG).
Die Entscheidung der Bundesregierung im September 2015, Flüchtlinge aus Ungarn einreisen zu lassen und ihnen die Berufung auf das Asylrecht zu ermöglichen, verstößt gegen Art. 16a Grundgesetz. Insoweit ist der Gesetzwidrigkeitsvorwurf nicht von der Hand zu weisen. Ob eine Regierung auf der anderen Seite nicht berechtigt ist und sein können muss, in einer Ausnahmesituation eine solche Maßnahme als einmalige bzw. zeitlich beschränkte humanistische Hilfe zu ergreifen, müsste letztendlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden, eine Alternative mit der Seehofer zwischenzeitlich zunehmend zögerlich droht.
Art. 16a I Grundgesetz lautet derzeit: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“. Es wäre ein Einfaches hinzuzufügen: „Das Nähere regelt ein Bundesgesetz“. Das würde klarstellen, dass es sich beim Asylrecht um eine sogenannte institutionelle Garantie handelt und die Möglichkeit schaffen, einfach gesetzliche Grenzen des Asylrechtes festzulegen, etwa in Form von Quoten. Also eine Neukonzeptionierung des Art. 16 a, weg vom Individualgrundrecht für jedermann, hin zu einer institutionellen Garantie oder eine „Staatszielbestimmung“. Politisch Verfolgten würde nur noch „nach Maßgabe der Gesetze“ Asyl gewährt. Die staatlichen Organe blieben in der Pflicht, hätten aber größeren Gestaltungsspielraum gewonnen. Vor allem könnte der (einfache) Gesetzgeber Obergrenzen und Kontingentierungen festsetzen und bei Bedarf flexibel verändern. Eine solche Neukonzeptionierung des Asylrechts wäre nur im Wege einer Grundgesetzänderung möglich und bedürfte zugleich einer Änderung europarechtlicher Vorgaben, würde aber der Bundesrepublik die Möglichkeit verschaffen, eine angemessene, an der humanistischen Notlage auf der einen und den wirtschaftlichen und innenpolitischen Befindlichkeiten auf der anderen Seite entsprechende Einwanderungsquote zu bestimmen. Es fehlt nur der politische Wille dazu.
Die derzeit vorgesehenen Schranken sind nicht wirklich überzeugend. Nach Art. 16 Abs. 2 kann sich auf das Asylrecht niemand berufen, der aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder einem sogenannten sicheren Drittstaat einreist. Das ist ein ziemlich realitätsfremdes Ruhepolster, das man schnellst möglichst gegen eine Quotenregelung austauschen sollte, anstatt es, wie im letzten September geschehen, schlicht zu ignorieren. Der derzeitige Rechtszustand belastet nur die an den bekannten Flüchtlingsrouten belegenen Länder mit EU Außengrenzen, vor allen Dingen Griechenland und Italien. Das war zu keinem Zeitpunkt eine gerechte Lastenverteilung. Die exponierte Stellung der Länder mit EU Außengrenzen ist seit über 20 Jahren bekannt, aber mangels Belastungsprobe nicht ernst genommen worden. Erst der Bürgerkrieg in Syrien und der Fluchtweg über die Türkei und das Mittelmeer nach Griechenland haben diese konstruktive Schwachstelle des europäischen Asylrechts deutlich werden lassen.
Frau Merkel: Es war eine schöne, humanistische Geste vorbehaltloser Hilfsbereitschaft, aber sie hätten es von Anfang an als zeitlich und zahlenmäßig beschränkte Soforthilfe ausweisen müssen und durften nicht Hoffnungen auf eine Dauerlösung wecken. Diese Einsicht kam zu zögerlich, zu spät und letztendlich auch zu unredlich.
Eine Nation hat auch etwas mit Kultur, Geschichte, Sprache, Tradition (auch politischer), mit Heimat zu tun. Eine Zuwanderung in einem Ausmaß, dass wesentliche Teile der Bevölkerung sich im eigenen Land als Fremde fühlen, darf nicht stattfinden. Wer diese Überfremdungsängste nicht ernst nimmt, dem steht keine verantwortliche Position in unserer Politik zu, genauso wenig wie denjenigen, die Überfremdungsängste und Ausländerhass befeuern. Das Potenzial einer AFD beschränkt sich nicht auf tumbe Nationalsozialisten sondern rekrutiert sich nicht zuletzt aus vielen ganz normalen Bürgern, Erst- und Wiederwählern, die es leid sind, in dem, was sie bewegt und ängstigt, kein Gehör zu finden, weil die Politik abgehoben ist, eine kleine Elite, die unter sich aushandelt, was 80 Millionen Bürger betrifft und ausbaden müssen. Das sind keine Repräsentanten des Volkes mehr, sondern sie sind an seine Stelle getreten. Genau das meint „Wir sind das Volk“.
Ich soll dem Volk aufs Maul schauen, aber das, was ich dort höre, verantwortungsbewusst und gemäß unserer Verfassung in Realpolitik umsetzen. Ich darf und soll auch dem Volk verweigern, was ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann. Aber ich darf mich nicht so weit von ihm entfernen, dass ich es überhaupt nur noch an der Wahlurne wahrnehme.
Die Nation hat auch in Globalisierungszeiten, bei allem Zusammenwirken und Zusammenwachsen der Staaten, ihre Bedeutung behalten. Unsere Gesellschaften sind auch durch Zuwanderung bunter, vielfältiger, ja klüger geworden. Unsere Kulturen tauschen sich aus, beeinflussen einander. Dennoch bleibt die Nation identitätsbildend, macht Heimat aus. Ein Aspekt, den übrigens gerade die EU sträflich vernachlässigt.
Wir kehren der Not nicht den Rücken. Wir helfen, wo wir können, auch und gerade Asylanten. Das ist uns ein humanistisches Bedürfnis. Aber keine Hilfe ist schrankenlos. Sie darf den Helfenden nicht überfordern, entfremden, ängstigen. Wir müssen unsere Position zwischen den Extremen Hilfe und Eigennutz, aufeinander Zugehen und Angst, Weltoffenheit und Entfremdung, Nächstenliebe finden. Hilfe um jeden Preis ist ziemlich einfältig, gefährlich, letztendlich hilflos. Grenzenlose Angst vor dem Fremden, die Vorstellung, dass nur am deutschen Wesen die Welt genesen wird, gleichermaßen. Also Aufklärung, Offenheit, Ehrlichkeit, Dialog mit dem Wähler statt einsamer, abgekoppelter Entscheidungen da oben. Sprecht mit denen, die ihr repräsentiert, hört ihnen zu und wenn Euch nicht gefällt, was ihr hört, überzeugt sie eines Besseren, aber lasst sie nicht sprach- und bedeutungslos zurück. Europa ist zuvörderst eine Gemeinschaft von Wirtschaftsinteressen, ein großer Binnenmarkt mit einer gemeinsamen Währung, sowie einem größtmöglichen Maß an Freizügigkeit. So weit, so gut. Das mit der abendländischen Wertegemeinschaft klappt dagegen nicht so gut. Als moralischer Zuchtmeister der Gemeinschaft sind wir Deutschen weder bestimmt noch mehrheitsfähig. Wir bleiben verschiedene Völker, Kulturen, Traditionen, die sich nicht gleich machen lassen wollen und sollen. Auch das hat die Asyllage überdeutlich gemacht. Deutschland steht mit seiner liberalen, an und für sich regelwidrigen Asylpolitik ziemlich allein. Es sind ja nicht nur die osteuropäischen Staaten und der Balkan, die möglichst gar keine Flüchtlinge aufnehmen wollen. Auch Frankreich und Großbritannien handhaben eine Flüchtlingspolitik der ganz kleinen Zahlen und selbst die liberalen Skandinavier haben anhand der außerordentlichen Flüchtlingszahlen resigniert und ihre Grenzen geschlossen.
Lasst uns daher den Teil der Asylbewerber aufnehmen, der unserer eigenen, umsichtigen Abwägung zwischen Humanität und Überforderung entspricht und diese Quoten offen und gastfreundlich aufnehmen und integrieren. Sollen die übrigen EU-Staaten das ihrige tun. Ich bin sicher, wir werden im Vergleich gut dastehen, wie auch gewiss ist, dass man sich immer mehrfach trifft und dass die Asylverweigerer bei anderer Gelegenheit mit unserer dort zu treffenden verantwortlichen Entscheidung weniger zufrieden sein werden. Politische Übereinkunft ist ein Geben und ein Nehmen. Ein Mitgliedsland, das die humanitäre Wertegemeinschaft aus egoistischen nationalen Erwägungen nicht mitträgt, muss damit leben, dass wir andere Belange eben dieses Mitgliedslandes ebenso restriktiv empfinden. Wir können den europäischen Zuwanderungstotalverweigerern nicht unsere humanitären Vorstellungen aufzwingen. Aber wir dürfen uns an ihre Haltung zum Asyl und gemeinsam zu tragende Lasten erinnern.
Lösungswege sind kompliziert und vor allen Dingen nicht kurzfristig erfolgversprechend. Die Ursachen der Flüchtlingswelle in Syrien zu beheben? Wie soll das gehen und wie vor allen Dingen das Vertrauen der vielen bereits auf der Flucht Befindlichen in ihr Heimatsland und ein menschenwürdiges Leben dort zurückgewinnen? Die Türkei als „Zwischenlager“ war schon immer ein eher aus Verzweiflung geborener Rettungsanker. Das gleiche gilt für die Hoffnung einer europäischen Einigung auf Flüchtlingskontingente.
Abschließend noch einige Worte zu Zahlen oder eher Zahlenkunststücken. In der Flüchtlingsdebatte wird uns immer wieder der Eindruck vermittelt, wir würden zurzeit eine noch nie dagewesene Massenwanderung erleben. Wenn man nach belastbaren, validen Zahlen forscht, ist dieses Menetekel zumindest fragwürdig. Mit Zahlen und Statistiken lässt sich so gut wie jede Politik begründen. Mit Zahlen der gleichen Quelle lassen sich sowohl der Untergang als auch die Entwarnung belegen.
Betrachtet man die Migration global, so könnte man genauso gut die Frage stellen: Warum gibt es so wenig davon? Auf der Welt leben zurzeit 7,3 Milliarden Menschen. Weltweit haben hiervon 36,5 Millionen in den letzten fünf Jahren ihr Heimatland verlassen, sind also migriert. Das sind 0,5 % der Weltbevölkerung. 99,5 % der Bevölkerung sind nicht Migranten, lebten also 2015 noch im gleichen Land wie 2010. Die Welt bleibt also ganz überwiegend zu Hause. Die Nichtmigration ist die Regel, die Migration die große Ausnahme.
Alle Zahlen zur Migration stammen von den Vereinten Nationen. Die UNO zählt und addiert die Migranten/Flüchtlinge aller Länder. Als Migrant gilt jede Person, die nicht in dem Land lebt, in dem sie einst geboren wurde.
Jüngst hat die UNO folgende Pressemeldung herausgegeben:
„Im Jahr 2015 hat die Zahl der internationalen Migranten 244 Millionen erreicht. Das ist ein Zuwachs von 41 % gegenüber dem Jahr 2000.“
Im Jahr 2000 zählte die UNO 173 Millionen Migranten. Das waren 2,8 % der damaligen Weltbevölkerung von 6,1 Milliarden. Seitdem ist die Weltbevölkerung auf 7,3 Milliarden angewachsen, die 244 Millionen Migranten, die aktuell gezählt werden, machen dementsprechend 3,3 % davon aus. Tatsächlich ist also der Anteil der Migranten bezogen auf die Weltbevölkerung in den letzten 15 Jahren lediglich um 0,5 % gewachsen und nicht um 41 %, wie sich die Pressemeldung der UNO wohl nicht ganz unbeabsichtigt glauben macht.
Die Zahl 244 Millionen ist nicht falsch. Es wird aber versäumt zu vermitteln, dass diese Zahl den gesamten addierten Migrantenbestand der Welt seit 1960 wiedergibt. Jeder, der jemals aus seinem Geburtsland weggezogen und noch am Leben ist, ist in dieser Zahl enthalten. Die UNO misst Migranten-Bestände. Interessanter für die aktuelle politische Diskussion sind jedoch Migranten-Bewegungen.
Es wird der Eindruck vermittelt, die ganze Welt wolle nach Europa. Wenn man die Migrationsbewegungen der letzten fünf Jahre betrachtet, stellt man schnell fest, dass dem nicht so ist. Die größten globalen Wanderbewegungen finden innerhalb einzelner Weltregionen statt, nicht über Kontinente hinweg. Die meisten Flüchtlinge migrieren von Afrika nach Afrika, von Nahost nach Nahost. Viele 100 tausende Menschen sind vom Sudan in den Südsudan, von Indien nach Dubai oder von Syrien in den Libanon gezogen. Es migrieren wesentlich mehr Europäer innerhalb Europas als Afrikaner nach Europa. Es migrieren ungleich mehr Menschen innerhalb des Nahen Ostens als von Nahost nach Europa. Die größte transkontinentale Bewegung findet nach wie zuvor zwischen Süd-und Nordamerika statt. Nordamerika und Europa sind die wichtigsten Zielregionen internationaler Migration, wobei Nordamerika eine wesentlich geringere Abwanderung hat als Europa. Der Anteil Europas am gesamten Wanderungsvolumen ist gesunken. Migrationswege führen auch nicht überwiegend von sehr armen in sehr reiche Länder, sondern folgen einem Stufenmodell. Die Menschen ziehen jeweils in Länder, deren Wirtschaft etwas stärker ist als die ihres Heimatlandes also etwa von Bangladesch nach Indien oder von Simbabwe nach Südafrika.
Tatsächlich ist die globale Migration in den vergangenen fünf Jahren sogar rückläufig. Die Zahl der wandernden Migranten zwischen 2010 und 2015 (36,5 Millionen) ist um mehr als 8 Millionen kleiner als in der vorherigen Fünfjahresperiode (45 Millionen). Eine historische Spitze erreichte die globale Wanderungsrate zwischen 1990 und 1995, als der Eiserne Vorhang gefallen war, Afghanistan im Bürgerkrieg versank und der Völkermord in Ruanda geschah. Die 0,5 % der letzten fünf Jahre sind der tiefste Wert seit 1960. Der Anteil der wandernden Migranten an der Weltbevölkerung ist seit mehr als einem halben Jahrhundert nahezu konstant und bewegt sich stets um die 0,6 % Marke pro fünf Jahre. D.h., pro Fünfjahresperiode sind weltweit 6 von 1000 Menschen auf Wanderschaft. Bei den Pressemeldungen der UNO klingt das irgendwie anders.*
Letzte Woche wurde in Rom Papst Franziskus der Aachener Karlspreis verliehen. Zum Abschluss meines Vortrages möchte ich aus seiner Festrede zitieren, die nicht nur die europäischen Gäste der Veranstaltung nachdenklich gestimmt hat:
„Was ist mit dir los, humanistisches Europa, du Verfechterin der Menschenrechte, der Demokratie und der Freiheit? … Ich träume von einem Europa, von dem man nicht sagen kann, dass sein Einsatz für die Menschenrechte an letzter Stelle seiner Visionen stand. … Ich träume davon, dass Politik mehr auf die Gesichter blickt, als auf die Zahlen, mehr auf die Geburt von Kindern als auf die Vermehrung der Güter achtet, … von einem Europa, in dem das Migrantsein kein Verbrechen ist.“
*sämtliche Zahlen sind Auswertungen der Daten der UNO durch das Wittgenstein Centre for Demgraphy in Wien-zitiert Spiegel 2016/18
Gestern Abend (12. April 2016) führten wir eine spannende Diskussion zum Thema Freiheit der Presse und dem Umgang mit einer Flut von (Kurz-)Informationen, der mit folgendem Impulsvortrag eingeleitet wurde:
"'Lügenpresse - halt die Fresse' schallt es einem auf manchen Demonstrationen entgegen und in einer Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens infratest dimap gaben 20 Prozent der Befragten Ende letzten Jahres an, dass sie persönlich von „Lügenpresse" sprechen würden, wenn sie an Zeitungen, Radio und Fernsehen in Deutschland denken.
Doch was bedeutet dieses Wort eigentlich und warum ist es nun in aller Munde? Wo kommt es her? Haben die Menschen wirklich kein Vertrauen in die Medien mehr? Und - gibt es vielleicht sogar allen Grund dazu?
Der Begriff „Presse“ kommt ursprünglich von dem Wort „Druckerpresse“ und wurde zunächst für alle Arten von Druckerzeugnissen verwendet. Heute versteht man unter dem Begriff eher die Gesamtheit aller Zeitungen und Zeitschriften in jeglicher Form sowie für das damit zusammenhängende Nachrichten- und Meinungswesen.
Etwa zu der Zeit als die Presse begann sich zu etablieren, vor etwa 400 Jahren, wurde ihr auch schon eine etwas einseitige Berichterstattung vorgeworfen - und das nicht immer zu Unrecht. Das Wort Lügenpresse selbst lässt sich seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts nachweisen. Es ist keine Erfindung der Nazis und wurde im Laufe der Zeit von nahezu allen politischen Lagern verwendet.
Heute ist die Arbeit der Presse in Deutschland besonders mit dem Artikel 5 des Grundgesetztes geschützt, der besagt:
„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“
Hier findet sich also das Recht auf eine unabhängige Berichterstattung, sowie das Recht auf freie Meinung in Kombination. Ich kann also meine Meinung frei in einer Zeitung äußern, solange ich nicht gegen geltendes Recht verstoße und beispielsweise den Holocaust leugne.
Eine Lüge ist eine Aussage, von der der Sender weiß oder vermutet, dass sie unwahr ist, und die mit der Absicht geäußert wird, dass der Empfänger sie trotzdem glaubt.
Der Pressekodex des Deutschen Presserates verbietet das Lügen im ersten von 16 Punkten:
„Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.“
Somit ist zumindest auf dem Papier klar: Lügen ist für die Presse verboten.
Doch ein gewisses Misstrauen bleibt. Schließlich lügen wir alle jeden Tag mehrmals. Im Internet kursieren Informationen, die besagen, dass wir sogar bis zu 200 Mal am Tag lügen. Einen echten Beleg dafür lässt sich leider nicht finden, sodass auch diese Zahl vermutlich nur eine Lüge ist.
Es wird vielleicht nicht so oft gelogen, aber es wird gelogen. Lügen dienen dazu, einen Vorteil zu erlangen, zum Beispiel um einen Fehler oder eine verbotene Handlung zu verdecken und so Kritik oder Strafe zu entgehen. Gelogen wird auch aus Höflichkeit, aus Scham, aus Angst, Furcht, Unsicherheit oder Not. Lügen dienen uns als sozialer Kitt. Wir wollen, dass man uns weiter zuhört, dass man uns interessant findet, dass man sich wieder trifft, wollen niemandem weh tun, und so weiter, und so fort…
Also warum sollte dann gerade die Presse nicht lügen? Ist es manchmal nicht sogar sinnvoll, wenn sie nicht immer ganz bei der Wahrheit bleibt? Zum Beispiel, wenn es die gesamtwirtschaftliche Situation eines Landes schützen kann? So wirkte beispielsweise in den Jahren 1856 und 1857 die französische Regierung massiv auf die Finanzpresse ein um die drohende Weltwirtschaftskrise doch noch abzuwenden und die panisch verkaufenden Wertpapierhändler zu einem Umdenken zu bewegen.
Und schließlich sitzen doch auch hinter der Presse nur Menschen wie wir, die nur das beste für sich oder andere wollen.
Doch wer sind denn eigentlich wirklich die Menschen hinter den Medien?
Ein erster Blick auf die Medienlandschaft lässt eine Vielfalt an Informationsgebern vermuten. Hier finden sich 335 lokale und regionale Tageszeitungen, sowie große, einflussreiche und überregionale Zeitungen wie BILD, FAZ, Süddeutsche und die Zeit.
Doch trotz der großen Vielfalt an Titeln und Produkten ist die Zahl der eigenständigen Verlage seit Mitte der fünfziger Jahre in Deutschland stetig zurückgegangen. Wirtschaftlich und technisch führende Verlage konnten in verschiedenen regionalen Märkten Konkurrenten verdrängen. Die wirtschaftliche Entwicklung auf dem Pressemarkt hat zur Bildung großer Verlagsunternehmen geführt. Führend ist hier die Bertelsmann AG, zu denen nicht nur die RTL-Gruppe, sondern auch das Verlagshaus Gruner & Jahr mit Publikationen wie der Stern und National Geographic, sowie einige Firmen, die sich mit dem Druck selbst und der Distribution von Druckmitteln beschäftigen.
Kurz dahinter kommt, nach der ARD, der Verlag Axel Springer mit Veröffentlichungen wie der BILD, Welt, Handelszeitung, BZ und Rolling Stone. Für einige Zeit arbeiteten Axel Springer und Bertelsmann jedoch auch zusammen im Bereich des Drucks im Rahmen einer Joint Venture.
Ebenfalls in Verbindung stand zeitweise ein weiterer großer Spieler: Die Hubert Burda Media. Diese kaufte in den 80er-Jahren Anteile von Axel Spinger, bringt unter anderem den Fokus heraus und sendet hauseigene Formate wie „Faszination Leben“ oder „GRIP - Das Automagazin“ bei RTL - einem Teil von Bertelsmann.
Ebenfalls große Medienunternehmen in Deutschland sind die ProSiebenSat1-Media, die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, die Bauer Media Group, Weltbild, das ZDF und die Funke Mediengruppe.
Auffallend ist, dass viele dieser größten Medienunternehmen Deutschlands in Familienbesitz sind. So gehört Bertelsmann der Bertelsmann-Stiftung, die wiederum zum großen Teil in Besitz der Erben des ehemaligen Bertelsmann-Besitzers Reinhard Mohn ist und von einem Kuratorium kontrolliert wird, deren Vorstandsvorsitzender Werner Bauer, unter anderem, gleichzeitig Generaldirektor bei der Nestlé AG ist.
Der Verlag Axel Springer wird zwar von Mathias Döpfner, einer auch nicht gerade unumstrittenen Person, geleitet, doch eine nicht zu verachtende Zahl von Anteilen hält die Witwe des ehemaligen Geschäftsführers, die ebenfalls eine Zeit lang den Verlag leitete. Sie gilt auch als gute Bekannte Angela Merkels.
Weitere Verflechtungen mit der Politik finden sich auch in den Kontrollgremien der öffentlich-rechtlichen Sender. So ist seit 2012 der ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete und Staatssekretär des saarländischen Arbeitsministeriums Martin Karren Verwaltungsdirektor des Saarländischen Rundfunks. Über ihm sitzt lediglich der Intendant.
Auch andersrum funktioniert der Wechsel: Die Journalistin Susanne Gütte ist seit diesem Monat Sprecherin des Bundesfamilienministeriums. Zuvor hatte sie jahrelang beim Privatfernsehen gearbeitet. Zuletzt bei N24 und RTL2.
Wenn man sich also diesen Dschungel von Verstrickungen betrachtet, kann man tatsächlich auf die Idee kommen, dass hier und da ein wenig beschönigt oder aufgebauscht wird oder vielleicht sogar ein wenig gelogen wird.
Gerade das Aufbauschen von Informationen scheint ein gutes Erfolgsrezept zu sein, schließlich geht es ja den Medienmachern nicht nur um die reine Berichterstattung, sondern auch um das Verkaufen ihrer Medien. Letzten Endes entscheidet schließlich die Auflage darüber wie viel ich für eine Anzeige verlangen kann.
Nehmen wir zum Beispiel die Tageszeitung BILD. Sie erreicht, zusammen mit der in Berlin erscheinenden B.Z., 10,35 Millionen Leser pro Ausgabe mit einer Auflage von etwa 2.220.000. BILD selbst bewirbt ihre Anzeigenkunde mit dem Satz „Die perfekte BILD-Schlagzeile sorgt dafür, dass Deutschland jeden Tag die BILD aufschlägt“, und verlangt für eine ganze Seite Werbung 495.000€.
Wir wollen also anscheinend die schnelle und einfache Erklärung auf dem Silbertablett serviert bekommen. Am liebsten wollen wir innerhalb einer Schlagzeile schon alles erklärt haben, das wir wissen müssen.
Der Soziologe Armin Nassehi spricht davon, dass es „derzeit in Europa eine Sehnsucht nach einfachen Erklärungen für eine außerordentlich komplizierte Welt gibt“. Das spielt sicherlich auch im Moment vielen Populisten in die Karten.
Zum Glück scheint es aber immer noch Journalisten zu geben, die sich Zeit nehmen sich in solche Sachverhalte einzuarbeiten und sie informativ aufzubereiten. Als aktuelles Beispiel lassen sich hier im Moment wohl die Schreiber des „ICIJ“, des Internationalen Konsortiums der investigativen Journalisten, nennen, die mit ihren Enthüllungen der „Panama Papers“ von sich reden machen. Sie werteten über ein Jahr lang 2,6 Terrabyte an Daten aus, verschafften sich einen Überblick, bereiteten alles auf und gingen dann erst an die Öffentlichkeit.
Doch auch hier zeigt sich, dass diese Welt nicht einfach ist. Sie ist verworren und voller Widersprüche. Es gibt nicht die eine Lösung. Je tiefer man sich in einen Sachverhalt einarbeitet, umso besser versteht man ihn - oder man versteht, dass man ihn nicht verstehen kann, oder das das Problem vielleicht ein ganz anderes ist.
Doch ist es die Wirtschaft, die hier an allem Schuld ist? Sind es die großen Konzerne, die dem Neokapitalismus freien Lauf lassen und uns damit in den Wahnsinn treiben? Sind es vielleicht doch die Politiker? Die CIA? Oder doch einfach nur die Freimauerer oder Illuminaten?
Ich frage mich: Wie können wir also dieser Flut an Kurzinformationen begegnen? Wie können wir lernen damit umzugehen? Wie können wir herausfinden, ob etwas tatsächlich gelogen, aufgebauscht oder falsch dargestellt wird? Haben wir nicht auch eine Verantwortung für das, was wir da konsumieren und wie wir es konsumieren? Ist es nicht wie bei jedem Konsum? Schließlich haben wir doch auch eine Verantwortung für das Essen, das wir essen und das Handy aus China mit dem tollen neuen Design."
Sollten Sie auch einmal mit uns und anderen Gästen diskutieren wollen, freuen wir uns auf Ihre Nachricht.
Nun sind auch wir bereit in das neue Jahr zu starten und freuen uns Ihnen den neuen Arbeitskalender für die erste Hälfte des noch jungen Jahres präsentieren zu können.
Es erwarten Sie, uns und euch einige spannende Veranstaltungen. So feiern wir beispielsweise in diesem Jahr unser 60-jähriges Bestehen und dürfen gleich drei unserer Mitglieder in den Meistergrad begleiten.
Der aktuelle Arbeitsplan findet sich hier.
Wie funktioniert eigentlich ein Aufzug? Warum haben viele Menschen Angst vor diesem Gerät, das tagtäglich Millionen Menschen befördert? Was macht es zu einem der sichersten Verkehrsmittel unserer Welt? Was ist ein Aufsturz?
Diese, und noch viele weitere Fragen, konnte unser Referent mit seinem Fachwissen anschaulich und für alle verständlich in unserem Gästeabend darstellen. Vor allem konnten alle Fragen, die sich ein jeder sicherlich zu diesem Thema schon einmal gestellt hat hervorragend beantwortet werden.
Der Referent führte uns durch die Geschichte der Aufzugstechnik von den Ägyptern über die Erfindung des Flaschenzuges zu den heute hochtechnisierten Maschinen, die uns das Leben erleichtern. Mit diesem Eindruck ließ sich gut nachvollziehen, welchen Aufwand Menschen vor unserer Zeit betrieben haben um Personen und Lasten zu befördern und wie selbstverständlich wir heute mit technischen Errungenschaften umgehen. Und vor allem die Angst vor einem Absturz konnte vielen genommen werden.
Am Dienstag fand zum ersten Mal eine weiße Arbeit mit unseren befreundeten Logen Spectemur Agendo und Tusculum statt. Im Rahmen dieser Arbeit hielt unser Br. Wolfgang einen Vortrag mit dem Titel "Vorbild und Identität - oder Erkenne dich selbst":
Als Ziel des „Erkenne dich selbst“ werden häufig verkürzt nur die Negativmerkmale unseres Charakters fokussiert, unserer Fehler, Schwächen und Wertedefizite, die es anschließend abzubauen gilt.
Das erkenne dich selbst hat aber durchaus auch eine positive Seite, nämlich wenn es darauf gerichtet ist, sich seine wirklichen Neigungen, Hoffnungen, Fähigkeiten, Ziele ja sogar Träume bewusst
zu machen. In beiden Fällen geht es darum, Irrtümer auszumerzen, mein Leben aktiv zu gestalten, danach auszurichten, was ich wirklich will und bin.
Sind wir hilflose Reisende auf der für uns vorgegebenen Spur unserer Herkunft, von außen uns angedienter Vorbilder, der Gesellschaft, der wir angehören und deren Wertesystem? Oder sind wir in der Lage, aus solchen fremdbestimmten Mustern, dem Mainstream auszubrechen und autonom unseren ganz eigenen Weg zu suchen und zu finden? Diese Frage haben wir kürzlich äußerst lebhaft am Beispiel von Berufswahl und Berufsleben diskutiert.
Unter Identität verstehen wir die Gesamtheit der Merkmale, die einer Person Einmaligkeit/Unverwechselbarkeit /Individualität verleihen. Identität lässt sich als Antwort auf die Fragen verstehen: Wer bin ich, warum handele ich, wie ich handle, empfinde ich, wie ich es tue? Wodurch unterscheide ich mich von jemandem/jedem anderen? Identität dient der Selbstverortung. Wo stehe ich in der Gemeinschaft mit anderen Identitäten. Identität dient also der Bestimmung meines ganz persönlichen Sinnes.
Vorbilder sind demgegenüber Personen und Verhaltensmuster, die von außen auf uns einwirken, sich uns als geeignete Lösung für unsere eigene Charakterbildung und Lebensführung empfehlen, häufig zur Identifikation führen. Der Begriff Vorbild ist ein wenig euphemistisch. Er suggeriert eine positive Auswirkung auf die Rezipienten, lenkt davon ab, dass es auch schlechte Vorbilder gibt, dass Vorgaben, die für den einen richtig sind für den andern gar nicht passen mögen.
Vorbilder erleichtern, bestimmen unsere Entscheidungen, aber sind es dann noch unsere? Vorbilder können zweifellos eine wichtige Orientierung sein und sicherlich mangelt es unserer Gesellschaft bisweilen an vorbildhaften Einzelpersonen. Aber Vorbilder entlasten uns auch von Verantwortung, davon unseren eigenen Weg zu erkennen, zu finden und konsequent zu beschreiten. Sie sind ein Hilfsmittel für diejenigen, denen die Bereitschaft oder Fähigkeit der Selbstreflexion, der bewussten eigenständigen Lebensgestaltung fehlt, für die anderen aber letztlich nur zweite Wahl.
Die Bildung von Identität beginnt mit der Übernahme erlebter/mir vorgelebter Vorbilder, mit Identifizierung. Gerade der neugeborene, der junge Mensch identifiziert sich schnell mit etwas Außenstehenden, Ideen, Idealen, einzelnen Menschen oder Gruppen. Dadurch, dass wir uns bestimmten Gruppen zugehörig fühlen, soziale Rollen innerhalb dieser Gruppen übernehmen, nehmen wir die Merkmale der Gruppenidentität als eigene Wesensmerkmale an. Solche Identifikations-Subjekte/Objekte können eine Nation und ihre Kultur sein, die Familie, eine politische oder religiöse Gruppierung, deren Werte, Empfindungen, Ziele, die ich als meine eigenen übernehme. Eine äußerst wichtige Rolle bei solchen Identifizierungsmechanismen spielen Herkunft und Erziehung.
Identifizierung ist aber nur ein Aspekt bei der Erlangung von Identität, uns zwar angeboren, aber passiv, zu einem großen Teil unbewusst.. Der andere ist die aktive, bewusste Entwicklung eigener, wirklich persönlicher Merkmale. Durch mein Erleben, meine Erfahrungen entstehen Verhaltensmuster, Neigungen/Abneigungen, individuelle Wertvorstellungen/Unwertvorstellungen.
Beide Prozesse stehen in einer Wechselwirkung zueinander. Entwickelt sich beispielsweise die Identität einer Kultur, Nation, politischen oder religiösen Gruppierung in einer Art und Weise, die mit den von mir selbst entwickelten persönlichen Merkmalen und Überzeugungen nicht/nicht mehr harmoniert, werde ich neue Identifikationsobjekte suchen, wie umgekehrt natürlich die von mir als Teil der Gruppe entwickelten Merkmale und Überzeugungen wiederum die Gruppenidentität beeinflussen. Meine Identität wird also einerseits durch Gruppenzugehörigkeiten und die Rolle bestimmt, die ich innerhalb der Gruppe übernehme (Identifikation), das „Wir“, andererseits durch die Erfahrung meiner Einzigartigkeit, indem ich mich als anders erlebe, das „Ich“.
Wenn wichtige Gruppenzugehörigkeiten verloren gehen (Familie, Volk, Staatsangehörigkeit, Nation, Religion) kann dies zu Identitätsverlusten führen. Wenn die betroffene Person sich nicht mehr mit diesen Gruppen identifiziert oder identifizieren kann, ist sie, zumindest vorübergehend, physisch und psychisch isoliert. Auf der anderen Seite ist die Identifikation mit einer Gruppe häufig das Ergebnis des letztendlich zufälligen Umfeldes, in das ich hineingeboren werde, von Erziehung und äußeren Zwängen. Der Verlust oder auch der bewusste Ausbruch aus einer bisherigen Identität kann ein Akt der Emanzipation sein, der Lösung von fremdbestimmten Identitäten.
Ein Mensch verliert seine Identität, wenn er sich so verändert , dass wesentliche Merkmale entfallen, anhand deren er bislang identifiziert wurde und sich selbst identifizierte.
Identitäten sind nicht statisch, von der Geburt bis zum Tod festgelegt. Sie entwickeln und verändern sich. Bei der Geburt ist die Identität noch nicht vorhanden, jedenfalls nicht in der Form eines entwickelten Bewusstseins, wer ich bin und wohin ich will. Anfangs wird sie sich überwiegend fremdbestimmt entwickeln, durch Vorbilder, das Angebot und Vorleben von Identifikationsobjekten, durch Erziehung. Mit zunehmendem Alter sucht der Mensch sich eigene Wege, gewinnt persönliche Erfahrungen und Schlussfolgerungen hieraus für sein weiteres Leben, sollte es jedenfalls.
So kommt es vor, dass ich mich plötzlich fremd unter den Personen/Gruppen fühle, mit denen ich mich zuvor identifiziert habe. Mein persönliches Erleben, meine Erfahrungen führen mich in eine andere, eine neue Richtung, und das ist wichtig.
Platon lässt Sokrates folgende Worte sprechen:
„Charakterzüge, Gewohnheiten, Meinungen, Begierden, Freuden und Leiden, Befürchtungen: alles das bleibt sich in jedem einzelnen niemals gleich, sondern das eine entsteht, das andere vergeht.“
Identität ist also grundsätzlich nicht statisch/dauerhaft, kann es aber werden, wenn ich das wichtigste Element einer gesunden Identität missachte, die Selbstreflexion, die zur Selbsterkenntnis
führt, das entscheidende Regulativ, um falsche Identifikationen und fehlerhaft ausgedeutete Erfahrungen zu korrigieren. Wenn ich als Kind misshandelt werde, kann ich mich mit diesem
Verhaltensmuster der Eltern identifizieren und zulassen, dass dies meine Haltung zu den eigenen Kindern prägt, was erschreckend häufig geschieht. Wir imitieren, was wir erleben und als normal
vorgeführt erhalten. Erst durch die Reflexion: Wie hast du dich damals gefühlt? Hast du die erlebten Misshandlungen als angemessen und gerecht, als vorbildhaft empfunden? Kann ich aus der
falschen Identifikation entkommen. Das „Erkenne dich selbst“, hinterfrage dein Leben, Verhalten, deine Wertvorstellungen und Handhabung von gut und böse, richtig und falsch, sind wesentliche
Bedingung für die Entwicklung einer wertigen Identität und damit letztendlich für ein glückliches Leben.
Erkenne dich selbst heißt: Lese in dir, wie in einem Buch. Hinterfrage deine Impulse, Überzeugungen und Haltungen zu deinem Leben und dem deiner Mitmenschen. Reflektiere die Vorgaben deiner bisherigen Vorbilder und Identifikationsobjekte und die Schlussfolgerungen, die du vielleicht voreilig aus deinen persönlichen Erfahrungen gezogen hast. Dieses erkenne dich selbst ist die elementare Kontrollinstanz, das Regulativ für fragwürdige Identitäten, ein Leben, Ziele, einen Beruf, die nicht wirklich für dich bestimmt sind. Sonst laufe ich Gefahr, in der Oberflächlichkeit hängen zu bleiben, unkritisch etwa den Modellen meines Vaterlandes, meiner Kultur, meiner Eltern, generell fremdbestimmten Identitäten, verhaftet zu bleiben, oberflächlich dem hinterher zu laufen, was mir spontan Vergnügen und Lust bereitet oder auch mangels erprobter Alternativen zu bereiten erscheint.
Identitäten sind unendlich vielfältig. Sie sind ein Gesamtkunstwerk aus Herkunft, Charakter, individuellen Erfahrungen, Vorlieben, Idealen, Neigungen und Abneigungen. Was bedeutet mir mein Heimatland, die Familie, beruflicher Erfolg, Wohlstand, Kultur, Kunst, was bereitet mir Langeweile und Desinteresse?
Die Identität als Einzigartigkeit und damit gleichzeitig als Garant für Vielfalt, Individualität und Kreativität, ist ständig in Gefahr. In Gefahr, aus Einfalt und Unachtsamkeit fremdbestimmt zu
werden, nicht mehr meine Identität sondern die Wunschidentität Aussenstehender/eigentlich Fremder zu sein. Vielfalt ist dem Kapital und den es repräsentierenden Unternehmen verdächtig, erschwert
unnötig den Zugang zum Konsumenten, verteuert die Produktion, steigert das unternehmerische Risiko, reduziert den Profit. Simple Identitäten, die massenhafte Identifikation mit einheitlichen
Marken und Produkten, die einen globalen „Mainstream“ bilden, gilt es zu fördern. Besser noch von den Produzenten und ihren Helfern nach ihren Vorstellungen gestaltete und dem Konsumenten
implantierte Identitäten. Selbstreflexion, kritisches Hinterfragen der schönen neuen Welt von Amazon, Apple und Facebook erschwert den erstrebten wirtschaftlichen Erfolg. Logarithmen machen den
einzelnen berechenbar, ermöglichen es, Gemeinsamkeiten aus einer unendlichen Vielzahl von Identitäten herauszufiltern, sie gezielt zu fördern. Logarithmen bestimmen den kleinsten gemeinsamen
Nenner möglichst großer Bevölkerungsgruppen, deren Präferenzen dann wieder als meinungsbildend für die anderen genutzt werden können. Und plötzlich hört man weltweit die gleiche Musik,
applaudiert den gleichen Büchern und Filmen, trägt die gleiche Mode und reiht sich gehorsam in die endlosen Schlangen vor den Apple Stores ein, weil die neueste Auflage des iPhone unbedingt
identitätsprägend ist.
Unter Identitätsdiebstahl versteht man herkömmlich den Missbrauch der Daten einer fremden Person. Ich verstehe darunter eher den systematischen Versuch, unsere Vorbilder, Ideale, Ziele zu vereinheitlichen, die theoretisch unendliche Vielfalt auf profitoptimierte Weltkultur-Produkte zurückzustutzen. Manchmal fühle ich mich ein wenig fremd in der Gesellschaft, die sich mir so überaus allgegenwärtig und hartnäckig zur Identifizierung anbietet, zur Übernahme von Werten, in denen sich meine persönliche Identität so gar nicht wieder finden mag.
Am 10.11.2015 wurde als Teil des öffentlichen Vortragsabends unserer Loge folgender
Impulsvortrag gehalten:
"In unregelmäßigen Abständen tauchen in einigen Medien aufsehenerregende Nachrichten und vor allem Bilder auf, die angebliche Grausamkeiten in Tierexperimenten zeigen, woraus ein allgemeines Verbot von Tierversuchen abgeleitet wird. Von der wissenschaftlichen Seite werden diese Bedenken häufig mehr oder weniger lust- und vielleicht auch mutlos abgewiegelt. Gründe hierfür liegen vielleicht in einem mangelnden Interesse, die Bevölkerung über die eigenen Methoden und deren Sinnhaftigkeit zu informieren oder auch an fehlender Zeit und einer schlicht unzureichenden Öffentlichkeitsarbeit. Auf jeden Fall scheint mir die Tierschutzlobby was die Verbreitung ihrer Thesen angeht, engagierter und auch erfolgreicher zu sein. Denn wer will schon, dass Hunde oder Affen getötet werden?
In den letzten Jahren hat sich auch dieses Thema zunehmend in die sozialen Medien verlagert, was aber, wie so oft, nicht unbedingt hilfreich für eine sachliche Diskussion war. Aber was kann man denn an Fakten festhalten zum Thema Tierversuchen?
Im Jahr 2013 wurden knapp 3 Millionen Wirbeltiere (Wirbellose Tiere müssen bis auf wenige Ausnahmen nicht angezeigt werden und Gegensatz zu Versuchen an Wirbeltieren müssen diese in keinem Fall genehmigt werden – eine historische, wenn auch naturwissenschaftlich nur schwer zu haltende Trennung) verwendet, was nach einem Jahrzehnt des Anstiegs erstmals ein leichter Rückgang war. Wichtige Anwendungsbereiche sind die Grundlagenforschung (genveränderte Mäuse und zunehmend auch Ratten), die toxikologische Prüfung und die Arzneimittelforschung. Zu den am häufigsten genutzten Tieren gehören Mäuse, Ratten und mit einigem Abstand Fische. Hunde, Affen und Katzen stellen nur einen Bruchteil der Versuchstiere, auch wenn sie meistens die mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Der Grund könnte darin liegen, dass wir für die eben genannten Haustiere eine größere Empathie empfinden bzw. vor allem Affen uns so ähnlich erscheinen. Vielleicht wären Tierversuche nur an Nagern leichter der Öffentlichkeit zu „verkaufen“, aber würde sie das besser machen? Auch gegen den Einsatz von Schweinen oder Kühen in Tierversuchen lässt sich nur schwer argumentieren, wenn jährlich alleine in Deutschland 700 – 800 Millionen Schlachttiere getötet werden.
Und was ist mit der Sinnhaftigkeit? Im §1 des Tierschutzgesetzes findet sich die interessante Formulierung: „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“
Diese zwei Sätze beschreiben eigentlich gut, wie die Stellung von Tieren vor dem Gesetz ist:
Mitgeschöpf ja, Leben und Wohlfühlen auch ja, jedoch ist Töten und notfalls Schmerzen verursachen ok, wenn es sein muss. Später wird noch detaillierter darauf eingegangen, dass Schmerzen, Leiden und Schäden so gut es geht mit allen möglichen Mitteln (z. B. Betäubungsmitteln) abgemildert oder besser noch vermieden werden müssen. Auch ist es mit zunehmendem Maß der verursachen Schmerzen oder Leiden immer schwieriger, einen Versuch genehmigt zu bekommen und es muss ein wirklich großer Erkenntnisgewinn zu erwarten sein – aber ihre Verursachung ist nach dem Gesetz prinzipiell gestattet.
Aber sind Tierversuche ein vernünftiger Grund? Geht man zu den Kritikern, wird man ein eindeutiges Nein hören, manchmal sogar der Versuch unternommen, dies wissenschaftlich zu untermauern. Die PETA geht sogar so weit und behauptet, 99 % der so gewonnen Erkenntnisse ließen sich nicht auf den Menschen übertragen und die Experimente und die damit verbundenen Leiden seien dadurch sinnlos.
Wenn man mit dieser Meinung zu Wissenschaftlern geht, erfährt man höchstens ungläubiges Kopfschütteln. Denn was man auch festhalten kann, ist, dass auch aus den unterschiedlichsten, uns scheinbar nur wenig verwandten Arten wie Kopffüßlern, Fadenwürmern, Fliegen und sogar Bakterien Erkenntnisse gewonnen werden können, die sich auf den Menschen übertragen lassen und das Fundament von zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen begründet haben.
Allgemein lässt sich sagen, dass entgegen aller Beschwörungen seitens der Tierschützer es ohne Tierversuche zu einer drastischen Reduzierung der Forschungsleistung in den Bereichen der Grundlagenforschung und zu einem Einbruch bei der Entwicklung und Risikoabschätzung von neuen Substanzen kommen würde. Die häufig genannten Alternativmethoden bieten hierfür noch keinen Ersatz, sondern dienen als durchaus wichtige Ergänzung. Man könnte am ehesten sagen, dass weder Tierversuche noch Alternativmethoden alleine die besten Ergebnisse liefern, sondern ihre Kombination und wissenschaftliche Bewertung zurzeit am sinnvollsten sind. Verschweigen sollte man hier jedoch nicht, dass für zahlreiche offiziell nicht als Tierversuche deklarierte Experimente Zellen aus Tieren benötigt werden, was oft mit deren Tötung verbunden ist. Auch wird häufig für die Kultivierung von Zellen Serum aus fötalen Kälbern benötigt, welches nicht ohne deren Tod gewonnen werden kann.
Ihr habt gesehen, ich bin in diesem Punkt vielleicht etwas einseitig, jedoch kann ich nur davon erzählen, was ich weiß und erlebt habe und das ist in diesem Fall klar für eine Notwendigkeit von Tierversuchen. Weiterhin halte ich es sogar für wichtig, dies klar zu kommunizieren und auch gerne zu diskutieren, um einer einseitigen, emotional aufgeladenen Propagandaschlacht entgegenzutreten!
Ein weiterer Aspekt, der in dieser Thematik nicht außer Acht gelassen werden sollte, ist der ethische. Die Verwendung in Tierexperimenten aber auch zur Nahrungsproduktion oder für zahlreiche andere Anwendungen ist nur konsequent mit der Haltung, die im zuvor erwähnten §1 des Tierschutzgesetzes eingenommen wurde. Doch ist sie richtig? Es wird sogar von einer Verantwortung des Menschen gegenüber dem Mitgeschöpf gesprochen. Werden wir ihr gerecht, wenn wir Tieren Leiden zufügen und sie töten? Der Moralphilosoph Peter Singer geht davon aus, dass alle Tiere, die das Interesse haben, Schmerzen zu vermeiden, das gleiche Recht auf Unversertheit haben, wie Menschen. Demnach wäre eine Forschung an menschlichen Embryonen, denen kein Interesse an Schmerzvermeidung und Lebenserhaltung unterstellt wird, in Ordnung, Versuche an Mäusen „Speziesismus“, vergleichbar mit Rassismus oder Sexismus. Doch wer entscheidet und woran macht er es fest, wann ein Tier schmerzempfindlich ist? Wird es an einer bestimmten Entwicklungsstufe des Nervensystems festgemacht? Und wieso gilt es nur für Tiere? Auch Pflanzen kommunizieren, empfinden Stress und hat nicht jedes Lebewesen ein natürliches Interesse, zu leben und sich fortzupflanzen? Ist dies doch die Triebfeder der Evolution. Sollten wir daher Pflanzen abwerten, nur weil wir sie nicht schreien hören können?
Noch weiter geht die Position der Rechte der Tiere. Diese verleiht allen Tieren ähnliche individuelle Rechte wie Menschen, was Zwangsmaßnahmen und Bevormundungen jeglicher Art, also Tierhaltung generell, unmöglich machen würde. Hier stellt sich die Frage, wie man Lebewesen Rechte verleihen kann, ohne dass diese eine Chance haben, ihre Rechte zu verstehen und entsprechend zu handeln. Auch hier scheint mir eine Fokussierung auf Tiere inkonsequent. Aber wie sähe eine Gesellschaft aus, die lebt, ohne andere Lebewesen zu töten oder zu belasten. Selbst ein sich quasi nur von Fallobst ernährender Fruitarer schränkt das Interesse der Pflanze ein, sich fortzupflanzen.
Daher scheint unser Überleben nur auf Kosten anderer möglich zu sein. In diesem Punkt hat sich seit Beginn der Zivilisation nichts geändert und das wird es wohl auch sobald nicht. Gibt es auf diese Weise überhaupt die Möglichkeit eines Miteinanders? Führt dies dann zurück zu dem Kompromiss, wenigstens die verursachen Leiden zu reduzieren und werden wir überhaupt dieser Minimalforderung in Deutschland gerecht?"
Wesentliche Punkte waren
die Überlegung, dass aus wissenschaftlicher Sicht Tierversuche zurzeit noch unverzichtbar seien, da Alternativmethoden in der Regel noch keinen angemessenen Ersatz leisten können. Diese Haltung
wird auch durch das Tierschutzgesetz unterstützt. Alternativmethoden stecken noch in den Kinderschuhen und leiden unter schlechter Sensitivität und Spezifität, wobei auch Tierversuche immer auf
diese Kriterien überprüft werden müssen. Zudem arbeiten sie auch häufig mit biologischem Material, welches aus Tieren gewonnen werden muss. Basierend hierauf fand eine anregende Diskussion statt,
wobei jedoch immer eine brüderliche Atmosphäre zugegen war. Wie häufig bei unseren Vortragsabenden wurden neue, vom Vortragenden noch gar nicht bedachte interessante Punkte und Themen eingebracht
und erörtert.
Der gestrigen Diskussionsabend begann mit dem folgenden Impulsvortrag:
"Eigentlich wollte ich heute über das sprechen, was derzeit in Heidenau, in Freital und immer wieder in Dortmund passiert.
Ich wollte diskutieren wie es zu solch rechten Bewegungen kommen konnte, die sich selbst als „besorgte Bürger“ oder „Asylkritiker“ titulieren und auch in der Presse und der Politik oft so genannt werden. Ich wollte wissen, ob es eine Lösung geben kann mit diesem braunen Mob umzugehen und ob nicht viel früher etwas hätte passieren müssen.
Gerne hätte ich auch darüber gesprochen wie das Internet für die Verbreitung von falschen Tatsachen genutzt wird um zu polarisieren, wie Neonazis seit Jahren systematisch in die Mitte der Gesellschaft vordringen und ihr Gedankengut schön verpackt an den Mann bringen.
Doch letzten Endes fragte ich mich: Darf ich das hier eigentlich?
Schließlich besagen unsere Statuten seit 1723:
„Auch sollt ihr nichts tun oder sagen, das verletzen oder eine ungezwungene und freie Unterhaltung unmöglich machen könnte. Denn das würde sich nachteilig auf unsere Eintracht auswirken und den guten Zweck vereiteln, den wir verfolgen. Deswegen dürfen keine persönlichen Sticheleien und Auseinandersetzungen und erst recht keine Streitgespräche über Religion, Nation oder Politik in die Loge getragen werden.“
Dass nicht über Religion gestritten werden soll, ist für mich durchaus einleuchtend. Es ist etwas persönliches, etwas, das tiefer geht und keiner Erklärung bedarf. Religion kann nicht rational besprochen werden. Ich glaube an dieses oder jenes. Und dieses „ich glaube“ ist es, dass jedem selbst überlassen sollte.
Ist das in der Politik nicht irgendwie dasselbe? Schließlich glaube ich an bestimmte Werte, die die eine Partei mehr oder weniger vertritt.
Allerdings sollte ich diese Dinge durchdacht haben. Ich kann mich mit Fakten eindecken und diese für mich persönlich auswerten. Das gestaltet sich bei der Religion etwas schwieriger.
Und gerade dieses Durchdenken, dieses Hinterfragen sollte etwas sein, dass meiner Meinung nach, zur spekulativen Freimaurerei gehört wie das Amen in die Kirche.
Was sollte uns also davon abhalten über Politik zu streiten?
„Politik geht uns alle an“, habe ich in der Schule gelernt. Sie ist nicht geprägt von parteipolitischen Ränkelspielchen, sondern sie ist etwas, dass unseren Alltag gestaltet. Es geht um mehr als alle paar Monate zur Wahl zu gehen.
Natürlich will ich keinen Streit innerhalb der Loge, doch ich möchte, dass die Probleme, die uns alle etwas angehen offen und ehrlich besprochen werden können. Dabei sollten extreme Formen wir Rechtsextremismus keinen Raum haben. Eine solche Form der Meinungsäußerung würde gegen unsere humanitären Grundwerte verstoßen.
Was mich zu meiner nächsten Frage bringt:
Warum äußern sich Freimaurerlogen bzw. die Vereinigte Großloge von Deutschland als unsere Generalvertretung, nicht zu menschenverachtenden Äußerungen wie sie im Zuge der Flüchtlingspolitik vermehrt getätigt werden. Sind Freimaurer nicht in der Vergangenheit und auch heute noch immer wieder Opfer von Verfolgung und abstrusen Verdächtigungen geworden? Sollten wir nicht alles, auch öffentlich, ablehnen, dass gegen Menschenrechte und ein friedliches Miteinander verstößt?
Dass die Vereinigten Großlogen sich nicht zu jedem politischen Thema äußern sollte - und kann - liegt im Kern unserer Bruderschaft, die frei von Dogmen ist. Jeder hier darf und soll seine eigene Meinung haben. Eine einhellige Meinung nach außen zu vertreten ist schwer und auch nicht immer gewollt, doch alles was unseren Grundwerten Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit entgegensteht, sollte ein klares Zeichen entgegengesetzt werden.
Prominente wie Til Schweiger, Oliver Kalkofe, Anja Reschke, sowie Joko und Klaas formieren sich unter dem Motto „Mund Aufmachen“ und sprechen sich klar gegen Fremdenhass und Rechtsextremismus aus. Ein solches Zeichen zu setzen scheint mir heute nötiger als vor ein paar Jahren.
Wie, wo und wann machen wir also unseren Mund auf?"
Nach diesen einleitenden Worten begann eine rege Diskussion mit den unterschiedlichsten Meinungen.
Sollten Sie Interesse haben, einmal mit uns zu diskutieren und unsere Ansichten kennen zu lernen, nehmen Sie einfach Kontakt auf und besuchen Sie einen unserer Diskussionsabende.
Liebe Brüder, liebe Suchende, liebe Interessenten, wir freuen uns nun den neuen Arbeitsplan für das erste Halbjahr 2015 vorstellen zu können.
Es erwarten uns wieder einige spannende Diskussions- und Vortragsabende, mindestens eine Tempelarbeit in jedem Grad, sowie Besuche von befreundeten Logen.
Sollte Ihr und euer Kalender am kommenden Sonntag, den 11. Januar noch nicht gefüllt sein, weisen wir gerne auf den Neujahrsempfang der Düsseldorfer Freimaurerlogen hin. Wir freuen uns auf ein spannendes und ebenso arbeitsreiches Jahr 2015 und hoffen euch und Sie bald bei uns begrüßen zu können.
Mit einer Beförderungsarbeit (TA II) in der letzten Woche bildete diese Arbeit unserer Loge die letzte für dieses Jahr und brachte so ein spannendes und arbeitsreiches Jahr zum Ende. In diesem Jahr haben wir viel über uns und über andere gelernt und sind dabei enger zusammengerückt, auch mit Hilfe unserer neu aufgenommenen Brüder.
Und nun freuen wir uns auf ein ebenso schönes Jahr 2015, das sicherlich viele schöne Momente bereithält, die wir gerne mit Ihnen und euch teilen möchten.
Doch nun wünschen wir Ihnen und euch eine ruhige und besinnliche Weihnachtszeit, sowie einen guten Übergang ins neue Jahr! Wir würden uns freuen Sie und euch auf einer unserer Veranstaltungen zu treffen - so zum Beispiel auf dem Neujahrsempfang der Düsseldorfer Logen am 11. Januar oder zu unserem Vortragsabend am 13. Januar.
Warum sollte man sich in einer Freimaurerloge mit dem Thema Depressionen beschäftigen?
Als Freimaurer versuchen wir die Welt um uns herum genauer wahrzunehmen und vielleicht so uns und andere ein wenig besser zu verstehen. So fügte sich dieser Vortrag hervorragend in unsere "Arbeit am rauen Stein" ein.
Im Rahmen dieses Vortrages wurden uns die Fakten dargelegt und die Gefühlswelt eines Depressiven wurde anhand einer Kurzgeschichte erläutert. Diese können Sie gerne hier nachlesen.
Nach den ersten Tempelarbeiten, die wieder "Live und in Farbe" stattgefunden haben, haben wir nun auch endlich wieder unseren ersten Gästeabend in Präsenz stattfinden lassen können. Dabei hörten wir einen Impulsvortrag zum Thema "Erkenne dich selbst" und in der anschließenden Diskussion spannten wir den Bogen zur der Frage, was denn Glück damit zu tun habe. Es ergaben sich viele spannende Fragen und einige interessante Antworten.
Wollen Sie auch einmal mit uns zusammensitzen und Meinungen austauschen? Wir freuen uns über jeden, der sich einbringen möchte. Wenden Sie sich einfach an unseren Schriftführer unter sekretaer@mozart-loge.de und erfahren Sie alles Weitere.
Die Corona-Inzidenzen geben Grund zur Hoffnung. Daher finden die ersten Arbeiten wieder in Präsenz statt - natürlich unter den geltenden Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen. Weiterhin ist jedoch Vorsicht geboten, sodass Gästeabende bis auf Weiteres online stattfinden werden. Bei Interesse, wenden Sie sich bitte an unseren Schriftführer unter kontakt@mozart-loge.de.
Ein neues Jahr hat begonnen, die Corona-Pandemie begleitet uns erwartungsgemäß auch hier und in der Freimaurerei. Ganze Logen liegen brach, viele Brüder haben sich seit Monaten nicht gesehen, Interessierte warten auf Möglichkeiten zum Kennenlernen. In den letzten Monaten haben wir erfolgreich digitale Varianten erprobt und sie für gut befunden. Sicher ersetzen sie kein reales Zusammentreffen, aber sie ermöglichen dennoch den Austausch, den wir in unsere Loge so schätzen. Daher werden auch in dem kommenden Halbjahr Zoom-Meetings unseren Arbeitsplan ausmachen. Jeden Monat gibt es einen interessanten Vortrag, zu dem auch Gäste herzlich eingeladen sind. Wenden Sie sich einfach an unseren Schriftführer.
Das öffentliche Leben ist größtenteils wieder in vollem Gang, doch bleibt der Umgang mit Veranstaltungen aller Art oft ein großes Fragezeichen. Ein Fragezeichen vor allem deshalb, weil es als Veranstalter nicht nur bedeutet Vorgaben einzuhalten, sondern auch eine Verantwortung für seine Gäste zu übernehmen. Die Brüder unserer Loge haben lange mit sich gerungen, doch sind wir zu dem Schluss gekommen, dass eine Durchführung von Präsenz-Veranstaltungen aller Art nicht unserem Bedürfnis nach Sicherheit für und unsere Mitmenschen entspricht. Daher haben wir entschlossen, dass sämtliche persönliche Treffen bis Ende diesen Jahres vorerst nicht stattfinden werden. Stattdessen haben wir in vergangenen Monaten Erfahrungen mit virtuellen Veranstaltungen machen dürfen. Diese Erfahrungen werden wir im kommenden Halbjahr nutzen und beispielsweise Vortragsveranstaltungen online stattfinden zu lassen. Interessierte Gäste wenden sich dafür bitte an unseren Schriftführer unter kontakt@mozart-loge.de.
Aufgrund der wachsenden Zahl der Ansteckungen mit dem Corona-Virus unsere Logenaktivitäten zunächst bis Ende April 2020 ruhen zu lassen. Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber nach dem Einholen eines Meinungsbildes und intensiver Diskussionen im Beamtenrat haben wir uns für diesen Schritt entschieden. Unsere Zusammenkünfte sind geprägt von einem engen Miteinander und die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung steigt somit. Wir hoffen darauf, dass wir Anfang Mai unsere Veranstaltungen wieder aufnehmen können und halten Sie auf dem Laufenden.
Unseren aktuellen Arbeitskalender finden Sie nun an gewohnter Stelle. Wir freuen uns auf Ihren Besuch.
Wir freuen uns, Ihnen heute unseren neuen Arbeitskalender für das zweite Halbjahr 2019 vorstellen zu können. Diese finden Sie, wie gewohnt, hier auf unserer Internetseite. Mit dem Johannisfest am kommenden Sonntag (23.06.) verabschieden sich alle Logen in die Sommerferien. Wir werden die Zeit nutzen und Kraft sammeln für das kommende Jahr.
Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie einen schönen Sommer. Sollten Sie in der Zwischenzeit Fragen zu unserer Loge oder der Freimaurerei im Allgemeinen haben, können Sie uns natürlich gerne kontaktieren.
Sie ist ein natur- und verfassungsrechtlicher Grundsatz, ein Menschenrecht, ein Alltagsbegriff, ein Kampfruf auf den Fahnen von Revolutionären, ein beliebtes Lockmittel für Politiker, für viele der einzige und wahre Garant für Glück. Sie erscheint auf den 1. Blick so einfach, jedem Kind eingängig und ist doch so schrecklich kompliziert. Gleichheit. Habt ihr Euch einmal damit befasst, was sie aussagt, was sie bedeutet, was sie Euch und der Gesellschaft, in der ihr lebt wert ist? Ob es sich lohnt darüber zu streiten, dafür zu kämpfen? Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte lautet: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren; sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“ Das hätten die alten Pflichten auch nicht schöner formulieren können. In der Aufklärung, der französischen Revolution war sie plötzlich in aller Munde wurde zum Menschenrecht ausgerufen. Aus dem christlichen Gedankengut der „Gleichheit vor Gott“ war die Forderung nach „Gleichheit vor dem Gesetz“ geworden, ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Feudalismus und staatliche Willkür. Gleichheit als Schutzrecht gegen den Staat, das Gebot bei Gesetzen und deren Anwendung niemanden wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Das war schon eine anspruchsvolle Aufgabe. Aber mit ihr begann er erst, der lange Weg der Gleichheit, ihr Wandel, ihr Wuchern in immer mehr gesellschaftliche Bereiche. Die Gleichheit aller vor dem Gesetz reichte schon bald nicht mehr aus. Frauenwahlrecht, gleiches Recht auf Gesundheit, eine menschenwürdige materielle Absicherung des einzelnen in Zeiten von Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter, die Geburt der Sozialversicherung, sozialstaatliche Leistungen, gleiche Bildungschancen… alles zwischenzeitlich Selbstverständlichkeiten in aufgeklärten modernen Demokratien. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Frauenquoten für Unternehmensvorstände und Parlamente. Irgendwann einmal gleicher Lohn für alle? Gleiches Vermögen für alle? Das gleiche Recht auf Glück? Noch auf der Agenda, oder entartet der Gleichheitsbegriff, bedroht er inzwischen elementare andere Güter? Etwa freie Entfaltung der Persönlichkeit, Individualität, die Differenz, die in so vielen Fällen unser Leben bereichert? Dass Geld bessere medizinische Versorgung erkauft, ist in Ordnung. Aber darf es darüber entscheiden, ob ich überhaupt eine notwendige medizinische Versorgung erhalte oder innerhalb einer angemessenen Zeit? Darf es den Unterschied von Leben und Tod ausmachen? Darf ich Slums als unumgängliche Übel mit Vergessen bestrafen und auf der anderen Seite Wohlstandsreservate entstehen lassen? Darf ich zulassen, dass sich eine Gesellschaft in Subkulturen der Reichen und Armen auseinanderdividiert, die keine gemeinsamen Schnittstellen mehr haben? Sich völlig fremd sind? Lässt sich aus dem Menschenrecht der Gleichheit auch die politische Forderung zu größerer Einkommensgleichheit herleiten? Schon der Kommunismus hat sich diese Frage gestellt, bei seinen radikalen Antworten jedoch das Bedürfnis der Menschen nach Freiheit und die Anfälligkeit totalitärer Systeme zur Korruption unterschätzt. Der Kapitalismus hat auf den Wegfall der kommunistischen Bedrohung so reagiert, wie es seinem Wesen entspricht, durch eine Steigerung der Gier nach dem Mehr. Die Finanzkrise 2008/2009 wurde von vielen als der Beginn der Wende erhofft … aber seit dem sind über 10 Jahre vergangen, ohne dass sich an den Fehlleistungen des Kapitals irgendetwas geändert hätte, jedenfalls nicht zum Besseren. Unsere Volksparteien haben erkennbare Akzeptanzprobleme beim Wahlvolk und sind zurzeit geradezu hysterisch darum bemüht, populäre neue Duftmarken zu setzen. Die SPD betreibt mit dem Konzept „Sozialstaat 2025“ die Abschaffung des Hartz IV Systems, dessen Ersetzung durch eine bedingungslose Grundrente. Außerdem stellt sie dezidiert einmal mehr die Verteilungsfrage, beanstandet die ungleiche Ausstattung mit Einkommen und Vermögen in der Bundesrepublik. Da möchte Robert Habeck natürlich nicht nachstehen, der es überraschend im ZDF-Politbarometer zum beliebtesten Politiker der Bundesrepublik geschafft hat, obwohl ihn 50 % der Wahlbürger überhaupt nicht kennen. Er hält die Enteignung von Bauspekulanten für „denkbar“. Die größere Angleichung von Einkommen und Vermögen! Ist das wirklich ein oder gar das Thema der Gegenwart? Oder sind dem durchschnittlichen Wähler die sich immer weiter öffnende Einkommensschere und die Superreichen nicht schlicht egal. Er hat Alltagsprobleme, deren Bewältigung ihn vorrangig bis ausschließlich bewegen. Ein bisschen mehr Geld im Monat zur Verfügung haben. Eine finanzierbare Wohnung finden. Einem Fahrverbot für seinen alten Diesel entgehen, wo er sich ein neues Fahrzeug nicht leisten kann. Steigende Benzin- und Strompreise, durchaus ökologisch begründbar, aber eben individuell viel zu teuer, jedenfalls für „Gelbwesten“. Schnelles Internet, damit Computerspiele und Netflix endlich störungs- und ruckelfrei laufen. Gleichheit im Materiellen scheint für den Durchschnittswähler kein vorrangig anzugehendes gesellschaftliches Problem, eher das Gegenteil. Er empfindet sich -im Rahmen seiner beschränkten finanziellen Möglichkeiten- als Mitspieler im großen Spiel der Ungleichheit. Das bessere Auto, die größere Wohnung, das angesagter Handy sind für ihn wichtige Merkmale seines sozialen Status, Symbole seiner positiven Ungleichheit gegenüber dem Nachbarn, der einfach „weniger“ hat. Wird die Gleichheit nicht in vielen Lebensbereichen eher zu einer Bedrohung, zur zwangsweisen, oder - noch heimtückischer -, freiwilligen Gleichschaltung? Einfalt statt Vielfalt, dass Verkümmern der Freiheit, der Besonderheit? Betreiben nicht Google, Facebook, Amazon und Co. ziemlich gezielt die globale Gleichheit aller Konsumenten und Wähler? Weltweit die gleichen Produktvorlieben, die gleichen Filme, Bücher und Musik, Coca-Cola und iPhone? Ist uns das Empfinden dafür abhandengekommen, in unserem Denken und Leben, in unseren Interessen und Vorlieben, unserem Ehrgeiz und unseren Methoden bereits viel zu gleich, austauschbar und verwechselbar, fast überflüssig geworden zu sein. Waren nicht einmal Individualität, Differenz, der eigene Weg ein hohes Gut, für das sich zu kämpfen lohnte? Und wieso leben wir plötzlich in einer Gesellschaft, die auf der einen Seite freiwillig und beschleunigend den globalen, digitalen Verführern die Individualität des einzelnen opfert, weltumfassend immer gleicher wird, auf der anderen Seite unter gravierenden Ungleichheiten leidet. Gleichheit ist eben nicht nur ein Menschenrecht, ein politisches Postulat sondern eben auch Ausdruck von Gleichförmigkeit und damit irgendwann Belanglosigkeit. Kehren wir noch einmal zurück zum Gleichheitsbegriff der Aufklärung. Was meinte, was bezweckte er? Es lassen sich 2 elementar unterschiedliche Ansätze erkennen: Der Erstere bezieht Gleichheit auch auf die gleichmäßige Verteilung von Einkommen und Vermögen: Gleichheit des persönlichen Besitzes. Dieses Ideal der Frühsozialisten bzw. utopischen Sozialisten taucht immer wieder auf, häufig unter dem verharmlosenden Begriff der „Ergebnisgleichheit“. Gemeint ist letztlich dasselbe: Ziel der Gleichheit seien egalitäre wirtschaftliche Verhältnisse für jedermann. Die andere Vorstellung von Gleichheit zielt auf „Chancengleichheit“. Bereits der Wortlaut von Art. 1 der Menschenrechte spricht eher dafür, dass diese Vorstellung von Gleichheit gemeint gewesen ist. Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren, aber was sie daraus machen, kann durchaus unterschiedlich sein und dementsprechend auch zu einer unterschiedlichen gesellschaftlichen Wertschätzung führen. Wer Chancengleichheit meint, der akzeptiert die Verschiedenheit der Menschen, ihre unterschiedlichen Fähigkeiten, Neigungen, Ehrgeiz, Bemühungen. Wer Ergebnisgleichheit meint, benachteiligt diejenigen, die nach ihren Fähigkeiten und der Entwicklung, die sie seit ihrer Geburt genommen haben, im positiven Sinn ungleich sind, nimmt in Kauf, Ungleiches gleich zu behandeln. Wer Chancengleichheit meint, der akzeptiert auch, dass der besser Ausgebildete, der Ehrgeizigere, Leistungsfähigere und Leistungsbereitere mehr verdient als der schlechter Ausgebildete, weniger Motivierte, weil beide die gleiche Chance dazu gehabt haben, aus ihrem Leben etwas zu machen. Wer arbeitet, soll am Monatsende mehr haben als der, der durch den Sozialstaat alimentiert wird. Das erscheint vielen gerecht, auch wenn die Vorstellung für Anhänger der Ergebnisgleichheit ein echtes Gräuel sein muss. Vergessen wird häufig, dass zu den Idealen der Aufklärung auch das Konstrukt des Gesellschaftsvertrages gehört. Jeder einzelne ist verpflichtet, nach seinen persönlichen Möglichkeiten am Gemeinwohl mitzuwirken, seinen Teil zum Wohlergehen der Gemeinschaft beizutragen. Gemeinschaft ist insoweit ein Geben und Nehmen. Ich fördere nach meinen besten Kräften das Gemeinwohl, dafür werden mir der Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft zu Teil, etwa wenn ich in Not gerate. Dem Leistungsverweigerer darf es schlechter gehen als dem Leistungsträger. Es muss ihm vielleicht sogar schlechter gehen, jedenfalls wenn wir die ursprüngliche Idee des Gesellschaftsvertrages von einem wechselseitigen Geben und Nehmen aufrechterhalten wollen. Mehrheitlich wissen wir, dass Ungleichheit nicht per se ungerecht ist, dass, wer mehr leistet, auch mehr verdienen soll/muss, dass eine unterschiedliche 6 Belohnung Leistungsbereitschaft, Kreativität und Fortschritt fördert. Dass es sogar notwendig ist, Menschen für ungleiche Bemühungen und ungleiche Effektivität unterschiedlich zu belohnen, um sie zu weiteren Anstrengungen zu motivieren und so für alle Menschen bessere Lebensbedingungen zu erreichen. Wie halten wir, die wir uns heute zusammengefunden haben, es wirklich damit, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind? Der Gleichheitsgrundsatz ist die Entscheidung für ein ideales, ein idealisiertes Menschenbild, für Humanität statt gedankenloser Effizienz zu Gunsten weniger. Hadern wir nicht selbst mit der idealen Gleichheit, insgeheim oder in aufgeklärter verbaler Zurückhaltung? Wähnen uns mehr, als die gleich Geborenen da unten, deren Lebensweise und Lebensumstände so weit entfernt vom idealen Menschenbild, jedenfalls von uns selbst, erscheinen? Denken, dass es Menschen gibt, die gleicher sein sollten als andere, dass es Menschen gibt, die an und für sich eine verantwortungsbewusste Wahlentscheidung intellektuell gar nicht treffen können, Menschen, die eine Schande für die Gemeinschaft sind, sich passiv mit einer lebenslangen Hartz IV Karriere begnügen, anstatt aktiv zum Gemeinwohl beitragen zu wollen, Kinder des Sozialsystems, denen unser Staat schon heute mehr gibt als sie verdienen? Auch wenn das Menschenrecht der Gleichheit jedenfalls nicht zwingend für die politische Anpassung der Einkommensverhältnisse instrumentalisiert werden kann, hat Gleichheit im Bereich der Einkommen und Vermögen unbestreitbar eine hohe gesellschaftliche Bedeutung. „Eine zu große Kluft zwischen Arm und Reich untergräbt die Solidarität, die für eine demokratische Gesellschaft unerlässlich ist. Aufgrund der großen sozialen Ungleichheit entfernt sich die Lebenswelt der Reichen zunehmend von jener der Armen. Die Begüterten ziehen sich aus den 7 öffentlichen Orten und Diensten zurück und überlassen sie denen, die sich nichts anderes leisten können.“ (Michael Sandel, lehrt politische Philosophie an der Harvard University) Die britischen Wissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett haben 2009 (deutsche Ausgabe 2016) mit ihrem wissenschaftlichen Bestseller „Gleichheit ist Glück“ am Beispiel von 25 führenden Industrienationen und im internen Vergleich der Bundesstaaten der USA überzeugend dargelegt, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Annäherung an möglichst gleiche Einkommensverhältnisse auf der einen Seite und gesellschaftlichen Zusammenhalt und Harmonie, Volksgesundheit und reduzierter Gewaltneigung auf der anderen Seite besteht. Die Länder mit den größten Einkommensunterschieden wiesen die geringste Lebensqualität aus. Es war eine direkte Korrelation zwischen dem Grad der Ungleichheit und dem Gelingen einer Gesellschaft zu erkennen. Ungleichheit macht aus Sicht der beiden Wissenschaftler nicht nur den Einzelnen, sondern die gesamte Gesellschaft krank. Eine Egalisierung der Einkommen führe gleichzeitig zu einer Steigerung der Lebensqualität des einzelnen, und zwar auch der an der Spitze der Einkommenshierarchie Stehenden. Die soziale Rangordnung innerhalb der Gesellschaft und ihre Verarbeitung spielen bei den meisten Menschen eine erhebliche Rolle. Wir reagieren empfindlich darauf, von anderen als minderwertig, unbedeutend angesehen zu werden. Der Vermögensstatus ist in den führenden Industrienationen zum wesentlichen Kriterium in der sozialen Hierarchie geworden, wie wir einander beurteilen und begegnen. Dabei zählt vor allem der symbolische Wert von Reichtum und Besitz. Welche Waren man kauft, wird oft weniger von ihrem Gebrauchswert als von ihrer Bedeutung für Status und Identität bestimmt. Der Grad der Einkommensunterschiede hat großen Einfluss darauf, wie die Menschen miteinander umgehen. Größere materielle Unterschiede zwischen Menschen schaffen eine größere soziale Distanz. Gefühle der Überlegenheit und Unterlegenheit nehmen zu, „Vereinfacht: Größere Einkommensunterschiede machen uns zu weniger netten Menschen. Wir wachen ängstlich über unseren Status, machen uns größere Sorgen, was andere von uns denken, sind narzisstischer und eher geneigt, den Wert anderer nach ihrem äußeren Reichtum zu beurteilen.“(Richard Wilkinson und Kate Pickett) „Alle Leute gleich uns sind Wir und alle anderen die“ (Rudyard Kipling) Dass der Wunsch nach höherem Einkommen häufig weniger der Erfüllung realer Konsumsbedürfnisse entspricht, sondern überwiegend dem Wunsch nach höherem Status, zeigte ein simples Experiment: „Die Versuchspersonen sollten wählen ob sie lieber weniger wohlhabend als andere in einer reichen Gesellschaft leben möchten oder lieber mit einem deutlich niedrigeren Einkommen in einer armen Gesellschaft, dort aber besser dastehen würden als andere. Die Hälfte der Befragten erklärte, dass sie bis zu 50 % ihres derzeitigen Einkommens darangeben würden, wenn sie dafür in einer Gesellschaft leben würden, in der es ihnen besser ginge als den anderen. Das zeigt die große Bedeutung, die dem gesellschaftlichen Status beigemessen wird. Hat der Mensch erst einmal das notwendigste zum Leben, schaut er, was die anderen haben.“ (Richard Wilkinson und Kate Pickett) Wie unterschiedlich darf Einkommen sein? Ab wann lassen sich Einkommensunterschiede nicht mehr rechtfertigen? Ab dem 20, 30 oder 50- fachen Einkommen eines statistischen Normalverdieners? Die Einkommens- und Vermögensschere in Deutschland ist weit geöffnet. In keinem anderen Land der Eurozone sind die Vermögen so einseitig verteilt. Nach den Berechnungen des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung besitzen die 45 reichsten Deutschen mehr Vermögen als die Hälfte der übrigen Bevölkerung. Dafür leben 15 % der Deutschen an der Armutsgrenze. Die reichsten 10 % der Haushalte besitzen 65 % der Nettovermögen. Die Zahl der Millionäre ist in den letzten 10 Jahren um rund 60 % gestiegen. Die durchschnittliche Kaufkraft der Arbeitnehmer stagniert auf dem Niveau der frühen Neunzigerjahre. Jedes Jahr werden bei uns vierhundert Milliarden Euro vererbt mit einer durchschnittlichen steuerlichen Belastung von 2,9 %. In den USA liegt die Besteuerung bei 10 %. Dafür erhalten die CEO‘s von 365 der 9 größten US-Firmen weit über 500-mal höhere Bezüge als der Durchschnitt ihrer Mitarbeiter. In Japan und den skandinavischen Ländern besitzen die reichsten 20 % nur knapp viermal so viel wie die ärmsten 20 % der Bevölkerung. Besonders drastisch sind dagegen die Einkommensunterschiede in Singapur, den USA, Portugal und Großbritannien. Deutschland liegt nach Wilkinson/Pickett auf Platz 8 hinter Japan, den skandinavischen Ländern, Belgien und Österreich. Vielleicht ist weniger die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen das Problem, sondern unsere Programmierung darauf, Reichtum und seine Statussymbole als alleinigen Maßstab für Glück, Status und gesellschaftlicher Bedeutung zu empfinden. Solange wir nicht die Maßstäbe verändern, anhand deren wir selbst Bedeutung und Stellung des einzelnen Menschen in der Gemeinschaft einstufen, ist möglicherweise die viel zitierte Einkommens- und Vermögensschere zweitrangig. Der gesellschaftliche Bewertungsdruck nimmt bei uns zu. Aber wir bewerten nicht unsere Mitmenschen, sondern ihren materiellen Besitz. Der Nachbar ist kein netter Mensch, weil er genauso viel verdient wie ich, kein besserer, weil er in einer höheren Einkommensliga spielt als ich. Es fällt uns schwer, die Leistung einer sich liebevoll und bis zur Erschöpfung bemühenden alleinerziehenden Mutter, einer Krankenhausschwester, einer Erzieherin Wert zu schätzen, während wir den weitgehend untätigen Millionenerben allein wegen seines Wohlstandes respektieren. Versteht mich nicht falsch. Ich bin durchaus für eine Angleichung von Einkünften und Vermögen, aber ohne ein verändertes Wertesystem/Leitbild der Menschen bewirkt das nicht so wahnsinnig viel. Der noch größere SUV oder vielleicht doch eher Greta Thunberg? Solange wir selbst unverändert in Wertkategorien/Zielkategorien von Konsum, Überfluss und Gier denken und streben, anhand von Statussymbolen unseren höheren Rang, unsere Ungleichheit, zu demonstrieren suchen, ist es mit der Abschöpfung von einer Hand voll Superreichen nicht getan. Wir kopieren willig deren beschränktes Wertesystem, quer durch alle Einkommensschichten und das verschwindet nicht automatisch, weil der Staat die Superreichen etwas ärmer macht. Wir müssen uns endlich von der Vorstellung befreien, die Maximierung persönlicher Einkünfte und des hiermit ermöglichten Konsums sei ein besonders lobenswertes Ziel, geschweige denn das wichtigste überhaupt. Wir müssen die von uns empfundene soziale Rangordnung ändern. Wir müssen mit dem kapitalistischen Aberglauben brechen, dass unsere Bedeutung als Mensch, als Mitglied der Gesellschaft, ausschließlich oder überwiegend durch unsere materielle Leistungsfähigkeit und Ausstattung bestimmt wird. Wir müssen ein Unbehagen an unserem Konsumstreben, unserer Gier nach materiellen Gewinn entwickeln und die uns abhandengekommenen sozialen Werte wiederentdecken. Was den sozialen Status des Einzelnen ausmacht, bestimmen wir selbst… sobald wir dazu bereit und fähig sind. Die Parole der französischen Revolution lautete: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Brüderlichkeit drückte hierbei den Wunsch nach mehr Gegenseitigkeit und Anerkennung in den sozialen Beziehungen aus, sozialen Zusammenhalt und Solidarität, die Pflege von Freundschaften und soziales Engagement in der Gemeinschaft. Unsere geänderten Vorstellungen seit der französischen Revolution bestimmen den Wandel des politischen Gleichheitsbegriffs. Materielle Ungleichheit im Übermaß zu bekämpfen ist ein wichtiger Schritt, aber wenig wert, wenn er nicht einhergeht mit einem gesellschaftlichen Wertewandel. Um Wohlstand bemüht zu sein, um die eigene und der Familie materielle Absicherung, ist ein legitimes Ziel, aber es darf nicht alle anderen Ziele und Werte verdrängen, in Gier, Übermaß und Geringschätzung des weniger Wohlhabenden münden.
Gestern Abend diskutierten wir über ein altes, philosophisches Dilemma, das immer mehr an Aktualität gewinnt: das Trolley-Problem. Zur Einführung trug unser Redner folgenden Impulsvortrag vor:
Philosophie ist unnütz, brotlos und irgendwie unverständlich. Sie sitzt in ihrem Elfenbeinturm und erklärt sich nur noch selbst die Welt. Bei den anderen Menschen kommt davon wenig an. Das sind alles Dinge, die man immer wieder über die Philosophie zu hören bekommt. Zugegeben: Viele Philosophen bedienen sich häufig einer nur schwer verständlichen Sprache und beschäftigen sich mit Problemen, die irgendwie keine sind. In meinem Alltag spielt es beispielsweise keine Rolle, ob der Empirismus nun der einzig richtige Weg zur Wahrheitsfindung ist oder ob doch die Rationalisten Recht haben. Es ist einfach wenig hilfreich zu verstehen, was Kant mit seinem synthetischen Urteil a priori meinte, wenn ich damit beschäftigt bin ein neues Auto zu kaufen. Doch im Moment scheint es so, als ob sich mir bei meinem Autokauf in nicht allzu ferner Zukunft ein wenig Philosophie über den Weg läuft und sich mir sogar aufdrängt.
Mit dem Fortschreiten der Technologie und den immer besser funktionierenden autonom handelnden Systemen nehmen auch philosophische Fragestellungen in diesem Bereich zu. Unterschiedlichen Studien zufolge, könnte autonomes Fahren bereits ab 2030 Realität auf deutschen Straßen sein. Das bringt nicht nur rechtliche Schwierigkeiten (Stichwort: Haftbarkeit) mit sich, sondern auch moralische.
Mit der bevorstehenden Zulassung selbstfahrender Autos auf unseren Straßen müssen wir uns einem Problem stellen, das bereits 1967 von Philippa Foot formuliert wurde und in der angloamerikanischen Ethikdebatte seitdem als Trolley-Problem bekannt ist:
Stellen Sie sich vor, eine Straßenbahn rast auf fünf Menschen zu. Sie stehen daneben, hätten jedoch die Möglichkeit eine Weiche umzustellen und die Bahn umzulenken. Nun würde die Bahn umgelenkt werden. Doch wäre es kein Problem, wenn es nicht einen Haken gebe würde. Denn die Bahn würde zwar umgelenkt werden, aber auf dem anderen Gleis steht eine weitere Person. Wenn Sie die Bahn nicht umlenken, sterben fünf Menschen – tun Sie es, stirbt ein Mensch.
Würden Sie das tun, auch wenn Sie damit für diesen einen Tod verantwortlich wären?
Die meisten Menschen antworten mit Ja.
Nun gibt es eine weitere Variante: Sie stehen wieder daneben, sehen die Bahn auf die fünf Personen zurasen. Nun gibt es jedoch keine Weiche, die Sie umstellen können. Stattdessen steht neben ihnen ein stark übergewichtiger Mann, den Sie auf die Gleise stoßen könnte. Sein Gewicht würde tatsächlich ausreichen um die Bahn zu stoppen und fünf Menschen zu retten.
Würden Sie das auch tun? Die meisten Menschen lehnen dies nun interessanterweise ab, obwohl das Ergebnis dasselbe wäre. Das beweist, dass wir nicht vollkommen "konsequenzialistisch" denken - also unser moralisches Urteil über eine Handlung nicht allein an ihrem Resultat, ihren Konsequenzen ausrichten.
Die mehr oder wenige selbe Fragestellung lässt sich in verschiedenen Varianten nun auf das autonome Fahren übertragen. Um diese Fragen eben nicht nur im Elfenbeinturm zu entscheiden, läuft bereits seit dem Jahr 2016 die Online-Umfrage „Moral Machine“ am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT), an der bereits mehr als 40.000 Menschen teilgenommen haben. Ihr Ziel ist es, unsere moralischen Intuitionen anhand von dramatischen Entscheidungsszenarien zu erforschen. Ein Beispiel: Bei einem selbstfahrenden Auto versagen die Bremsen und es gibt nur zwei Möglichkeiten: Soll es gegen eine Mauer fahren, wodurch die Insassen sterben, oder soll es drei Menschen zu Tode fahren, die gerade über die Straße gehen?
Nun werden die Fragen in dem Fragenkatalog immer komplexer und man muss sich immer mehr zwischen moralischer Pest und Cholera entscheiden.
Macht es zum Beispiel einen Unterschied, wenn die Menschen regelwidrig bei Rot über die Ampel gehen? Oder wenn einer oder mehrere der Menschen ein Arzt, ein Krimineller, eine Führungskraft, ein Obdachloser, eine Schwangere, ein Kind oder gar ein Baby ist.
Die Auswertungen der bisherigen Ergebnisse zeigt, dass die meisten Menschen eher den größtmöglichen Nutzen für die größtmögliche Zahl bevorzugen. Das heißt, dass im Zweifel lieber weniger Menschen sterben sollen als viele. Dies bezeichnet man in der Philosophie als Utilitarismus.
Damit liegen sie aber glücklicherweise ganz im Trend der Vorstellung, wie denn Maschinen zu handeln haben. Ein autonomes Auto würde also – nach heutigem Stand – eher freiwillig gegen eine Mauer fahren und seine Insassen als mehrere Menschen zu überfahren. Dem Auto wäre es egal, ob sich Kinder oder ältere Menschen in ihm befinden, solange es verhindert in eine Menschenmenge zu rasen.
Befragt man die Menschen jedoch, ob sie ein Auto kaufen würden, das ein solches utilitaristisches Verhalten an den Tag lege, würden die meisten dies jedoch verneinen. Denn wonach die Studie nicht fragt, ist die Frage nach meiner Entscheidung, wenn in dem Auto MEIN Kind oder MEINE Frau oder gar ICH selbst sitzen würde. Denn, wenn mein Kind die Chance hätte zu überleben, würde ich wahrscheinlich im Zweifel das Auto lieber in einer anonymen Menschenmenge zum Stehen bringen. Diese Fragen zwingen uns leider, uns mit den Abgründen unseres eigenen Handelns auseinanderzusetzen.
Würde ich mich selbst in ein Auto setzen, das meinen eigenen Tod in Kauf nimmt, wenn es andere damit rettet? Würde ich selbst so handeln, wenn ich am Steuer sitzen würde und die volle Kontrolle hätte? Was sagt mein großer SUV, mit dem ich im Zweifel mehr Menschen überrolle, über mein Sicherheitsbedürfnis aus?
Autonomes Fahren wird die Zahl der Unfälle wahrscheinlich drastisch senken. Es ließen sich die mehr als 3.000 Verkehrstoten pro Jahr um weit über die Hälfte reduzieren, denn 88% dieser Unfälle lassen sich auf menschliches Versagen zurückführen. Konsequent zu Ende gedacht, würde autonomes Fahren sehr wahrscheinlich die Umwelt entlasten, da weniger Fahrzeuge benötigt würden. Und dennoch bleibt dieser moralische Nachgeschmack. Das Problem ist nur, dass wir nicht einfach abwarten können, was passiert und die Maschinen diese Fragen für uns lösen lassen. Denn Maschinen handeln so, wie es ihnen beigebracht wurde. Wir sind also gezwungen uns diesen moralischen Finessen zu stellen und die Karten auf den Tisch zu legen. Wir können uns nicht mehr einfach verstecken, sondern müssen Stellung beziehen.
Doch diese Fragen gelten nicht nur für selbstfahrende Autos. Sie werden in nicht mehr allzu ferner Zukunft für immer mehr Maschinen gelten, die unseren Alltag leichter gestalten sollen. Daher sollten wir uns bereits jetzt Gedanken darüber machen, welche moralische Entscheidungen wir diesen Maschinen mitgeben und welche wir heute bereits für uns treffen.
Meine Fragen lauten daher für heute Abend:
- Wie entscheiden Sie sich bereits heute in gefährlichen Situationen, wenn Sie selbst betroffen sind? Retten Sie sich oder andere?
- Wenn Sie für andere entscheiden müssten, würden Sie dem utilitaristischen Prinzip des größtmöglichen Glücks für die größtmögliche Zahl folgen?
- Gilt Ihre Antwort auch für selbstfahrende Autos?
- Welche Maschinen sollten Ihrer Meinung nach über eine moralische Entscheidungsgewalt verfügen?
Heute hielt unser Redner einen Vortrag zu den ehemaligen deutschen Kolonien in Übersee. Zunächst erfolgte eine schlaglichtartige Einführung in die Geschichte dieser Kolonien - vom Erwerb bis zum Verlust - verbunden mit der Frage, was davon denn heute noch so bleibt und wie wir mit dieser Erinnerung umgehen sollen. Dieser gemeinsame Gästeabend mit der Loge "Spectemur Agendo" war geprägt von einem spannenden Austausch über diese Fragen und der Einsicht, dass unser Handeln immer Auswirkungen hat und wir uns unserer Verantwortung stellen sollten.
Pünktlich zum neuen Jahr ist nun auch der neue Arbeitskalender für das erste Halbjahr 2019 verfügbar. Wir freuen uns auf viele spannende Veranstaltungen mit Ihnen. Den Kalender finden Sie hier.
Wir wünschen Ihnen ein frohes und gesundes neues Jahr!
Zum gestrigen Gästeabend diskutierten wir die Veränderungen durch die Digitalisierung und die Argumente für und gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen. Den Vortrag finden Sie hier zum Download und Nachlesen.
Zum gestrigen Schwesternfest, das wir gemeinsam mit den beiden anderen "Dienstagslogen" Spectemur Agendo und Tusculum veranstalteten, hielt unser Redner die folgende Rede in der er sich bemüht Antworten auf Fragen von Außenstehenden zu finden:
Die heutige weiße Arbeit gibt unseren Partnerinnen und Partnern die Möglichkeit einen kleinen Einblick in das zu geben, was wir hier eigentlich so machen, wenn wir uns Woche für Woche auf den Weg ins Logenhaus machen.
Im Zuge dessen, wirft dieser Abend einige Fragen auf. Denn Partnerinnen und Partner fragen nach. Sie stellen teilweise gar unangenehme Fragen wie: „Was ist diese Freimaurerei eigentlich?“.
Unsere, für den Außenstehenden manchmal vielleicht sogar hilflos anmutenden Erklärungen, beginnen in der Regel damit, dass wir anfangen zu erklären, dass wir uns auf die Tradition der Steinmetzbruderschaften beziehen und wir geheime Rituale verwenden. Diese Rituale sind jedoch so geheim, dass wir darüber eigentlich nichts erzählen dürfen. Sie seien aber auch so gut, weil wir eben nichts darüber sagen dürfen.
Dass damit ein neugieriger Zuhörer nicht wirklich zufriedengestellt ist, daran mag sich jeder erinnern, der selbst vor seiner Aufnahme diese Frage stellte.
Kommt es nun noch schlimmer, folgt die nächste Frage, die uns dann doch erst einmal wieder ins Taumeln versetzt: „Mit welchem Ziel tust du das eigentlich?“.
An dieser Frage bin ich damals als Suchender doch immer wieder ein wenig gescheitert. Die Antworten auf diese Frage nach dem Warum, wurde zunächst vollkommen unterschiedlich beantwortet und viele Brüder bemühten sich um kryptische Antworten. Einige scheuten sich sogar nicht, stets eingeübte Sätze wie „Wir bauen am Tempel der Humanität“ oder Zitate aus Lessings „Ernst und Falk“ von 1787 zu konsultieren.
Natürlich sind diese Aussagen nicht falsch. Doch sie sind erst so richtig zu verstehen nachdem man zum Freimaurer geworden ist. Betrachtet man es also nun nur von außen, entsteht schnell der Eindruck, wir Freimaurer würden nun etwa einmal im Monat ein sagenumwobenes Ritual durchführen und das wäre es dann. Und auch der ein oder andere Freimaurer mag sich vielleicht still und heimlich immer wieder selbst fragen, was es denn nun bringen würde und wo es denn hinführt, an seinem eigenem rauen Stein zu arbeiten.
Genau diesen Fragen möchte ich mich heute widmen. Was machen wir hier eigentlich und warum machen wir das überhaupt?
Wie hier nun vermutlich allen Anwesenden bekannt ist, entstammt die Freimaurerei also den mittelalterlichen Steinmetzbruderschaften. Diesen gehörten die Steinmetze an, die auf - zumeist kirchlichen - Großbaustellen arbeiteten.
Nun müssen wir eingestehen, dass wir heute mit diesen Steinmetzen relativ wenig zu tun haben. Doch gibt es für mich eine wichtige Gemeinsamkeit. Denn: Der einzelne Steinmetz arbeitete für sich an seinem einzelnen Werkstück. Und bei vielen dieser Bauwerke konnte dieser einzelne Steinmetz nicht einmal das Endergebnis sehen, da der Bau oftmals länger dauerte als sein eigenes Leben. Und dennoch erschuf er etwas Größeres.
Und genau dieses Größere erschaffen wir nach wie vor – nur eben nicht mehr in Form von Steinen. Es sind heutzutage eher immaterielle Dinge, die nun doch nicht zwingend unwichtiger sind. Wir Freimaurer heute erschaffen Erlebnisse, Gemeinschaft, Werte und Gegensätze.
Was genau meine ich denn nun damit?
Bereits das Aufnahmeritual ist ein Erlebnis der besonderen Art. Der Aufzunehmende – und natürlich auch die Aufzunehmende - hat im Grunde genommen keine Ahnung was an diesem Abend mit ihm passieren wird. Er gibt sich ganz und gar dem hin, was Menschen, die er meistens kaum kennt, mit ihm vorhaben. Mit verbundenen Augen – so viel darf ich heute verraten – wird er in den Tempel geführt. Mit Spannung erwartet er den nächsten Moment und das, was als nächstes Geschehen wird. Und auch alle anderen im Tempel haben Teil an dieser Zeremonie. Sie werden einbezogen und erleben ihre eigene Aufnahme noch einmal. Das gilt für die meisten Arbeiten. Jede Tempelarbeit ist damit ein Erlebnis. Ein Erlebnis, dass das Potential hat uns tief zu prägen.
Diese Erlebnisse haben bereits viele Brüder vor uns erlebt. Durch sie sind wir weltweit miteinander verbunden. Doch sind es nicht nur diese Erlebnisse in Formen von Tempelarbeiten, die uns verbinden. Durch unsere regelmäßigen Zusammenkünfte finden wir ebenfalls als eine Gemeinschaft zusammen.
Darüber hinaus reisen wir und treffen auf andere Brüder. Durch das Internet gibt es vermehrt eine globale Vernetzung mit Brüdern aus anderen Ländern. Durch das alles erschaffen wir eine weltweite Gemeinschaft und ein Gemeinschaftsgefühl.
Diese Gemeinschaft und diese Erlebnisse gibt es, zumindest in der heutigen Form, seit mehreren hundert Jahren. Wie jeder Verein mit einer solch langen Vergangenheit beruft sich die Freimaurerei gerne auf ihre Traditionen und auch ihre alten Werte: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität. Der Unterschied zu anderen Vereinen besteht jedoch darin, dass diese Werte nicht einfach nur inhaltsleer wiedergegeben werden, sondern immer und immer wieder neu diskutiert werden. Sie werden nicht einfach hingenommen, sondern sie bilden den Grundstock für viele unserer Diskussionen. Ein jeder Maurer ist herausgefordert, diese Werte für sich zu definieren und zu leben. Daher ist es für mich nicht ein bloßes Hochhalten von Werten, sondern durch die stete Auseinandersetzung mit diesen Begrifflichkeiten, entstehen neue Werte. Zwar mag es für diese Werte noch keine Worte geben oder sie lassen sich den Oberbegriffen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität unterordnen, doch werden jederzeit neue Aspekte erschaffen, die dieses große Puzzle ergänzen.
Wie manch einer nun bereits erahnt, sind die meisten Freimaurer sehr diskussionsfreudig. Um diesen „Diskussionsdurst“ zu stillen, widmen wir uns in nahezu jeder Veranstaltung einem diskussionswürdigen Punkt. Es finden ein öffentlicher Gästeabend statt bei dem fleißig mit Außenstehenden und untereinander diskutiert wird, ein Abend zum brüderlichen oder schwesterlichen Austausch bei dem nur innerhalb der Bauhütte diskutiert wird und eine Tempelarbeit bei der der Redner mit seinem Vortrag möglichst Anlass für Diskussionen gibt.
Diese Veranstaltungen finden sich so in jedem Kalender der hier anwesenden Logen. Diskussionen und Gespräche sind demnach einer der zentralen Punkte der Freimaurerei. Eine gute Diskussion hat es aber nun einmal an sich, dass mehrere Personen unterschiedliche Ansichten vertreten. Sonst wäre die Diskussion schnell beendet und auch nicht besonders interessant. Dadurch, dass wir uns immer wieder Themen widmen, die unterschiedliche Meinungen hervorrufen, erschaffen wir permanent und mit vollem Bewusstsein Gegensätze.
Viele Menschen tun sich schwer damit genau das zu tun. Sie gehen ihrem Alltag nach und vergessen alles andere um sich herum. Ihre Komfortzone wird nicht verlassen. Doch genau das sollten wir immer wieder tun um uns weiterentwickeln zu können. Indem wir uns bemühen, immer und immer wieder diese Gegensätze zu erschaffen - und sie sogar auszuhalten - kann es uns gelingen, dass wir unseren Horizont erweitern.
Und gerade deswegen müssen wir verstehen, dass nicht alle Menschen diesen Weg einschlagen wollen. Wir müssen begreifen, dass die Freimaurer kein elitärer Haufen voller intellektueller Denker sind, die etwas besseres sein wollen. Nein, es sind Menschen. Menschen voller Fehler und voller Zweifel. Menschen, die anderen Menschen in nichts nachstehen und genau wie sie auf einer langen Suche sind. Nur mit diesem Verständnis können wir wahre Menschlichkeit erschaffen und sie leben.
Manchmal verliert man dieses Ziel ein wenig aus den Augen. Manchmal fragt man sich, was diese ganzen Diskussionen, die Tempelarbeiten und die ganze Arbeit bringen sollen. Denken wir an den Steinmetz zurück, der Tag für Tag seiner Arbeit nachging und das fertige Gebäude niemals sehen konnte. So erscheint es mir als müssten wir gar nicht immer sehen was am Ende daraus wird. Viel wichtiger ist es, bei der Sache zu bleiben und sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Diese Arbeit gelingt uns jedoch nur, wenn unsere Brüder, unsere Schwestern und unsere Partner an unserer Seite stehen. Daher gilt mein aufrichtiger Dank heute allen, die einen Freimaurer oder eine Freimaurerin an ihrer Seite haben und ihre Wege mit ihnen gehen.
Sie fordern und fördern uns – und leisten damit einen immensen Beitrag bei der Erschaffung von Erlebnissen, Gemeinschaft, Werten und Gegensätzen.
Ab sofort ist unser Arbeitskalender nun zum Herunterladen verfügbar. Wir freuen uns Sie auf einer unserer Veranstaltungen begrüßen zu dürfen. Auch dieses Halbjahr erwarten Sie und uns viele spannende Vorträge und Tempelarbeiten. Alles weitere dazu finden Sie hier.
Am vergangenen Dienstag, hielt einer unserer Bruder einen spontanen Vortrag, den wir Ihnen nicht vorenthalten wollen:
Erinnert ihr Euch noch daran? Am 14.06.2017 starben in London im Grenfell Tower, einem öffentlich geförderten Hochhaus mit Sozialwohnungen 80 Bewohner. Die größte Feuerkatastrophe der Nachkriegszeit in England wurde verursacht durch eine preisoptimierte, leicht entflammbare Fassadenverkleidung und massive Verstöße gegen Brandschutzbestimmungen. Der Hochhausbrand war für viele ein Symbol, das blitzlichtartig die Spaltung der britischen Gesellschaft erleuchtete, ein Symbol dafür, dass hier etwas zutiefst falsch, ganz und gar aus dem Ruder gelaufen ist. Kurzfristig wurde ein Schleier weggezogen durch den Turm der Schande, bis andere Katastrophen, zumeist in anderen und beruhigend fernen Ländern, ihn wieder in das Dunkel der Vergessenheit zurückgestoßen haben. Ein Symbol dafür, dass allen verfassungsrechtlichen Gleichheitsbeteuerungen zum Trotz der Profit und begüterte Eliten in vielerlei Hinsicht Vorrang vor den Bedürftigen haben, auch wenn es umso elementare Dinge wie Leben und Tod geht. Wir erleben eine wachsende gesellschaftliche Polarisierung, empfinden ein Unbehagen, das allzu offensichtlich von der Politik nicht wirklich geteilt, zumindest nicht als drängend empfunden wird. Der Lyriker Ben Okri hat über Grenfell Tower und wofür er steht, eine sehr berührendes, ein sehr politisches Gedicht geschrieben. Ich möchte daraus zitieren:
„Wenn ihr sehen wollt, wie die Armen sterben, kommt und seht den Grenfell Tower…
Die Armen, die dachten, für die Reichen zu stimmen, würde sie retten…
Manchmal braucht es ein Bild, um eine Nation aufzuwecken aus seiner geheimen Schande…
Sie starben nicht, als sie starben; ihr Tod geschah schon lange zuvor.
Er geschah in den Köpfen der Menschen, die sie nie gesehen haben.
Er geschah in den Gewinnspannen. Er passierte in den Gesetzen. Sie sind gestorben, damit Geld gerettet und gemacht werden konnte…
Sie nannten den Turm hässlich; sie nannten ihn einen Schandfleck, rund um die schönen Menschen in ihren schönen Häusern. Sie wollten nicht, dass der hässliche Turm ihre Hauspreise ruiniert…
Da ist überall Verkleidung. Politische Verkleidung, wirtschaftliche Verkleidung, intellektuelle Verkleidung. Dinge, die gut aussehen, aber ohne Zentrum, ohne Herz, nur moralische Polsterung. Sie sagen die Worte, aber die Worte sind hohl. Sie machen die Gesten und die Gesten sind flach. Ihr Körper kommt zum verbrannten Turm, aber ihre Seelen folgen nicht.“
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit sind die Leitsprüche der französischen Revolution und irgendwie auch die der Freimaurerei. Kaum ein Begriff hat einen so hohen idealen Wert in demokratischen Gesellschaften, wie die Gleichheit. Sie gilt als eine wesentliche Bedingung für Gerechtigkeit. Kaum ein anderer Begriff erweckt so hohe Erwartungen und wird gleichzeitig so restriktiv und eng, wie so ausufernd und omnipräsent verstanden, dass er letztendlich unbestimmt und schwierig handhabbar gerät, ein unscharfer Abglanz seiner verfassungsrechtlichen Bedeutung. Was hat das alles mit Grenfell zu tun? Grenfell ist ein Symbol dafür, dass der aufgeklärte Mensch dem Postulat von Gleichheit und Gerechtigkeit zwar grundsätzlich zustimmt, unsere Lebenswirklichkeit aber unübersehbar in vielen Bereichen im Widerspruch zu diesen Idealen steht, man den Eindruck gewinnen kann, vielleicht sogar muss, dass sich seit der französischen Revolution nur die Träger von Reichtum, Überfluss und politischer Macht geändert haben, nicht aber das jahrtausendealte System der Ungleichheit und der Ungerechtigkeit. Gerne zitieren wir die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen. Jeder hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand. Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.“ Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren? An welcher Würde? An welchen Rechten? Beginnt und endet die Menschenwürde zugleich beim Regelsatz von Hartz IV? Gleichheit vor dem Gesetz? Gilt dies wirklich gleichermaßen für jeden x-beliebigen Bürger wie für VW und Daimler-Benz? Gleiche politische Mitsprache? Beginnt und endet die damit, dass alle gleichermaßen im 4-jährigen Turnus ihr Kreuzchen auf dem Wahlzettel machen dürfen? Chancengleichheit? Hat das Kind aus prekären sozialen Verhältnissen wirklich den gleichen Zugang zu Bildung und einem erfüllten Berufsleben? Gleiches Recht auf Leben, auf Gesundheit? Für Kassenpatienten wie für private? Jahr für Jahr nehmen wir die jeweils aktuelle Forbes Liste zur Kenntnis, als gleichzeitig voyeuristisches und banales Symbol für die Ungleichheit bei der Verteilung von Wohlstand und Vermögen auf dieser Welt. Amazon Chef Jeff Bezos hat mit 112 Milliarden $ endlich den Olymp erstiegen, der bedauernswerte Bill Gates muss sich mit mageren 90 Milliarden $ auf dem 2. Platz begnügen. Der Durchschnittslohn in Deutschland im Jahr 2017 lag bei monatlich 3092 €, in Russland bei rund 600 €, in Bulgarien bei 436 €. Der Regelsatz nach dem Sozialgesetzbuch liegt bei 416 € (zuzüglich Kosten für eine angemessene Unterkunft). Der gesetzliche Mindestlohn in Russland liegt bei 123 €. Wir reden nicht wirklich über Gleichheit und Gerechtigkeit, über Möglichkeiten und Wege zu einer Annäherung. Wir üben uns in spontan zur Schau gestellter Betroffenheit, wenn wir mit Bildern wie dem Grenfell Tower konfrontiert werden, aber dann gibt es auch schon wieder die nächsten erschütternden Bilder, die nächste Ablenkung. Unsere Politiker biedern sich bei den systemrelevanten Großunternehmen und den Superreichen an, an deren Katzentischchen sie hin und wieder sitzen dürfen, und werden dafür noch nicht einmal gescholten, denn uns geht es ja gut, um ein Vielfaches besser jedenfalls als denen in Russland und Bulgarien. Und schließlich … wenn wir uns den Themen von Gleichheit und Gerechtigkeit ernsthaft widmen würden, würden sich dann all die Wohlstandsgaranten unserer Gesellschaft nicht innerhalb der schönen neuen grenzenlosen globalisierten Welt in andere, wirtschaftsliberaler ausgerichtete Länder verziehen und würden uns dem sozialen Niedergang andienen. Drohung mit Liebesentzug in Form von Standortverlagerung. Game out! Kann uns das wirklich befriedigen, wollen wir wirklich so leben, als Menschheit, selbst wenn wir uns persönlich, als Individuen, in einer Komfortzone eingerichtet haben? Wollen wir weiter unsere Ideale zu Jubiläen und Festreden hochleben lassen und dann schnell wieder wegschließen? Sie eher als naive Träume begraben, denn als erstrebenswerte Ziele leben? Diese Fragen muss sich jeder von uns stellen lassen, sowohl der junge Suchende, mit vielleicht brennenden Wunsch nach einer Verbesserung unserer Welt, als auch der möglicherweise in die Jahre der Resignation gekommene, sogenannte erfahrene Bruder: Was fangen wir Freimaurer mit unseren hochgelobten Idealen an? Und damit schließt sich der Kreis zum Grenfell Tower. Wie fasse ich den amorphen Begriff der Gleichheit? Das beginnt schon damit, dass ich mich darauf verständigen muss, ob ich Gleichheit national oder global verstehe. Sinnvollerweise werde ich Gleichheit an den Möglichkeiten des einzelnen Staates messen müssen, denn wie will ich die sozialen und wirtschaftlichen Elemente, die im Gleichheitsbegriff enthalten sind, vereinheitlichen, ungeachtet des unterschiedlichen Wohlstandes oder der unterschiedlichen Not im jeweiligen Land. Die größte Schwierigkeit ist aber die Frage danach, wo das menschenrechtliche Postulat der Gleichheit beginnt und wo es endet, enden muss. Man wird sich darauf verständigen können, dass die Vermeidung existenzieller Not, von Obdachlosigkeit, Hunger und Ausschluss von jedweder Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zum Gleichheitsgebot zählt. Jedenfalls in einem modernen Wohlfahrtsstaat. Existenzielle Not wäre aber abzugrenzen von Armut, und wie man Armut definiert, wird politisch sehr flexibel gehandhabt. Gehört überhaupt die Vermeidung von Armut zu einer Geburt gleich an Würde und Rechten? Fragwürdiger schon ist die Gleichheit vor dem Gesetz, die zwar normativ festgelegt ist, aber nicht immer zu gelten scheint, etwa für Banken oder Unternehmen, die eine systemrelevante Größe erreicht haben. Gleiche Beteiligung an der politischen Meinungsbildung. One man - one vote alle 4 Jahre auf dem Wahlzettel, und das war es dann? AFD inklusive? Sicher gesetzt scheint die gleiche Inhaberschaft der Grundrechte (Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit), wobei mancher den Islam ausklammern mag, denn irgendwie passt er doch eher weniger zu Deutschland als alle anderen Religionen?. Gleiche Chancen auf Bildung und berufliche Entwicklung. Was ist, wenn eine Elite sich dem allgemeinen Schul- und Bildungswesen entzieht und sich in Reservaten privatfinanzierter Einrichtungen ihre eigene Chancengleichheit sucht? Wo man nicht mit baufälligen Gebäuden, desillusionierten Personal und dem nicht im Lehrplan gestandenen Erfordernis konfrontiert ist, zu integrieren was nach Herkunft, Kultur, Sprache und Wertesystem weder selbstverständlich noch einfach kompatibel ist. Gleiche Chancen auf Leben und Gesundheit? Mindestvoraussetzung, die Krankenversicherung für jedermann. Darüber hinaus viele Fragen. Darf ein Staat hinnehmen, dass privat Krankenversicherte nicht nur Vorteile bei der Terminsvergabe in unserem Gesundheitssystem genießen, sondern auch Vorteile bei der Qualität der medizinischen Versorgung, wobei man generell auch schon die Geschwindigkeit des Zugangs zur Versorgung als wesentliches Qualitätsmerkmal ansehen muss. Wenn der Privatpatient eine sehr zeitnahe Aufmerksamkeit erwarten kann, sobald ihn eine wie auch immer geartete Beschwerde beunruhigt, muss sich der gesetzlich Krankenversicherte nicht selten noch einige Wochen, zum Teil auch Monate gedulden. Bei der letzten Grippewelle wurde offenbar, dass die Kosten für hochwertige und allein erfolgversprechende Impfstoffe nur von privaten Krankenversicherungen übernommen wurden, von den gesetzlichen Kassen indessen nicht freigegeben waren. Gleichheit schließt nicht aus, dass derjenige, der tüchtiger ist, mehr als andere zum Gemeinwohl beiträgt oder auch nur zu seinem und seiner Familie Wohlstand, einen Anspruch auf höhere Belohnung hat, soweit dies in einem angemessenen Maß geschieht, aber genau das ist das Problem. Der Mensch hat die Anlage zur Gier, zur Maßlosigkeit. Es genügt nicht, dass es ihm gut geht, er will mehr, er will reich sein, nicht nur reich, sondern superreich, so dass er und seine Nachfahren ein für alle Mal dem Erfordernis entzogen sind, etwas zu leisten, um eine Entlohnung zu verdienen. Das Ideal, dass viele Gleiche gemeinsam, zielstrebig und mit Fleiß an der Verbesserung ihrer gemeinsamen Zukunft wirken, ist eben nur ein solches: ein Ideal. Es gibt Gleiche, die sich dem Mitwirken, der Leistung, gänzlich entziehen, sich darauf beschränken, von der Solidarität der anderen zu leben, ohne sich über irgendeine Gegenleistung hierfür auch nur Gedanken zu machen. Es gibt Gleiche, die durchaus an der Verbesserung arbeiten, aber nicht zum gemeinen Wohl, sondern ausschließlich ihrem ganz persönlichen, deren Ziel es ist, möglichst Ungleich zu werden, sich durch besonderen Wohlstand von ihresgleichen zu unterscheidenDer Tüchtige, der Leistungen in der und für die Gesellschaft erbringt, darf der nicht eine höhere Entlohnung und sonstige Wertschätzung erwarten als derjenige, dem die laufenden staatlichen Transferleistungen völlig ausreichen, zumal, wenn man sie durch gelegentliche Schwarzarbeit nach Lust und Laune aufbessern kann? Muss nicht eine Gesellschaft, die Fortschritt wünscht, sich weiter entwickeln möchte, geradezu dafür sorgen, dass ein ausreichender Antrieb für die Leistungsträger gesichert ist? Wie aber bewerte ich Leistung, die man in ein wie auch immer geartetes Verhältnis zur Gegenleistung setzen muss? Was ist mit dem Arzt und der Pflegekraft, dem Lehrer und dem Kindergärtner, dem Fußballer und dem Lagerarbeiter? Was ist mit dem, der sich nicht freiwillig der Leistung verweigert, sondern durch Krankheit und Gebrechlichkeit oder mangelnde Bildung zu Leistung gar nicht imstande ist? Was ist mit dem Recht auf Freiheit, auf Eigentum, das eben auch die Möglichkeit einschließt, aus meinen wirtschaftlichen Möglichkeiten in jedweder Hinsicht eine Steigerung meiner Lebensqualität zu bewirken. Bessere Wohnqualität, bessere Bildung, bessere Gesundheitsversorgung, ein längeres Leben? Man kann sein Geld auch unvernünftiger ausgeben und es ist doch nun einmal meines! Fragen über Fragen, die eine hohe politische Brisanz haben, deren Beantwortung das Potenzial zu massiven Systemveränderungen hätte. Ich kann sie nicht beantworten, ich sehe aber auch nicht die Bereitschaft der Politik, der Gesellschaft, der Kreativen und der Intelligenten, sich mit diesen Fragen überhaupt, geschweige denn ernsthaft, auseinanderzusetzen, denn eine am Gleichheitsideal orientierte Lösung bedeutet fast sicher eine Verschlechterung der Verhältnisse derjenigen, die von unserem derzeitigen System besonders profitieren. Dieser Vortrag soll und kann keine Lösung sein. Er soll ein Impuls sein, uns mit den angesprochenen Fragen zu Gleichheit und Gerechtigkeit und vielen weiteren zu befassen, offen und diskursiv, jeder nach seiner persönlichen, eher ethisch bestimmten oder ganz praktikablen Ausrichtung und Erfahrung.
Von Europa hört man viel.
Europa ist wichtig, stark und freiheitlich, aber manchmal doch überflüssig, klein und bevormundend. Je nach Lesart ändert sich das Vokabular und die damit einhergehende Zuschreibung.
Der aktuelle Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD trägt den Titel: „Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland. Ein neuer Zusammenhalt für unser Land“. Europa scheint für unsere Bundesregierung einen sehr großen Stellenwert zu haben. Die Briten hingegen sahen Europa schon immer etwas kritischer, was sich nicht zuletzt im Brexit ausdrückt.
Bei all diesen verschiedenen Positionen, lohnt es daher einmal einen Blick auf dieses Europa zu werfen. Dafür werden wir uns zunächst den Ist-Zustand ansehen um am Ende gemeinsam zu überlegen, was Europa denn vielleicht werden könnte.
Beginnen wir also mit einer kleinen - und sicherlich nicht vollständigen Bestandsaufnahme - und stellen die Frage: Was ist Europa heute?
Die einfachste Antwort darauf lautet: Europa ist ein Erdteil.
Bleibt man jedoch weiter bei der geographischen Beschreibung, wird es schon etwas schwieriger. Denn Europa ist ein Erdteil, der sich über das westliche Fünftel der eurasischen Landmasse erstreckt. Obwohl dieser Erdteil geographisch gesehen ein Subkontinent ist, der mit Asien zusammen den gesamten Kontinent Eurasien bildet, wird es historisch und kulturell begründet meist als eigenständiger Kontinent betrachtet. Hier lässt sich bereits vermuten, dass sich hinter der Begriffen „historisch“ und „kulturell“ durchaus weitreichendere Aspekte verbergen, die Europa als ein komplexes Phänomen erscheinen lassen. Dies wird ebenfalls deutlich, versucht man eine natürliche Grenze zu finden, die Europa vom asiatischen Teil des Kontinents trennt. Denn es gibt keine völkerrechtliche Definition einer solchen Grenze. Heute folgt man bei der Grenzziehung zwischen Europa und Asien zwar üblicherweise weitgehend der Definition von Philip Johan von Strahlenberg aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, dennoch existieren bis zu fünf andere Modelle der innereurasischen Grenze. Auch eine Ziehung von Grenzen unter kulturanthropologischen Gesichtspunkten ist nicht eindeutig, da sie sich auf das römisch-griechische und christliche Erbe bezieht und einen Teil der Länder wieder ausschließt, die geographisch zu Europa gehören würden. Ebenfalls ist eine sprachliche Trennung kaum möglich, da in diesem Gebiet von etwa 10 Millionen Quadratkilometern ca. 200 verschiedene Sprache und Dialekte gesprochen werden. Und selbst historisch gesehen gehen die europäischen Sprachen hauptsächlich auf zwei Sprachfamilien zurück - nämlich die indogermanischen Sprachen und die uralischen Sprachen.
Europa ist demnach vielfältig und voller unterschiedlichster Traditionen und Kulturen. Es ist ein riesiger Flickenteppich voller unterschiedlichster Länder, die sich immer wieder neu definiert und verändert haben. Auch der Blick in die Geschichte zeigt, dass Europa eine Idee ist, deren Grenzen jederzeit neu ausgehandelt worden sind und deren Vorstellungen immer wieder eine Rückschau auf nicht zwangsläufig real existierende Grenzen der Vergangenheit gestützt wurden.
In heutigen Europa leben derzeit etwa 700 Millionen Menschen in 46 souveränen Staaten. Die größten Metropolen in diesem weitläufigen und vielfältigen Gebiet sind Moskau mit 10,4 Millionen Einwohnern, London mit 7,4 Millionen und Istanbul mit 6,9 Millionen Einwohnern. Erst auf dem fünften Platz folgt Berlin mit etwa 3,6 Millionen Einwohnern.
Von diesen 46 Staaten haben sich mittlerweile 28 zur Europäischen Union zusammengetan. Häufig, wenn wir über Europa sprechen, sprechen wir von dieser Europäischen Union – wobei wir viele große europäische Staaten außer Acht lassen. Aber auch mit diesen 28 Staaten wird es kompliziert, eine Einheit zu beschreiben. Es sind 28 Staaten mit unterschiedlicher Geschichte, mit verschiedenen Stärken und Schwächen, mit divergierenden Interessen und einer Bevölkerung von insgesamt über 500 Millionen Menschen, die in 24 Amtssprachen (und vielen weiteren Sprachen) miteinander kommunizieren.
Dieser Staatenverbund prägt unser aller Leben nun bereits seit mehreren Jahrzehnten. Die EU bestimmt Verbraucherschutz- und Umweltrichtlinien, sie reguliert den europäischen Export sowie den Binnenmarkt und hat nicht zuletzt eine eigene Währung, die in 18 EU-Staaten verwendet wird.
Dem ehemaligen Leiter der Europäischen Akademie, Prof. Dr. Eckart Stratenschulte, zufolge ist die Europäische Union „die größte Erfolgsgeschichte des vergangenen Jahrhunderts“, denn alle ihre „ursprünglichen Ziele, die sich die Union bei ihrer Gründung gesteckt hatte, sind mittlerweile erfüllt: Der Frieden unter den Mitgliedstaaten ist gesichert, Europa ist wieder aufgebaut, der Kalte Krieg ist überwunden und die Teilung des Kontinents ist es im Wesentlichen auch“[1].
Das Erreichen dieser Ziele macht die EU nun eigentlich hinfällig. Und auch der riesige Bürokratieapparat mit den teils schwer verständlichen Funktionen und seinen langgezogenen Entscheidungsprozessen vermittelt bei manchem nicht gerade einen sympathischen Eindruck. Ebenso wenig wie die Beiträge, die die einzelnen Mitgliedsstaaten aufbringen und die solidarisch allen zugutekommen. Im Jahr 2016 zahlte Deutschland 21,28 Milliarden Euro ein. Damit führt Deutschland die Liste der Meistzahler an, dicht gefolgt von Frankreich. Sogar der Ausstiegs-Kandidat Großbritannien zahlte „nur“ 13,46 Miliarden Euro - immerhin eine Milliarde weniger als Italien.[2] Betrachtet man nun den Rückfluss im Vergleich zum Beitrag, ergibt sich für Deutschland ein Minus von 10,99 Milliarden Euro.[3]
Dieses Minus ist für viele ein Grund einen Schritt in Richtung „Weniger Europa“ machen zu wollen. Die Briten beschreiten diesen Weg bereits radikal und vollziehen den Austritt aus der Europäischen Union am 29. März 2019 um 23 Uhr britischer Zeit. Ein weiterer Grund dafür war ein sich ausbreitender Nationalpopulismus wie man ihn derzeit in vielen Ländern beobachten kann. Dieser hat seinen Ursprung auch in der Angst vor dem Verlust der eigenen Identität. Doch der Weg zurück in den Nationalstaat bringt nur vermeintlich eine Lösung. Es hilft nämlich nichts, wenn ein nationales Parlament alles bestimmen, aber wegen der internationalen Rahmenbedingungen letztendlich nichts entscheiden kann. Die Festlegungen müssen nämlich auf der Ebene getroffen werden, auf der es überhaupt Handlungsmöglichkeiten gibt - und das ist der Nationalstaat oftmals schon nicht mehr, da gerade Unternehmen auf europäischer und internationaler Ebene agieren. Mehr Nationalstaat bedeutet auch immer weniger Internationalität auf wirtschaftlicher Ebene, was wiederum in einer globalisierten Welt Schwierigkeiten mit sich bringt.
Wo geht es also hin mit Europa du der Europäischen Union? Wo liegen ihre Aufgaben in der heutigen Welt? Welche Zukunft muss sie gestalten?
Die Europäische Union hat im 20. Jahrhundert erfolgreich den zwischenstaatlichen Frieden gesichert, sie steht jetzt in Zeiten der weltweiten Konkurrenz vor der Aufgabe, den sozialen Frieden zu gewährleisten. Meinungsumfragen zeigen, dass es die sozialen Probleme sind, die die Menschen in Europa zurzeit besonders beschäftigten. Tatsächlich öffnet sich – auch in reichen Ländern wie Deutschland – die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter. In den südlichen Mitgliedstaaten der EU gibt es Arbeitslosenzahlen von deutlich über 20 Prozent, und gerade für junge Leute sieht es oft noch schlimmer aus. Einer ganzen Generation droht die Zukunft abhanden zu kommen. Wie kann die EU hier Abhilfe schaffen?
In der Vergangenheit bestand der Erfolg der europäischen Integration vor allem darin, dass Grenzen abgebaut und hinderliche Regelungen abgeschafft wurden. So ist der größte Binnenmarkt der Welt entstanden, ein enormer Erfolg. Aber diejenigen, die auf diesem Markt nicht mehr benötigt werden, haben wenig davon, dass es im Supermarkt 200 Käsesorten aus ganz Europa gibt. Die „Europäisierung“ des Arbeitsmarktes schafft einen Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt, der Landesgrenzen bewusst ignoriert. Was kann die EU hier tun?
Dazu kommt: Die Europäische Union war immer auf das ganze Europa angelegt, das geht aus den Gründungsverträgen hervor. Die EU verhandelt immer mal wieder mit der Türkei, Serbien könnte 2020 beitreten und auch Montenegro ist ein Beitrittskandidat. Weitere Länder wie Albanien, Mazedonien, Bosnien und Heregowina sowie der Kosovo klopfen an die Tür. Welche Auswirkungen hat das auf den Arbeitsmarkt? Was bedeutet das auch für die Ost-Politik mit Russland? Was bedeutet das auch für die Integration?
Es sind viele Fragen, die sich die EU – und damit auch Europa – stellen lassen muss. Wirklich visionäre Antworten tauchen in der öffentlichen Debatte über Europa jedoch kaum auf. Meiner Meinung nach ein entscheidender Grund für dieses Desinteresse ist darin zu suchen, dass viele Menschen in Europa mehr eine Wirtschaftsgemeinschaft oder ein Bürokratiemonster sehen als eine Vision. Denn die Teilhabe an der Europäischen Union beschränkt sich auf die Teilnahme an den Wahlen für das Europäische Parlament. Und hierbei lag die Wahlbeteiligung 2014 bei gerade einmal 42,52% im europäischen Durchschnitt, woran sich Deutschland mit 47,9% beteiligte. Wer soll also eine Volksvertretung respektieren, die vom Volk selbst nicht ernst genommen wird?
Ein starkes Europa im 21. Jahrhundert wird es nur geben, wenn die Bürgerinnen und Bürger das wollen. Man kann den Verdruss über zu viel Einmischung aus Brüssel und zu wenig Mitsprache in europäischen Angelegenheiten nicht einfach bürokratisch verschleifen - nach dem Motto: "Lass die Leute doch murren, wir machen einfach weiter!"
Die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union müssen sich nach den Erfolgen der EU in den letzten 60 Jahren neu darüber verständigen, was sie mit dieser Union anfangen wollen. Man könnte etwas überspitzt sagen: Die EU muss sich neu begründen.
Jetzt geht es darum, neue Regelungen zu schaffen, die verhindern, dass ein Teil der Bevölkerung abgehängt wird. Die Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten werden die Europäische Union auch daran messen, ob es ihr gelingt, diesen Trend umzukehren. Sie werden ihr dann allerdings auch die notwendigen Vollmachten geben müssen. Das verträgt sich schlecht mit dem Modell, der EU im Gegenteil Kompetenzen wieder zu entziehen. Für eines von beiden müssen die Mitgliedstaaten und ihre Bürger sich entscheiden.
Damit stellt sich für die EU eine wirklich entscheidende Frage: Wie kann es gelingen, die Bürgerinnen und Bürger stärker an den Entscheidungsprozessen in Europa zu beteiligen und ihnen damit auch deutlicher das Gefühl zu geben, die Träger der europäischen Integration zu sein?
Die Stärkung des Europäischen Parlaments, die durch den Lissabonner Vertrag erfolgte, ist sicherlich ein wesentlicher Schritt vorwärts, aber sie ist kein Allheilmittel – und schon gar nicht, wenn weniger als 50 Prozent der Bürger überhaupt an den Wahlen teilnehmen. Nur wenn es gelingt, "Europa" stärker in die nationalen Diskurse zu tragen, es zu einem wichtigen Diskussionspunkt auf der Agenda von Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Bürgerinitiativen zu machen, wenn es möglich wird, Entscheidungen der europäischen Ebene nicht nur zu erfahren, wenn sie gefallen sind, sondern sie in ihrer Entstehung zu beeinflussen, wird das Europa der Bürger Wirklichkeit. Dieses neue europäische Demokratiemodell, das es noch zu entwickeln gilt, wird man sich als Mosaik vorstellen müssen, das aus vielen unterschiedlichen Teilen besteht. Es setzt aber ein stärkeres Engagement zu Hause voraus, das man auch wollen muss.
Das soziale Europa, das offene Europa, das Europa der Bürger – das sind drei Schlagworte für den europäischen Zukunftsdiskurs. Dabei ist vieles noch nicht angesprochen, was ebenfalls eine Rolle spielt: Europas Anstrengungen zum Klimaschutz und seine Fähigkeit und Bereitschaft, die anderen großen Länder dieser Welt auf dem ökologischen Weg mitzunehmen; die Offenheit gegenüber Flüchtlingen und die Regelung der Migration, die viele nicht wollen, aber alle brauchen, wenn wir unseren Lebensstandard halten wollen; der Schutz der Bürgerrechte in Zeiten der technisch möglichen Totalüberwachung; die Sicherung des Friedens außerhalb der Grenzen der Union – das sind nur einige Stichworte.
Wie bereits angemerkt, kommen jedoch wenig visionäre Ideen für ein solches Europa der Zukunft. Es ist ein Thema an dem man sich im Wahlkampf auch gerne mal die Finger verbrennen kann.
Einer der wenigen, der sich dennoch vehement für ein stärkeres Europa einsetzt ist der französische Präsident Emmanuel Macron. Inwieweit seine Motive dafür ehrenhaft sind, möchte ich heute erst einmal Beiseite schieben und lieber den Fokus auf seine Ideen legen:
Macron will die Integration der Europäischen Union vertiefen. Derzeit sei die EU "zu langsam, zu schwach, zu ineffizient", sagte Macron an der Pariser Universität Sorbonne Ende letzten Jahres. Nur ein starkes Europa könne sich den Herausforderungen einer globalisierten Welt stellen. In welchen Politikbereichen er Reformen anstoßen will, hat Macron in einer Grundsatzrede vorgestellt.
Die nächsten Europawahlen sind 2019. Bis dahin will Macron, dass die Hälfte der EU-Abgeordneten über länderübergreifende Listen gewählt wird. "Wir müssen das europäische Projekt für die Menschen und mit den Menschen neu begründen", sagte er. Die EU-Kommission soll auf 15 Kommissare beschränkt werden – einer pro Mitgliedsstaat. Derzeit sind es noch 28.
Macron hofft, dass nach der Reform der EU auch Großbritannien in die Gemeinschaft zurückkehren könnte. In dieser neu ausgerichteten Union könne das Vereinigte Königreich, wenn es wolle, in einigen Jahren seinen Platz finden, sagte er. Grundsätzlich sprach sich Macron in seiner Rede für ein Europa aus, in dem manche Länder bei der Integration voranschreiten können, ohne dass alle anderen mitziehen müssen.
Mit Deutschland will Frankreichs Staatspräsident in Zukunft eine noch engere Partnerschaft eingehen. Vorstellbar sei, bis 2024 "unsere Märkte vollständig zu integrieren" – mit denselben Regeln für Unternehmen in Frankreich und Deutschland, sagte Macron.
Auch in Sachen Verteidigung hat Macron eine klare Vorstellung: Es solle ein europäisches Verteidigungsbudget und eine gemeinsame Eingreiftruppe geben. Zu Beginn des kommenden Jahrzehnts soll sie einsatzbereit sein. Europa solle dann auch eine gemeinsame Verteidigungsstrategie besitzen. Die nationalen Armeen der Mitgliedstaaten sollten freiwillig Soldaten aus allen anderen europäischen Ländern aufnehmen.
Um Terrorismus in der EU besser zu bekämpfen, will Macron die Einrichtung der europäischen Staatsanwaltschaft vorantreiben. Geplant ist sie schon lang, die Umsetzung steht noch aus. Außerdem forderte er eine Geheimdienstakademie für die EU. Um die Staaten der Gemeinschaft besser gegen Naturkatastrophen wie Erdbeben und Waldbrände zu wappnen, schlug Macron einen gemeinsamen Katastrophenschutz vor.
In Bezug auf die Asylpolitik, schlägt Frankreichs Präsident eine europäische Asylbehörde vor um schneller über die Anträge von Flüchtlingen entscheiden zu können. Außerdem müssten die Einwanderungsgesetze harmonisiert und die EU-Außengrenzen besser geschützt werden. Dazu sei eine europäische Grenzpolizei notwendig. Um die Zuwanderung besser steuern zu können, solle es EU-weite Ausweise geben. Macron warnte jedoch auch vor den Gefahren eines zuwandererfeindlichen Nationalismus. Dieser verstoße gegen die Prinzipien eines gemeinsamen Europas, die aus der Tragödie zweier Weltkriege entstanden seien. "Wir dachten, die Vergangenheit kehre nicht zurück", sagte er. Doch isolationistische Einstellungen seien wieder aufgetaucht, "weil wir vergessen haben, Europa zu verteidigen".
Macron warb für einen neuen Anlauf für eine Finanztransaktionssteuer für alle EU-Mitglieder. Eine Finanztransaktionssteuer auf Börsengeschäfte war erst weltweit und dann 2013 auf gesamteuropäischer Ebene gescheitert. Die Einnahmen sollten für die Entwicklungshilfe verwendet werden.
Die Eurozone mit 19 Ländern solle ein eigenes Budget bekommen, forderte Macron. "Wir brauchen ein gestärktes Budget im Herzen von Europa, im Herzen der Eurozone", sagte er. Außerdem will er einen Eurozonen-Finanzminister unter demokratischer Kontrolle einsetzen. Man müsse auch darüber nachdenken, den Haushalt mit einer Steuer zu finanzieren. Er brachte dazu die Unternehmenssteuern ins Spiel, die in Europa angeglichen werden müssten. Bis zum nächsten EU-Budget 2020 sollten verpflichtende Unter- und Obergrenzen für die Körperschaftsteuersätze vorgelegt werden, sagte Macron. Länder, die sich daran nicht hielten, sollten keine EU-Strukturmittel erhalten, so der Franzose. "Man kann nicht von der europäischen Solidarität profitieren und gegen die anderen spielen."
Im Einsatz gegen den Klimawandel schlug Macron ein europäisches Förderprogramm für saubere Technologie bei Autos wie der Elektromobilität vor. Er will außerdem einen gemeinsamen europäischen Energiemarkt schaffen. Und um Forschung und Veränderungen wie die Digitalisierung zu begleiten, forderte Macron eine europäische Agentur für Innovationen.
Der französische Staatschef sprach sich für eine schrittweise Annäherung der Sozialmodelle in Europa aus. Macron will außerdem einen "Sorbonne-Prozess" anstoßen. Bis 2024 will er 20 europäische Universitäten mit europäischen Abschlüssen schaffen. Bildung in den weiterführenden Schulen will er harmonisieren. Der französische Präsident forderte, bis 2024 sollten alle jungen Europäer eine andere europäische Sprache lernen und alle unter 25-Jährigen die Möglichkeit bekommen, ein halbes Jahr im europäischen Ausland zu studieren oder zu arbeiten. [4]
Macron zeichnet hier also ein Bild von einem geeinten und starken Europa. Ein Europa mit einer starken, aber kontrollierten Wirtschaft mit Innovationen in Sachen Umwelt und Technik sowie ein Europa der Bildung. Dieses Bild ist sicherlich nicht jedermanns Geschmack, doch ist es ein – zumindest ein halbfertiges – Bild. Denkt man dieses Bild noch ein wenig weiter, könnte sich Europa eines Tages als ein föderaler Staat darstellen mit Regionen, die ihre lokalen Besonderheiten beibehalten und dennoch Teil eines großen Ganzen sind. Verdient dieses Europa dann nicht auch eine eigene Hauptstadt? Oder vielleicht ein „Europa in Europa“ – also ein Gebiet in dem Europa wirklich gelebt wird? Eine Art modellhafter Zwergenstaat mit mehreren Amtssprachen? Und wo bleibt die Identifikation mit Europa? Sollten wir in unserer Selbstbeschreibung nicht sagen, dass wir zunächst Europäer und dann Deutsche sind – ähnlich wie es der Titel des Koalitionsvertrages vorgibt?
Der französische Publizist Bernard-Henri Lévy kommentierte Europa mit den Worten: „kein Ort, sondern eine Idee“. Und damit trifft er den Nagel auf den Kopf. Europa ist nicht einfach zu fassen. Die Grenzen von Europa liegen in den Köpfen der Menschen. Es fehlt dieser Idee derzeit ein wenig an Visionen. Visionen, die von den Bürgern der einzelnen Nationalstaaten entworfen werden können. Daher würde ich mich freuen, mit euch heute Abend eure Ideen zu Europa zu diskutieren. Gibt es bereits ein „zu viel“ von Europa oder sind euch die Ideen Macrons zu wenig Europa? Was ist für euch überhaupt Europa? Wie soll dieses Europa eurer Meinung nach einmal aussehen?
Quellen:
[1] Stratenschulte, Eckart: Die Zukunft Europas, in: http://www.bpb.de/internationales/europa/europa-kontrovers/182478/einleitung (03.03.2018).
[2] Europäische Union: Nationale Beiträge der Mitgliedsstaaten zum Haushalt im Jahr 2016 (in Milliarden Euro), in: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/155196/umfrage/die-zehn-wichtigsten-beitragszahler-im-eu-haushalt-2010/ (03.03.2018)
[3] Operative Haushaltssalden der Mitgliedsstaaten im EU-Haushalt im Jahr 2016 (in Milliarden Euro), in: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/38139/umfrage/nettozahler-und-nettoempfaengerlaender-in-der-eu/ (03.03.2018)
Am 14. Januar 2018 fand der alljährliche Neujahrsempfang in unserem Logenhaus statt, der von allen Düsseldorfer Logen ausgerichtet wird. In diesem Jahr oblag unserer Loge die Leitung dieser Veranstaltung und unser Bruder Wolfgang hielt einen spannenden Vortrag zum Thema "Orientierung". Diesen können Sie hier nachlesen.
Unser Bruder Redner hielt zum ersten Gästeabend im Neuen Jahr einen Impulsvortrag zum Umgang mit der Geschichte - und ihrer Erinnerung - in der Freimaurerei. Dabei wurde kritisch beleuchtet, wie die Freimaurerei ihre eigene Geschichte - teils bewusst, teils unbewusst - manchmal selbst romantisiert und eine ehrliche Geschichtsbetrachtung gefordert. Dieser Ansatz führte zu einer lebhaften Diskussion, vor allem auch um den Umgang mit dem Nationalsozialismus. Den Vortrag können Sie gerne hier nachlesen.
Pünktlich zum Jahreswechsel ist unser Arbeitskalender fertig geworden, den Sie nun hier einsehen können. In ihm finden Sie alle Termine unserer Loge - inklusive aller öffentlichen Veranstaltungen und Tempelarbeiten. Wir freuen uns auf Ihren Besuch und wünschen Ihnen einen guten Übergang in das Neue Jahr!
Sollten Sie, egal ob Interessierter oder Bruder, Interesse an unserem Neujahrsempfang haben, freuen wir uns Sie am 14. Januar 2018 um 11:00 Uhr in unserem Logenhaus begrüßen zu dürfen.
Am 12. Dezember 2017 fand unser Diskussionsabend unter dem Motto "Freimaurer werden - Freimaurer sein - Freimaurer bleiben" statt. Eingeleitet wurde dieser Abend mit einem Impulsvortrag durch unseren Bruder Redner, den wir Ihnen gerne hier zur Verfügung stellen wollen. Der Impulsvortrag beschreibt zum einen den Weg vom Interessierten, zum Suchenden und dann zum Freimaurer beschreiben - macht jedoch an dieser Stelle nicht Halt, sondern denkt den Prozess ein wenig. Schließlich sollte der freimaurerische Werdegang weder mit der Aufnahme noch mit dem Meistergrad enden, sondern er ist immer einem Wandel unterworfen.
"Bevor ich beginne, muss ich leider eine sehr schwierige Frage stellen und zumindest den Versuch einer Antwort wagen, da ohne die Klärung dieser Frage der weitere Verlauf ein wenig unklar wäre. Die Frage lautet: Was ist ein Freimaurer? Diese Frage ist nun wieder eng verbunden mit der Frage, „Was ist Freimaurerei?“ - was die ganze Angelegenheit nun nicht wirklich einfacher macht. Schaut man sich die einleitenden Sätze des Wikipedia-Artikels zur Freimaurerei an, bekommt man einen ersten Eindruck: „Die Freimaurerei, auch Königliche Kunst genannt, versteht sich als ein ethischer Bund freier Menschen mit der Überzeugung, dass die ständige Arbeit an sich selbst zu einem menschlicheren Verhalten führt. Die fünf Grundideale der Freimaurerei sind Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität. Sie sollen durch die praktische Einübung im Alltag gelebt werden. Die Freimaurer organisieren sich in sogenannten Logen." Die Schwierigkeit einer genaueren Definition liegt nun darin, dass unter den vielen, sehr wohlklingenden Adjektiven, wie „freie Menschen“, „ethischer Bund“, „Gleichheit“ usw. ein jeder etwas anderes vorstellt. Würde jeder in diesem Raum seine persönliche Definition von Humanität vorstellen, hätten wir sicher einen sehr anregenden Abend, aber hätten damit auch nur den Bruchteil der allgemein existierenden Vorstellungen zu diesem Themenkomplex abgebildet. Und bereits jetzt hätten wir viele Meinungen gesammelt, die sich ergänzen, aber auch möglicherweise ausschließen. Selbst bei den drei Kernbegriffen Gleichheit, Brüderlichkeit und Toleranz, die immer wieder angeführt werden, ist eine Einigung auf die einzige und wahre Bedeutung nicht möglich.
Nun sind dies Begriffe mit denen man sich als Außenstehender aber auch irgendwo identifizieren kann. Dabei sind sie leider doch fast so gehaltvoll wie einige Wahlplakate, die Sprüche zeigen wie: „Für ein Land in dem wir gut und gerne leben.“ Ich denke, jeder hier würde diesen Wunsch unterschreiben.
Und genau so ist es auch in der Freimaurerei. Man muss sich die Frage stellen, was meinten denn unsere Gründungsmitglieder mit den Werten Gleichheit, Brüderlichkeit und Toleranz. Ohne diese Frage nun beantworten zu wollen, bringt es mich auf einen entscheidenden Punkt. Nämlich die lange Tradition der Freimauerei, die seit mehreren Jahrhunderten ein Bestandteil der Geschichte ist.
Und ein Teil, der diese Geschichte, diese lange Tradition am deutlichsten ausdrückt ist etwas, das einem Außenstehenden verborgen bleibt: Das Ritual.
Was passiert hinter den verschlossenen Tempeltüren? Was geschieht bei einer Aufnahme? Muss ich mich davor fürchten oder ist es etwas so banales, das es mich vielleicht sogar enttäuscht? Macht es
etwas mit mir? Verändere ich mich danach?
Ich möchte hier das Ritual gar nicht näher erläutern, aber ich möchte gerne darauf eingehen, warum es für die Freimaurerei, zumindest aus meiner persönlichen Sicht, so zentral ist.
Das Ritual wirft einen Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft, wobei es selbst in gewisser Weise zeitlos ist. Es ist für mich manchmal ein wenig so, als würde ich von außen einen Blick auf
das Leben werfen. Ich werde in die Lage versetzt, einen Schritt zurückzugehen und vielleicht die großen Fragen des Lebens zu stellen. Über unserem Tempeleingang prangt mahnend die alte
Aufforderung „Erkenne dich selbst“. Es ist dieser Imperativ, den ich sehe bevor ich diesen Raum betrete, der etwas metaphysisches, in seiner philosophischen und spirituellen Bedeutung, mit sich
bringt. Dieses „Erkenne dich selbst“ ist eine Aufforderung. Eine Aufforderung nicht nur zu fragen, wer ich bin, sondern alle erdenklichen W-Fragen des Lebens an mich selbst zu richten: Warum bin
ich? Wann bin ich? Wo bin ich? Wer bin ich? Wie bin ich? Wichtig ist dabei zu wissen, dass das Ritual die Antworten nicht direkt mitliefert. Manchmal werden sie zwar angedeutet, aber meist
unterliegt alles meiner persönlichen Interpretation.
An diesem Punkt halten wir kurz inne und fassen zusammen: Freimaurer sind Menschen, die sich gerne mit den großen Fragen des Lebens beschäftigen und dabei unter anderem ein Ritual als Hilfestellung verwenden.
Auch wenn einige meiner Brüder sicherlich über die plumpe Formulierung den Kopf schütteln und sich fragen, ob ich überhaupt verstanden habe, welche Tiefe die Freimauerei mit sich bringt und nicht
verstehen, wie ich die gesamte Symbolik, die Tradition, die Erfahrung des Rituals und die erlebte Brüderlichkeit außer acht lassen kann… möchte ich kurz einhaken und bemerken, dass dies alles
Dinge sind, die mir erst mit der Aufnahme und in den Jahren danach zugänglich werden, sodass sie für einen Außenstehenden nicht fassbar sind.
Nun gut, wie komme ich denn nun als interessierter Suchender in den Genuss der Aufnahme? Wie werde ich also Freimaurer?
Der erste Schritt besteht in unserer Loge aus dem regelmäßigen Besuch der Gästeabende für einen Zeitraum von etwa einem Jahr. Hier geht es vor allem darum, dass wir uns gegenseitig kennen lernen. Da ein Beitritt in der Regel auf Lebenszeit erfolgt, sollte der Schritt also von beiden Seiten gut überlegt sein. Schließlich trifft man sich mindestens drei Mal im Monat und muss miteinander auskommen - wobei ich dazu sagen möchte, dass Meinungsverschiedenheiten durchaus gewünscht sind, solange sie zumindest auf einer sachlichen Ebene ausgetragen werden.
Wenn Sie das Gefühl haben, dass sie bereit für eine Aufnahme sind, sprechen Sie einen von uns an. In der Regel ergibt sich im Laufe der Zeit ein guter Kontakt zu einem der Mitglieder und Sie fragen ihn, ob Sie uns beitreten können. Der Bruder wird dann alles weitere in die Wege leiten und Sie erhalten einen Aufnahmeantrag. Diesen füllen Sie aus, die Bruderschaft stimmt über diesen ab und die entsprechenden Schritte bis zur Aufnahme werden gemacht.
Nach ihrer Aufnahme sind Sie dann nicht nur Mitglied unserer Loge sondern in unserem Fall ebenfalls der Großen National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln sowie der Vereinigten Großloge von Deutschland.
Ab diesem Zeitpunkt sind sie also Mitglied einer Freimauerloge. Doch was bedeutet das nun? Was bedeutet es ein Freimaurer zu sein?
Dabei gilt es zwei Dinge zu betrachten. Zum einen das Leben innerhalb der Loge. Sie sind nun Teil einer vertrauten Gemeinschaft von Menschen, die sich wahrscheinlich sonst nicht so schnell begegnet werden. Das bedeutet zum einen, dass Sie sich nun mit diesen Menschen regelmäßiger treffen als es noch bei den Gästeabenden der Fall war. Ob dies nun zu den regelmäßigen Veranstaltungen der Fall ist oder ob Sie gemeinsam mit Ihnen anfangen andere Brüder in anderen zu Logen zu besuchen - Sie werden sie nun noch näher kennen lernen und auch auf einer anderen Ebene kennen lernen. Einem Bruder vertraue ich nun einmal ganz anders als einem Gast.
Das bedeutet auch, dass Einblicke in Leben gegeben werden, die ich möglicherweise vorher nicht bekommen hätte. Die Menschen innerhalb der Loge begegnen sich in der Regel auf Augenhöhe, wobei das Einkommen und der Bildungsstand keine Rolle spielen. Das gibt mir die Möglichkeit mich auch außerhalb meiner gesellschaftlichen Komfortzone bewegen zu können und neue Eindrücke für mich zu gewinnen. Der Preis den ich dafür zahlen muss, bringt mich dazu, was es außerhalb der Loge bedeutet ein Freimaurer zu sein. Denn meine bisherige Wahrnehmung der Dinge, inklusive meinem festen Standpunkt, kann unter Umständen an Relevanz verlieren. Durch das ständige Kollidieren und Abgleichen von unterschiedlichen Perspektiven, Lebensmodellen und Meinungen kommt es beinahe zwangsläufig zu einer Veränderung der eigenen Perspektive. Es heißt auch, dass ich meine eigene Perspektive im Alltag viel mehr hinterfrage, was mich auch oft dazu bringt, einfach mal mehr zuzuhören und mir mehr Zeit für eine Meinungsbildung zu gewähren. Dass das auch Anstrengend sein kann und auch manchmal zu einer Verunsicherung führen kann, wird meiner Meinung nach dadurch ausgeglichen, dass die reine Erkenntnis dessen, dass es so viele unterschiedliche Perspektiven wie Menschen auf der Welt gibt, auch etwas sehr beruhigendes hat. Es ist gar nicht immer wichtig, wer welche Meinung hat und es ist noch seltener wichtig, dass alle Menschen um mich herum meiner Meinung sind, sondern es ist wichtig dass es sie gibt und ich diese auch annehmen kann. Dieser Umstand zwingt mich ja sogar dazu um über mich und meinen Platz in der Welt nachzudenken. Und dieses Nachdenken darüber, diese ständige Neugier auf mich, die Welt um mich und über mir, ist für mich ein klarer Bestandteil des Freimauer-Seins. Es verändert etwas in mir - und diese Veränderung bedeutet möglicherweise auch eine Veränderung der Welt. Dabei geht es ja möglicherweise um die großen Dinge in der Welt. Es geht auch darum, was ich möglicherweise innerhalb meiner Familie, meines Freundeskreises oder im Beruf verbessern kann. Beobachte ich mich selbst dabei wie ich durch dieses Leben gehe, werfe dann noch einen kleinen Blick auf die anderen um mich herum und höre ihnen zu, erreiche ich meiner Meinung nach schon etwas großartiges. Ganz nach dem Satz Ghandis „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für die Welt.“, kann ich mit dieser Betrachtungsweise genau das verändern was ich mir wünsche.
Und das soll nun das Geheimnis der Freimaurerei sein? Dass soll es bedeuten ein Freimauerer zu sein? Ist das nicht alles etwas dürftig?
Ich denke, alles, was die Freimauerei darüber hinaus erreichen kann entsteht zwar aus ihr heraus, aber nicht in ihr. Ein Freimaurer soll innerhalb seines Alltags wirken und dort steht es ihm völlig frei sich zu entfalten wie es seinen Vorstellungen entspricht. Die Loge mit ihren Mitgliedern nimmt keinen Einfluss darauf, welche Ideen und Ziele ich außerhalb der Gemeinschaft verfolge. Sollte ich auf die Idee kommen, dass ich Spenden für einen guten Zweck sammle, dann ist das toll, muss aber nicht im Namen der Freimauerei geschehen. Wenn ich dafür natürlich Brüder aus meiner Loge gewinnen kann, ist das sicherlich schön, doch sie handeln dann als Privatpersonen, die möglicherweise von der Freimaurerei inspiriert wurden mehr Gutes innerhalb der Gesellschaft zu tun. An diesem Punkt entscheidet sich vor allem die deutsche Freimaurerei von der englischen und amerikanischen. Und noch etwas macht die deutsche Freimaurerei ein wenig anders: Ihre Geheimniskrämerei.
Viele unserer Brüder sind sehr auf ihre Deckung bedacht - das heißt sie wollen nicht, dass jedermann weiß, dass sie Freimaurer sind. Dieser Aspekt macht zwar die Öffentlichkeitsarbeit etwas schwierig, hat aber meiner Meinung nach auch einen entscheidenden Vorteil. Die Mitglieder, die tatsächlich den Weg zu uns gefunden haben und die dann auch noch in gewisser Weise freimaurerisch im Alltag wirken, tun das möglicherweise weil sie Freimaurer sind, aber sie gehen damit nicht hausieren. Da macht dieses Wirken zu etwas besonderem und hat etwas uneigennütziges und bescheidenes. Eine Tugend, die es sicherlich zu fördern gilt.
Nun gut, aber muss man dafür tatsächlich einem Verein beitreten?
Um es kurz zu machen: Nein, muss man nicht.
Ich glaube zwar, dass die Freimauerei grundsätzlich für die meisten Menschen offen steht, doch glaube ich nicht daran, dass sie für alle der richtige Weg ist. Zumal es sicher auch einige gibt, die nach ihrer Aufnahme enttäuscht sind, weil sie eben nicht einen metaphysischen Initiationsritus durchlebt haben, der ihnen die letzten Geheimnisse der Menschheit offenbart. Weil es eben auch innerhalb der Loge auch anders sein kann als ursprünglich gedacht. Weil möglicherweise Freimaurer doch nur ganz normale Menschen sind, die versuchen ihren Alltag zu gestalten.
Oder was, wenn das doch alles zu mühsam ist oder ich keinen Fortschritt bemerke? Was ist, wenn ich alle drei Grade durchlaufen habe und es mir an neuen Impulsen mangelt? Wie kann ich es dennoch
schaffen ein Freimaurer zu bleiben?
Unser Bund versteht sich als lebenslanger Bund. Sicher steht es mir jederzeit frei, diesen wieder zu verlassen, doch die Intention ist eine andere. Lebenslange
Verbundenheit. Das hört sich ein wenig an wie die Ehe und irgendwie erscheint es mir auch ein wenig so. Am Anfang steht die Neugier,
das Aufregende, die Spannung. Doch irgendwann setzt der Alltag ein. Wie kann es gelingen diesen Alltag zu durchbrechen?
Im Gegensatz zur Ehe hat die Freimaurerei einen großen Vorteil. Sie ist gewissermaßen polygam. Damit meine ich, dass ich mir innerhalb meiner Loge, aber vor allem innerhalb des gesamten Freimaurerbundes immer wieder neue Anreize holen kann - einfach indem ich die Gesprächspartner wechseln kann. Mir steht es frei - und es ist sogar gewünscht - , andere Logen zu besuchen und mit anderen Brüdern zu sprechen. Nur so kann ich aus meinem kleinen, neu geschaffenen, Mikrokosmos wieder ein wenig ausbrechen. Die dort neu gewonnen Impulse kann ich dann wieder in meine eigene Bauhütte zurück transportieren und so ein Wechselspiel der Ideen möglich machen.
Denn sicherlich gibt es auch in der Freimaurerei Dinge, die sich regelmäßig wiederholen. Ganz vorne mit dabei bei den Dingen, die sich wiederholen sind die Rituale, die nun einmal naturgemäß von der Wiederholung leben. Und doch gerade diese Wiederholung ist es auch, die mir immer wieder die Möglichkeit gibt neues zu entdecken. Wie oft wünscht lässt man manche Geschehnisse vor seinem geistigen Auge neu aufleben um sie von allen Seiten zu beleuchten? Das Ritual gibt uns die Möglichkeit, diese Seiten jedes Mal aufs Neue live zu erleben und zu entdecken.
Doch reicht das alles um sein Leben lang einem Bund treu zu bleiben? Was geschieht, wenn sich die Lebensumstände drastisch ändern? Seien es ein Umzug, ein neuer Job, Kinder, Heirat, Scheidung - und all die vielen weiteren Dinge, die das Leben noch bereithält? Kann man nicht auch möglicherweise an einem Punkt auch nicht mehr aus der Freimaurerei herausziehen? Ja hat man vielleicht irgendwann einmal einfach alles gesehen und alles schon einmal gehört? Gerade, wenn die Freimaurerei sich viel um sich selbst dreht oder die Themen mit denen sie sich beschäftigt einfach mal erschöpft sind?
Gehe ich zurück an den Anfang meines Vortrags und auf meinen Ansatz, dass die Freimaurerei hauptsächlich aus dem Stellen von Fragen besteht, drängt sich hier der Gedanke auf, dass diese Fragen möglicherweise eines Tages beantwortet sind. Vielleicht nicht universell beantwortet, aber zumindest für mich persönlich. Wäre das dann nicht vielleicht sogar ein ideales Ziel des Freimaurerbundes? Die Beantwortung von Fragen des eigenen Lebens? Wäre damit nicht möglicherweise ein Vorgang abgeschlossen und die der Bund behält seinen ideellen Wert, aber sein Nutzen für den Einzelnen ist damit passé?
Wie wir sehen, ist es gar nicht so schwer ein Freimaurer zu werden. Die Schwierigkeiten scheinen erst aufzutauchen, wenn es darum geht tatsächlich einer zu sein und viel mehr noch einer zu bleiben."
Zum gestrigen Abend lieferte unser Br. Wolfgang Heilmann einen gewohnt präzisen Blick auf die Em- und Be-Findungen vor sowie nach der Bundestagswahl vom 24. September. Er vermittelte seinen ganz persönlichen Eindruck mit Erwartungen und Enttäuschungen und gab seine eigene Haltung wieder. Anhand dieses einleitenden Vortrages konnten wir Teilnehmer unsere eigenen politischen Befindlichkeiten reflektieren und mit den anderen teilen, Meinungen austauschen und neue Erkenntnisse gewinnen. Den Vortrag in seiner Gänze können Sie hier nachlesen oder herunterladen.
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Es soll selbstverständlich nicht um Parteipolitik gehen, sondern um die Befindlichkeiten in unserem Land vor und nach der Wahl vom 24. September. War der bisherige Weg richtig, wohin soll ein neuer führen? Welche Werte bewegen uns und sollen wie in der Politik wieder gespiegelt werden? Empfindet ihr wie ich die Bundesrepublik als im demokratischen Dornröschenschlaf verhaftet? In einem ideologischen Vakuum? Deutschland steht wirtschaftlich gut da, Bruttosozialprodukt, Exportquoten, Steueraufkommen, alles im tief grünen Bereich. Eine der führenden Wirtschaftsnationen, absolut führend in der EU. Politisch kein Weltgewicht, aber Kraft unserer Kanzlerin durchaus reputierlich. Der Deutsche fühlt sich wohl. Fußball-Weltmeister, Bundesliga, Berlin Tag und Nacht, Konsumglück für jedermann, einschließlich der Selbstbestätigung in der schönen virtuellen Welt von Facebook, Amazon und Apple. Was will man mehr? Politisches Engagement? Überschaubar! Beteiligung an der politischen Meinungsbildung? Wer hin und wieder Hart aber Fair, Maischberger oder Anne Will an sich vorbeirauschen lässt, ist schon aktiver als der Durchschnitt. Politische Meinungsbildung wenigstens im Bundestag? Fehlanzeige! Die Art und Weise wie sich die große Koalition im Bundestag generiert und wie die bisherigen Oppositionsparteien dies generös hingenommen haben, kommt einer Verweigerung der Auseinandersetzung, der Debatte, gleich. Da findet keine Kontrolle der Regierung statt, keine Entwicklung alternativer Konzeptionen, sondern lähmende Jasager Mentalität. Da sich die überwiegende Mehrheit der Deutschen permanent im Wohlfühlmodus befindet, ist auch ein Ehrgeiz der Politiker und Parteien, etwas anders, etwas Neues zu machen, kaum erkennbar. Never change a running System. Und überhaupt: Im Vergleich zu Donald Trump, Erdogan, Orban und Kascynski müssen wir uns doch wohl nicht verstecken. O. k.: Einen Emmanuel Macron können wir nicht aufbieten. Wir sind gerade dabei, das Erbe der Aufklärung zu verschenken. Der Homo Sapiens, der Homo Democratius hat sich zum Homo Consumens weiterentwickelt oder sollte man besser sagen zurück entwickelt? Unsere Welt ist unübersichtlich geworden. Probleme werden globaler, Instanzen, die darauf reagieren könnten, fehlen. Konnten wir uns früher darauf beschränken, national zu fühlen und zu denken, ist das heute nicht mehr ausreichend. Der Nationalstaat kann globale Probleme nicht lösen. Wo sind oder entwickeln sich aber neue Instanzen, die mit größerer Autorität globale Probleme auch global angehen? Unsere Gesellschaften, die technische Entwicklung, haben sich beschleunigt, werden für die meisten undurchschaubar, so dass wir dazu neigen, persönlich zu resignieren, an der Aufgabe zu verstehen, gar mitgestalten zu wollen. Es ist verführerisch, sich dem vermeintlich Unabänderlichen hinzugeben, nur noch individuelle Interessen zu verfolgen, für sich und seine Lieben zu sorgen und sich ansonsten abzufinden. Sich ins Private oder die Unverbindlichkeit der sozialen Netzwerke zurückzuziehen, auf den letztlich unzulänglichen wie unwürdigen Standpunkt: Mir geht es gut und die da oben, die es immer schon gerichtet haben, werden es auch weiter richten. Wären da nicht so lästige Irritationen wie ein neuer Atomwaffentest in Nordkorea, eine neue bitterböse und brandgefährliche Anekdote aus dem Leben des amerikanischen Präsidenten, ein Attentat mit islamistischen Hintergrund (zumindest, wenn es in Europa stattfindet) oder eine neue Asylantenwelle. Und dann noch ein Dorn im Wohlfühlbereich: die AFD. Ausgerechnet diese unsägliche Partei muss uns den Spiegel vorhalten, dass es eben nicht nur zufriedene Wohlstandsbürger durch alle Schichten unserer Gesellschaft gibt, sondern auch Wutbürger, Unzufriedene, die sich dem Diktat der political correctness verweigern, die sich zusammenrotten (früher nannte man das demonstrieren), die lautstark schimpfen, beleidigen, auch schon einmal drohen und ziemlich häufig auch, wenn es gerade schön passt, lügen. In postfaktischen Zeiten, in denen die Wahrheit keinen allgemein akzeptierten, positiven Wert mehr darstellt, die Digitalisierung jedenfalls bei politisch motivierten Fehlinformationen weit fortgeschritten ist. Und das Traurige daran ist, die AFD Wähler haben ja nicht immer und ausnahmslos Unrecht. Sie sind zu zornig, um zu schlummern, wie die Mehrheit, aber auch zu zornig, um nachzudenken, zornig, weil sie sich als relevante Bevölkerungsgruppe empfinden, zu der unserer Politik derzeit wenig mehr einfällt, als sie tot zu schweigen zu versuchen. Das wird im neuen Bundestag mit einer AFD als drittstärkster politischer Partei, mit 12,6 % Prozent AFD Abgeordneten nicht mehr möglich sein. Sicherheit und Gerechtigkeit sollten maßgebliche Wahlthemen gewesen sein. Was ist unseren Politikern dazu Kreatives eingefallen? Mindestens 15.000 neue Polizisten, woher man sie fertig ausgebildet auch nehmen mag, und irgendwelche betraglich überschaubaren aber inhaltlich nebulösen Steuererleichterungen. Den reichsten 10 % der Deutschen gehören 52 % des Nettovermögens, die gesamte untere Hälfte der Bevölkerung teilt sich zusammen ein Prozent. Kapitalerträge werden zumeist geringer besteuert als Einkünfte aus humaner Arbeit. Bei Apple hat sich Irland mit einer Körperschaftsteuer von 0,005 % begnügt, ein legitimer (?) Steuervorteil von 13 Milliarden €. In Luxemburg hat Amazon aufgrund besonderer Absprachen nur ¼ der für ansässige Unternehmen geltenden Steuern entrichten müssen. Vorteil 250 Millionen €. Die Fliehkräfte wachsender sozialer Ungleichheit - niemand bemüht sich um ein Rezept dagegen. Wir verschenken eines der zentralen Versprechen der Aufklärung: „Gleicher Respekt und gleiche Sorge für jedes Mitglied der Gesellschaft“. Die Symbiose von Wirtschaft und Politik, oder besser die Unterordnung der Politik unter die Interessen des Kapitals? Kein wirkliches Thema! Der unkontrollierte Markt ist gefährlich und der Staat impotent. Dieselaffäre, systematischer Gesetzesbruch und ebenso systematisches Wegschauen der Politik, zumindest solange es irgendwie möglich ist. Kein Thema. Gleichheit vor dem Gesetz? Das Bußgeld des einzelnen Autofahrers für einen kaputten Auspuff und der Persilschein der Autoindustrie für vorsätzlichen flächendeckenden Regelverstoß? Da ist es doch eher ärgerlich, dass in Stuttgart oder Düsseldorf die freie Fahrt für freie Dieselbürger beeinträchtigt werden könnte. Der erbärmliche Zustand unserer Infrastruktur, unserer Straßen, Autobahnbrücken, Schulen? Nicht nur die technische, sondern auch die gesellschaftliche Herausforderung digitaler Zeiten, insbesondere das Hinwegraffen von Millionen Arbeitsplätzen, die nicht alle zum Systemadministrator umschulbar sind? Die Zukunft, Angemessenheit, Finanzierbarkeit und Gerechtigkeit unseres Renten- und Gesundheitssystems? Nur auf dem Papier ein Thema, vertagt bis irgendwann, am besten nach der nächsten Wahl. Meine Befindlichkeit vor und nach der Wahl? Irgendwo zwischen Ärger, Besorgnis und Hoffnung? Braucht es wirklich weltweit Autokraten und Rechtsradikale, um uns aus dem demokratischen Tiefschlaf auf zu schrecken? Was für ein Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich! Die Franzosen haben sich mit erstaunlicher, bewundernswerter Mehrheit gegen das Weiter so entschieden, die in Jahrzehnten erstarrten, vorgeblich staatstragenden Parteien gnadenlos abgestraft und einen politischen Neuanfang gewagt, der entschiedener kaum ausfallen konnte. Erwartung, Hoffnung und Mut. Wir Deutschen sind hierfür zu verzagt, aber die Richtung beginnt zu stimmen. Merkels Politikstil der Verweigerung der politischen Auseinandersetzung, wurde auch bei uns ein „nicht weiter so“ entgegen gesetzt. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik wurden die beiden sogenannten Volksparteien zusammen so drastisch abgestraft, weil es vielen Wählern scheint, als hätten die Christdemokraten wie die Sozialdemokraten den Kontakt zu weiten Teilen des Volkes verloren. Die große Koalition hat die Gegenwart eher schlecht als recht verwaltet. Zukunftsgestaltung hat nicht stattgefunden. Von Visionen möchte man gar nicht reden, das wäre ja fast schon revolutionär, umstürzlerisch. Noch nicht einmal die uns Deutschen traditionell zugetraute administrative Kompetenz konnte überzeugen. Jedem Schüler sein Ipad, anstatt Schulen zu sanieren, in Anbetracht deren gegenwärtigen baulichen Zustandes man sich als Eltern nur schamvoll abwenden kann, als Schüler lieber einhält, als vorhandene sanitäre Einrichtungen zu nutzen, die eher an ein Bürgerkriegsszenario erinnern. Digitalisierung von Schülern, denen es zuvörderst an Lehrern fehlt. Lehrern, deren Zeitarbeitsverträge dann bitte nicht zu Beginn der Sommerschulferien enden und nach dem Ende der Schulferien wieder verlängert werden. Freie Fahrt für freie Bürger im Dauerstau. Marode Straßen, noch marodere Autobahnbrücken, eine Sachausstattung der Bundeswehr, die allenfalls bruchstückhaft und bedingt einsatzfähig zu sein scheint., eine jahrelange personelle Auszehrung unserer Polizei bei gleichzeitiger Erweiterung ihrer Aufgaben, eine fast schon faszinierende Unfähigkeit in der Kooperation unserer Sicherheitsbehörden, vom Fall Amri für einen kurzen Blitzlichtmoment erhellt, ehe sie wieder in eifersüchtig gewahrter föderativer Vielfalt untergeht. Der Flughafen unserer Hauptstadt, der fast schon eine Utopie darstellt, anstatt eine überfällige, technisch und administrativ zu bewältigende Infrastrukturmaßnahme. Oder wenn man des viel gelobten Sozialstaates bedarf und sich 3 Monate bis zum Erlass eines simplen Hartz IV Bescheides gedulden und durchhungern muss. Und das alles ist nur schlichtes Verwalten der Gegenwart, ohne Innovationen, die des Namens wert wären. Digitalisierung oder Industrie 4.0, auch so ein allgegenwärtiges Wahlkampfschlagwort. Macht sich irgendjemand da oben irgendwelche Gedanken darüber, was die 4. industrielle Revolution für unsere Arbeitsmärkte, sozialen Strukturen, die Stellung des Menschen in der Gesellschaft bedeutet? Natürlich müssen wir im globalen Wettbewerb bestehen, natürlich lassen sich mit Industrie 4.0 noch mehr Unternehmensgewinne und Exporterfolge erzielen, möglicherweise auch das Steueraufkommen weiter erhöhen. Alle bisherigen Gesellschaftsformen basieren auf Gemeinschaften, in denen der einzelne nach seinen Fähigkeiten am Erfolg des Gemeinwesens partizipiert. Der Wert des einzelnen für die Gemeinschaft und damit auch sein Selbstwertgefühl werden dadurch bestimmt, was er leistet, dass er leistet. Schon die Jäger und Sammler bezogen ihre Bestimmung aus den Aufgaben, die sie für die Gemeinschaft zu erfüllen hatten. Was machen wir mit den Menschen, die im Rahmen der 4. industriellen Revolution überflüssig werden? Es reicht sicherlich nicht aus, ihnen ein wie auch immer zu finanzierendes Bürgergeld bzw. bedingungsloses Grundeinkommen zu verschaffen. Die Bedeutung von Beschäftigung geht über die einer gängigen (nicht unbedingt der erfolgreichsten) Erwerbsquelle hinaus. Welchen Sinn, welche Bestimmung möchten wir einem Millionen starken Bürgergeld-Prekariat geben? Panem et circenses? Grundeinkommen und Bundesliga, sowie ein erweitertes Spektrum gesellschaftlich gebilligter, zulässiger Drogen? Da fallen mir einige Zeilen aus Casper‘s „Hinterland“ ein: „Willkommen zu Haus wo jeder Tag aus Warten besteht und die Zeit scheinbar nie vergeht. Man gibt uns gut zu verstehen, die leeren Gläser der Theke sind beste Lupen aufs Leben“ Seit vielen Jahren ist bekannt, dass unser gewohntes Rentensystem kollabieren wird. Die Erwartungen des Generationsvertrages sind angesichts unserer demographischen Entwicklung hinfällig. Der Jurist würde es Wegfall der Geschäftsgrundlage nennen. Wann beginnt die Politik ernsthaft nach Alternativen zu suchen, darüber zu diskutieren, Zukunft zu gestalten mit gerade bei der Altersversorgung langen Vorbereitungs- und Umstellungsperioden, anstatt an kleinen Stellschrauben einer längst veralteten Maschine zu drehen. Befindlichkeiten vor der Wahl? Unbehagen in Anbetracht des Versagens, der Unterlassungen bereits in Bereichen der alltäglichen Administration. Sorge vor dem allgegenwärtigen naiven Mantra: „Uns geht es gut, besser als unseren Nachbarn, also machen wir am besten weiter so, wie bislang auch“. Zorn über den verengten, soweit überhaupt vorhandenen Blick in die Zukunft. In einem unserer Rituale heißt es „Stillstand ist in geistigen und sittlichen Beziehungen undenkbar. Hier gibt es nur Fortgang oder Rückgang.“ Diesem Stillstand gilt es in unseren Demokratien und bei unseren Repräsentanten zu begegnen. Befindlichkeiten nach der Wahl? Der Wähler hat die große Koalition abgestraft, mit einem Minus von mehr als 13 % der Wählerstimmen bei einer leicht gestiegenen Wahlbeteiligung von 75 %. Das Parteienspektrum wurde erweitert: Die Rückkehr einer alten Partei als durchaus gelungene Einmannschau, aber letztendlich alter Wein in neuen Schläuchen. Eine neue, rechtspopulistische Partei, mit sehr alten Ideen, die wir Kinder der Aufklärung leichtfertig als im vergangenen Jahrhundert endgültig entzaubert geglaubt hatten, Ideen, deren erneuter Vormarsch ins Parlament bei uns deutlich länger gedauert hat, als bei unseren europäischen Nachbarn. Ist das nun ein Aufbruch? Ein 1. Schritt zu wirklicher Veränderung? Die Hoffnung stirbt zuletzt, doch der Zweifel bleibt. CDU/CSU, SPD, Grüne und auch die Liberalen waren bislang die Repräsentanten des: Uns geht es gut, lieber keine Experimente, die Zukunft wird uns auch weiter so belohnen, wie wir es unserer Prosperität und der Tüchtigkeit und politischen Pflege unserer Unternehmen verdanken. Mehr als 73 % (CDU, SPD, FDP, Grüne) haben das Weiter so gewählt, gegen den Mut zum Neuen, zu wirklicher Veränderung gestimmt. Das hat nichts mit wirklicher, mit durchdachter Zufriedenheit zu tun, sondern mit Angst vor Veränderung, dem Ungewohnten. Die Franzosen wollen es Besser haben, die Deutschen nicht Schlechter. Wer Entwicklung will, braucht neue Besen, wen die Angst vor Rückschritt lähmt, der bleibt beim gewohnten Personal. Ein Christian Lindner ist zweifellos ein Gewinn aber kein Emmanuel Macron. Die Linken sind und bleiben erstarrt in antiquierten Klassenkampfvorstellungen, die durchaus eine Modernisierung verdienen würden und müssen sich als Fundamentalopposition ausgerechnet von einer AFD überholen lassen. Populismus ist nicht mehr wirklich rechts oder links. Er fischt jedoch immer im selben trüben Gewässer. Wir haben es immerhin 72 Jahre geschafft, nationalsozialistisches Gedankengut aus dem Parlament zu halten, die Erinnerung an das tausendjährige Reich und den Holocaust als „Denkmal der Schande“ zu bewahren. Wir müssen damit leben, dass Gesellschaften, eben auch Demokratien, anfällig gegen rechtspopulistische Bewegungen sind. Da müssen wir nicht in die USA schauen. 2017 erhielt Geert Wilders in den Niederlanden 13,1 % der Wählerstimmen, der Front National in Frankreich 12,2 % und für die noch in diesem Jahr stattfindende Wahl in Österreich werden der FPÖ aktuell sogar 24 % prognostiziert. Hier bewegt sich die AFD mit 12,6 % im europäischen Kontext durchaus unauffällig, auch wenn man eine derartige Rückwärtsgesinnung Deutschland noch immer übler nehmen mag als den Nachbarn. Ein Drama ist eine AFD als drittstärkste Fraktion nicht! Auch kein Anlass für andere Parteien „rechte Flanken zu schließen“. Es gab immer und es wird immer geben Bürger, die sich abgehängt und unbeachtet empfinden, die anfällig sind für rechts- oder linkspopulistische Rattenfänger, anfällig für Appelle an Wut, Angst, Diffamierung und postfaktische Vergewaltigung von Wahrheit und Geschichte. Die „Spiel nicht mit der Schmuggelkindern“-Taktik der etablierten Parteien war schon immer falsch, eine einfältige Ignorierung real bestehender Befindlichkeiten im Wählerspektrum. Jetzt haben sie die Gelegenheit und die demokratische Pflicht, sich offensiv im Bundestag mit dieser neuen Fraktion und deren alten Ideen auseinanderzusetzen, diskursiv, entschieden in der Sache, aber unter Meidung stilistischer Anpassung an den politischen Gegner. Die überwiegende Mehrheit der Wähler wünscht auch weiterhin ihre gewohnte Kanzlerin. Persönlich ist sie deutlich weniger eingebrochen als die sie tragenden Volksparteien. Für die AFD ist Merkel Hassobjekt und Existenzbegründung zugleich. Ihrer Wähler waren nicht wirklich für die AFD sondern gegen Merkel. 60 % der AFD-Wähler gaben an, nicht aus Überzeugung, sondern aus Enttäuschung ihr Kreuz gemacht zu haben. Über 90 % der AFD-Wähler machen sich Sorgen um den Verlust der deutschen Kultur. Seit der Wahl sind zwischenzeitlich mehr als 2 Wochen vergangen. Von „wir haben verstanden“ wenig Spur. Die Kanzlerin äußert noch am Wahlabend mit schmerzhaften Realitätsverlust, sie wisse gar nicht, was sie in der Vergangenheit hätte anders machen sollen. Die SPD hat sich zur gleichen Zeit bereits auf die Oppositionsbank verabschiedet, um die Wunden der viel zu langen großen Koalition zu lecken. Die AFD hat nicht zu verstehen, außerdem diabolisch getimten Abschied ihrer Parteivorsitzenden. Ein Wahlergebnis, das nach Aufbruchstimmung ruft. Aber erst einmal wollen wir noch die Ernte oder Missernte unserer alten Politik in Niedersachsen einfahren? Die Sondierungsgespräche haben noch nicht einmal begonnen, aber das Stühlerücken ist wenigstens schon einmal in vollem Gange. Der Finanzminister wird vorsorglich in das ehrenwerte Amt des Bundestagspräsidenten gelobt, um Platz für Begehrlichkeiten der Liberalen zu machen, die ihn im Amt beerben wollen. Der Außenministerposten wird ohnehin nur noch interimistisch wahrgenommen. Gut für die Grünen. Und die SPD leidet still unter der dramatischen Reduzierung der zu vergeben Posten. Da muss dann schon einmal die eine oder andere der Partei nahestehende Stiftung herhalten, die dringend neues Führungspersonal brauchen.
Visionen? Die hat in Europa und für Europa derzeit vor allem Emmanuel Macron. Festlegung auf Schmerzgrenzen, jenseits deren der Platz auf den Oppositionsbänken winkt? Fehlanzeige. Wer sich zuerst bewegt, der verliert. Die politische Mehrheit aber auch wir Wähler selbst sollten es mehr mir mit Albert Einstein halten, den ich zum Schluss zitieren möchte: „Die Welt wird nicht bedroht von Menschen, die böse sind, sondern von den Menschen, die danebenstehen und sie gewähren lassen.“ und: „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“
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Gestern Abend behandelte der Impulsvortrag unseres Redners das Thema Freimaurerei und Geschlecht, wobei der Kern des Vortrages nicht unbedingt das behandelte, was Freimaurer vermuten würden. Es ging nämlich nicht um die Frage, ob Frauen Freimaurer werden können/dürfen/sollen/müssen oder ob gemischte Loge Sinn machen oder andere Fragen, die einem Freimaurer da zumeist in den Sinn kommen. Es ging vielmehr um denn Mann und die Frau als Geschlecht an sich. Aber lesen Sie selbst:
Ein freier Mann von gutem Ruf soll ein Freimaurer sein. Über die Definitionen „guter Ruf“ und „frei“ kann man viel streiten, lässt es doch recht viel Raum für Interpretation. Bei dem Wort „Mann“ sieht das schon wieder anders aus. Die Freimaurerei geht mit dem Thema Geschlecht relativ wenig um, außer, dass Frauen aus deutschen Logen in der Regel ausgeschlossen werden, genau so, wie Männern eben auch der Eintritt in eine Frauenloge verwehrt bleibt. Diese Regelung wird zwar in der Freimauerei auch unterschiedlich bewertet, doch herrscht eine scheinbar grenzenlose Einigkeit über das, was ein Mann und eine Frau ist. Eine Frau ist kein Mann und ein Mann keine Frau - ganz einfach. Oder doch nicht? Keine Sorge! Ich möchte heute nicht darüber diskutieren, ob Frauen auch Freimaurer werden dürfen oder ob sogar gemischte Logen Sinn machen können. Dieses Thema ist einfach zu unerschöpflich, die Regularien der Großlogen sind da sehr eindeutig und auch die Meinungen innerhalb der Bruderschaft gehen da viel zu weit auseinander. Heute Abend möchte ich mich vielmehr der Frage widmen, was denn „ein Mann“ eigentlich sein soll? Ist der Begriff bei näherer Betrachtung tatsächlich so eindeutig, wie er den Anschein macht? Und wenn er es nicht ist, was bedeutet das für uns als Freimaurer? Schlägt man das Wort „Mann“ bei Wikipedia nach, scheint die Welt erst noch in Ordnung: „Mann bezeichnet einen erwachsenen Menschen männlichen Geschlechts." Liest man dann ein wenig weiter begegnen einem viele Klammern, die diese Ordnung dann wieder etwas relativieren: „Aus molekularbiologischer Sicht unterscheidet sich der Mann von der Frau durch das Chromosomenpaar XY (siehe jedoch auch XX-Mann) in den Geschlechtschromosomen (statt XX bei der Frau, siehe aber auch XY-Frau)." Auf den ersten Blick ist also die An- oder Abwesenheit des Y-Chromosoms ausschlaggebend: mit Y heißt männlich, ohne heißt weiblich. Aber Medizinern ist schon lange bewusst, dass bei so manchem die Grenzen verschwimmen, wenn die Geschlechtschromosomen das eine sagen und Geschlechtsmerkmale wie die Keimdrüsen (Eierstöcke und Hoden) etwas anderes. Eltern von Kindern mit Besonderheiten und Störungen der Geschlechtsentwicklung, auch DSD für "disorders of sexual development", Intersexualität oder Sexualdifferenzierungsstörungen genannt, sehen sich oft der schwierigen Entscheidung gegenüber, ob sie ihr Kind als Junge oder als Mädchen aufziehen sollen. Laut Spezialisten hat sogar jeder Tausendste eine Form von DSD. Betrachtet man die Genetik, verschwimmt die Grenze zwischen den Geschlechtern noch mehr. Wissenschaftler haben viele der Gene identifiziert, die an den Hauptformen von DSD beteiligt sind und auf subtile Weise die Anatomie und Physiologie des Einzelnen beeinflussen. Neue Techniken der DNA-Sequenzierung und Zellbiologie machten deutlich, dass fast jeder von uns zu einem gewissen Grad aus verschiedenen Zellen besteht, gleichsam wie ein Patchwork. Dabei haben manche unserer Zellen ein Geschlecht, das zum Rest des Körpers eigentlich nicht passt. Auch das Verhalten einer Zelle scheint über komplexe molekulare Systeme von seinem Geschlecht beeinflusst zu werden. Diese biologische Komponente, wenn also der Mensch biologisch zwischen den zwei „klassischen“ Geschlechtern steht, bezeichnet man als Intersexualität. In Deutschland leben heute etwa 80.000 Intersexuelle Menschen. Doch nicht nur intersexuelle Menschen können Schwierigkeiten mit einer eindeutigen Geschlechtlichkeit haben. Auch kann es manchen Menschen schwer fallen, sich eindeutig als Mann oder Frau zu fühlen. Dies wird wiederum als Transsexualität bezeichnet. Transsexuelle haben das sichere Gefühl, im falschen Körper gefangen zu sein. Sie sehnen sich nach einem Leben im anderen Geschlecht und versuchen, sich auch äußerlich diesem so weit wie möglich anzugleichen. Das hat nichts mit der Lust an Verkleidung zu tun. Ebenso wenig heißt das, dass sie lesbisch oder schwul sind. Transsexuelle scheinen zwar nach biologischen Kriterien Mann oder Frau zu sein - ihr Erbgut und ihre Hormone sind eindeutig. So einfach ist es aber nicht: Tatsächlich stimmt ihr Geschlecht nicht mit diesen sicht- und messbaren Geschlechtsmerkmalen überein. Diese innere Gewissheit ist dauerhaft. Dabei erweckt der Begriff Transsexualität den Anschein, es handele sich um ein sexuelles Problem. Das ist falsch. Es geht den Betroffenen nicht um Sex, sondern um Identität. Deshalb bezeichnen sie sich selbst lieber als "Transidente". In den aktuellen Klassifikationssystemen für psychische Krankheiten - etwa dem DSM-IV - wird der Begriff Transsexualität ebenfalls nicht mehr verwendet. Stattdessen ist dort die Bezeichnung Geschlechtsdysphorie zu finden, ein Begriff, der das emotionale Leiden an der fehlenden Übereinstimmung zwischen Körper und Psyche beschreibt. Transsexuelles Erleben und Verhalten als psychische Erkrankungen zu sehen, gilt mittlerweile ebenfalls als überholt. Sicher ließe sich argumentieren, dass die Zahl derer, die „im falschen Körper“ stecken, keine eindeutigen Geschlechtsmerkmale haben oder sich nicht klar zu ihrem biologischen Geschlecht bekennen können (oder wollen) recht gering ist. Aber dennoch bringt es mich zu einer wichtigen Frage: Was, wenn einer dieser Menschen morgen an unsere Türe klopft und um Zugang zur Loge bittet? Wie gehen wir dann damit um? Oder wenn es erst nach der Aufnahme auffällt? Oder sich ein Bruder für eine Geschlechtsangleichung zur Frau entscheidet? Eine weitere Frage, die sich mir dann aufdrängt, ist die nach den Eigenschaften eines Mannes. Wenn das Geschlecht nicht immer so eindeutige Kategorien darstellt sondern bereits auf biologischer und identitärer Ebene so diffus ist, lässt sich dann vielleicht eine Art Punktekatalog erstellen, der etwas über die Zugehörigkeit zur Kategorie Mann aussagt? Oder mit den Worten des Bochumer Bardens Herbert Grönemeyers Worten gefragt: „Wann ist ein Mann ein Mann?“. Welche Eigenschaften sollte der ideale Mann denn mitbringen? Ist er der alleinige Ernährer der Familie oder ist er Hausmann, der die Kinder hütet? Ist er stets gut gekleidet und achtet auf sein Äußeres oder ist er der mit dem Holzfällerhemd, der gerne in seiner Garage an Autos herumschraubt? Redet er gerne oder ist er wortkarg? Lebt er ein wildes Leben als Single wobei er nichts anbrennen lässt oder lebt er in einer festen Beziehung - vielleicht sogar mit einem anderen Mann? All diesese Fragen eindeutig zu beantworten erscheint mir nicht möglich. Zumal sie immer wieder einem Wandel unterworfen sein werden. Das bedeutet, dass das was noch vor hundert Jahren als besonders männlich galt, heute schon wieder vergessen ist. Es scheint also auch unsere Umwelt etwas damit zu tun zu haben, was als männlich angesehen wird. Genderforscher gehen größtenteils davon aus, dass Geschlecht ein soziales Konstrukt ist. Grundsätzlich gehen sie davon aus, dass es zwei Komponenten gibt. Zum einen das biologische Geschlecht, das sie mit dem englischen Wort „Sex“ bezeichnen und das soziale Geschlecht, das sie „Gender“ nennen. Doch wenn Geschlecht tatsächlich ein soziales Konstrukt ist, das auch schon schwer zu definieren ist - was geschieht dann mit dem biologischen Geschlecht, wenn auch das nicht immer von Eindeutigkeit geprägt ist? Drehen wir uns dann bei der Geschlechterfrage nicht grundsätzlich im Kreis? Ist die Männlichkeit wirklich dem Untergang geweiht, wie uns einige Medien glauben machen wollen? Sind die Männer nun endgültig den Feministinnen zum Opfer gefallen? Brauchen wir eine Männerquote? Oder ist es nicht vielleicht gerade dieser Versuch der zwanghaften Unterscheidung zwischen zwei Kategorien? Vor allem von zwei Kategorien, die ja anscheinend doch nicht immer so eindeutig zu sein scheinen. In unserer modernen Welt scheint mir diese Kategorisierung manchmal etwas überholt. Ist also vielleicht sogar eine Überwindung dieser Dichotomie an dieser Stelle angebracht? Und wenn ja, wie könnte sie funktionieren? Ein Vorschlag zur Überwindung kommt von den Philosophen Thomas Vašek und Rebekka Reinhard. Sie plädieren für ein ethisches Geschlecht. Für sie beruht das ethische Geschlecht auf Werten. Es steht in einer Beziehung zum biologischen Körper und zu sozialen Normen, doch es lässt sich weder auf das eine, noch auf das andere reduzieren. Ein Wert wie beispielsweise Stärke mag dabei zufälligerweise aus einer als männlich anzusehenden Tradition entstanden sein, doch darf jeder Mensch entscheiden, ob ihm dieser Wert wichtig ist und danach streben ihn in seiner bestmöglichen Form zu leben. Diese Werte kann ich mir, zumindest in den gegebenen Rahmen, aussuchen. Ich kann für mich entscheiden, welche Werte mir zu einem guten Leben verhelfen und mein Sein danach ausrichten. Männer können dabei auch weibliche Werte haben – so wie Frauen männliche Werte -, und zwar in allen erdenklichen »Kombinationen«. Das ethische Geschlecht ist nichts Statisches, keine fixe Konfiguration, die ein für allemal festgelegt wäre. Wir können unsere Werte verändern, die Gewichtungen verschieben, die Prioritäten verlagern. Das ethische Geschlecht ist dynamisch, es ist immer in Bewegung, es verändert sich je nach Lebenssituation. Wenn wir sinnvoll über den modernen Mann nachdenken wollen, sollten wir die Gender-Debatte also neu beginnen – und statt über die »Männer-versus Frauen«- Differenz über die zwischen männlichen und weiblichen Werten reden. Wir können diese Differenz in ein Verhältnis setzen, wenn es uns gelingt, sie aus dem Korsett von Normen und Biologie zu befreien. Erst wenn männliche und weibliche Werte aufeinanderprallen, ohne dass es dabei um Macht und Unterwerfung ginge, kann die Geschlechterdifferenz ihre fruchtbare Wirkung entfalten – als Differenz zwischen Werten, nicht zwischen Männer und Frauen. Zwischen der »Kultur Mann« und der »Kultur Frau« gibt es wenig zu »vermitteln«. Was wir brauchen, das ist eine neue, eine »dritte Kultur«, welche die Differenzen nicht einebnet, sondern – um eines guten Lebens und gelingender Beziehungen willen – von eben diesen Differenzen lebt. Wir stellen also fest: Die Einteilung in zwei einfache Kategorien scheint uns nicht weiterzubringen. Doch was bedeutet das für uns als Freimaurer? Die drei großen Fragen, die ich heute angerissen habe und die ich gerne mit euch diskutieren möchte lauten zusammengefasst: Wie gehen wir damit um, wenn sich uns Menschen anschließen wollen - oder bereits angeschlossen haben - bei denen die zwei klassischen Geschlechterkategorien nicht mehr greifen? Wie definieren wir für uns als Freimaurer die Frage nach dem was ein Mann denn ist? Können - und sollen - wir die Geschlechterfrage überwinden, welche Möglichkeiten haben wir dazu und welche Auswirkungen hätte das wiederum auf die Freimaurerei?
Der neue Arbeitskalender für den Zeitraum von August 2017 bis Januar 2018 ist nun fertig. In diesem finden Sie alle Termine, die unsere Loge betreffen. Interessierte Gäste können hier sehen, zu welchen Terminen Sie uns kennenlernen können und Brüder erfahren hier alles über Möglichkeiten des Besuchs zu Tempelarbeiten.
Den Kalendar können Sie sich nun herunterladen oder hier online ansehen.
Zu unserem gestrigen öffentlichen Diskussions- bzw. Gästeabend kamen wir zusammen um über das Thema "Bewertung von Arbeit" zu sprechen. Dabei stellte unser Referent seine Gedanken zum Thema Arbeit vor und bezog sich dabei auf das Buch „Feierabend! Warum man für seinen Job nicht brennen muss“ von Volker Kitz.
Die Gedanken unseres Referenten wurden lebhaft diskutiert und Sie können diese nun hier nachlesen:
Vielleicht erst etwas zu mir, um vielleicht verstehen zu können, warum mich das Thema beschäftigt:
Ich arbeite.
So banal es klingt, vor umso größeren Problemen stellt mich diese Tatsache. Nach 25 Lebensjahren, geprägt von einem Schulsystem, was mich zum Glück nie ausgelastet hat und einem Studium, was zwar arbeitsreicher, aber dafür freier in der Zeiteinteilung war, bin ich jetzt in der rauen Arbeitswelt angekommen. Nicht, dass ich es nicht so wollte, ich habe immer darauf hingearbeitet, da mir das reine Lernen ohne Anwendungsmöglichkeit immer recht sinnlos vorkam. Doch die große Erfüllung hat sich bei mir nicht eingestellt, sondern eher Ernüchterung. Arbeit ist oft monoton bis langweilig, vor allem als Berufsanfänger äußerst anstrengend und wenn man denkt, man hätte es jetzt geschafft, stellt man fest, dass erst Montagabend ist und morgen alles wieder von vorne beginnt. Ich rette auch nicht jeden Tag die Welt und muss feststellen, dass ich jederzeit ausgetauscht werden kann.
Und das sollte es jetzt also gewesen sein? 40-50 Jahre jetzt so abzusitzen ist wirklich keine schöne Vorstellung. Doch ohne Arbeit wird man vermutlich auch nicht glücklich. Dieser Gegensatz zeigt sich bereits in den Gefühlen, die das Wort auslöst. Im Gegensatz zu fast allen anderen Wortpaaren, wie zum Beispiel „Trennung“ und „trennen“, die beide negative Gefühle beim Lesen auslösen oder „Reise“ und „reisen“, die positive auslösen, ist es laut einer Studie über die Wirkung von deutschen Wörtern bei „Arbeit“ und „arbeiten“ anders: Der Begriff „Arbeit“ ruft positive Gefühle hervor, der Begriff „arbeiten“ hingegen negative. Dies führt zur zentralen These des oben erwähnten Buches: Nicht die Arbeit macht unglücklich, sondern die Lügen, die wir uns darüber erzählen. Die Arbeit wird idealisiert, mit großen Erwartungen und Hoffnungen beladen, die die Realität nicht einlösen kann. Diese Desillusionierung kann zu Enttäuschung und Frust oder allgemeiner gesagt, zu negativen Gefühlen führen. Es hilft dabei nichts, mit Biegen und Brechen die Wirklichkeit diesem Ideal anzupassen, die es niemals erfüllen kann. Dadurch wird das Unglück, die Frustration im schlimmsten Fall immer weiter erhöht. Sinnvoll scheint mir ein ehrlicher, sachlicher Umgang mit der Arbeit zu sein, frei von den überzogenen Versprechungen der Stellenanzeigen und Jobangebote, die neben der materiellen Bezahlung auch den Sinn des Lebens anbieten.
Diese Aufladung der Bedeutung der Arbeit scheint ein vergleichsweise modernes Phänomen zu sein: War Arbeit in der Vorzeit Nahrungserwerb und Überlebensstrategie, wurde sie in der Bibel als eine Art Strafe von Gott eingeführt, nachdem Adam und Eva aus dem Paradies (der Arbeitslosigkeit) verbannt wurden. In der Antike bestand das Ideal darin, nicht zu arbeiten, sondern zu Lernen, zu Philosophieren und sicher auch zu Essen und zu Trinken. Die Erhöhung begann erst mit Luther, der sie „Beruf“ nennt, was der geistlichen „Berufung“ nahekommt und den Anschein erwecken könnte, es sei göttlicher Auftrag, Brötchen zu backen oder Haare zu schneiden. Doch ist diese Einstellung angesichts der Banalität der allermeisten Berufe wirklich gesund? Wäre es nicht vernünftiger, Arbeit als simple Notwendigkeit zu betrachten, um Geld zu verdienen und gut über die Runden zu kommen? Die Arbeit selber würde sich dadurch nicht verändern, sondern vermutlich an Qualität gewinnen. Daher möchte ich einige dieser Aufwertungen, im Buch weniger neutral Lebenslügen über das Arbeitsleben genannt, vorstellen und diskutieren.
Glaubt man den Beschreibungen vieler Unternehmen, so werden ihre Produkte und Dienstleistungen nur mit einem hohen Maß an Leidenschaft hergestellt bzw. angeboten. Leidenschaft scheint eine der wichtigsten Eigenschaften zu sein, um die Arbeit gut zu machen. Doch ist das richtig? Arbeitet nur ein leidenschaftlicher Arbeitnehmer gut? Mir scheint es, dass Leidenschaft für ein gutes Arbeitsergebnis auch schaden kann, wenn andere Menschen, Impulse oder Ideen ignoriert werden. Leidenschaft kann zu einer Ignoranz gegenüber Mitarbeitern, Vorgesetzten oder Kunden führen. Wer blind seiner Leidenschaft folgt, kann sich verrennen. Die zahllosen talentlosen Sänger, Models und Schauspieler die in Castingshows oder im Nachmittagsprogramm verschiedener Privatsender zu beobachten sind, geben ein Zeugnis davon. Leidenschaft ist kein Maß für ein gutes Arbeitsergebnis, sondern eine komplett andere Größe. Gute Arbeit braucht auch eine gewisse Distanz, um das eigenen Handeln zu reflektieren, seine Arbeitsweise zu hinterfragen und gegebenenfalls auch zu ändern. Ein leidenschaftlicher Chirurg, der für seine Arbeit brennt, aber den Patienten aus dem Sinn verliert, ist kein guter.
Belastend kann der Leidenschaftszwang werden, wenn durch das ganze Gerede über die Leidenschaft ein Druck aufgebaut wird, dass für die Arbeit Leidenschaft empfunden werden muss. Doch die meisten Menschen brennen nicht für einen Beruf, sie haben sich nicht von klein auf vorgestellt, Müll einzusammeln, am Fließband zu stehen oder Finanzkennzahlen zu überprüfen. Nichtsdestoweniger können gerade diese Menschen ihre Arbeit sehr gut machen und auch eine Befriedigung empfinden, wenn sie ihre Tätigkeit ausüben. Sie müssten sich nur ggf. von der Illusion befreien, dass sie für die Arbeit brennen müssen.
Ein kleinerer, aber ebenso interessanter Punkt, ist die Vorstellung, mit der Arbeit etwas zu gestalten, zu schaffen oder sich ausleben zu müssen. Dies mag bei einem Firmengründer, der mit seinem von ihm entwickelten Produkt das Leben von Millionen beeinflusst, naheliegend sein, bei einem Fließbandarbeiter, der jeden Tag hunderte Male den gleichen Handgriff tätigt, ist dies schwieriger vorstellbar. Doch auch er gestaltet etwas und schafft etwas Neues, er ist Teil in dem hochkomplexen Schaltwerk, was sich unsere Welt nennt, mit all ihren Beziehungen untereinander. Wenn ein Teil stockt, hat es Einfluss auf viele andere. Nur die Art der Durchführung ist mehr oder weniger genau vorgeschrieben. Doch meistens braucht es genaue Vorgaben, wie etwas gemacht wird, damit dieses Schaltwerk nicht ins Chaos zerfällt. Jeder gestaltet etwas, nur nicht unbedingt, wie er es selber machen würde. Sich komplett auszuleben, etwas ohne Vorgaben zu machen, ohne Einschränkungen – dafür ist die Freizeit da.
Jeder Mensch wäre gerne wichtig, er möchte, dass andere zu ihm aufsehen und dass im Büro nichts ohne seine Entscheidungen gehen würde. Doch auch das ist eine Illusion. Wenn die Stelle nach der Pensionierung nicht neu besetzt wird oder wenn trotz langer Krankheit oder Urlaub alles den gewohnten Lauf geht, merken viele erst, dass auch sie ersetzbar sind und ihre Arbeit kein tragender Teil der Abteilung war. Niemand ist unersetzbar und ein realistischer Blick auf diese Tatsache kann vor Enttäuschungen bewahren. Das Wissen um die eigene Bedeutung oder eher Bedeutungslosigkeit kann frei machen vor den eigenen überzogenen Erwartungen und denen der Umwelt.
Der letzte Punkt ist die Sinnfrage. Hat unsere Arbeit einen Sinn? Oder nur bestimmte Art von Arbeit? Sind nur soziale Tätigkeiten sinnvoll, hingegen Arbeiten z. B. in der Bürokratie Zeitverschwendung? Ich komme noch einmal auf das hochkomplexe Schaltwerk von vorhin zu reden kommen. Alles ist miteinander verknüpft, nach der Kleine-Welt-Theorie über maximal 6 andere Personen. Der Entwicklungshelfer muss sich vielleicht seltener fragen, welchen Nutzen seine Arbeit hat, jedoch könnte er nicht arbeiten, wenn nicht jemand seine Spenden verwaltet. Er würde ohne Baumaterialien mit leeren Händen dastehen, doch diese müssen hergestellt, organisiert und transportiert werden. Hierfür braucht es Straßen, die gebaut werden müssen. Für Straßen braucht es Steuergelder, die eingezogen und verwaltet werden müssen. Der Entwicklungshelfer steht quasi nur am Ende der Nahrungskette, doch steht er auf einem riesigen Fundament, ohne dass er komplett nutzlos wäre. Dadurch, dass er so weit oben steht, ist er in gewissem Maße noch viel abhängiger von anderen. Es sind die vielen vermeintlich kleinen Tätigkeiten, die alles erst ermöglichen.
Man könnte einwenden, dass es wirklich viele Jobs gibt, die überflüssig erscheinen. Sei es in der Verwaltung oder auch in manchen Firmen, gibt es Leute, die nur unzureichend Arbeit haben. Nicht umsonst wird spekuliert, ob das sogenannte Boreout-Syndrom, der Zustand andauernder Unterforderung am Arbeitsplatz, nicht häufiger vorkommt als das häufig genannte Burnout-Syndrom, was etwas das Gegenteil beschreibt. Hier zeigt sich aber, dass es wichtig ist, überhaupt Arbeit zu haben, um einen Sinn darin zu finden, nicht welche Tätigkeit genau das ist.
Es gibt noch weitere Punkte, die sich diskutieren lassen können, doch will ich zu einem Fazit kommen: Was bleibt, wenn man die Arbeit von ihrem hochstilisierten Gerüst befreit? Ein Tausch von Lebenszeit gegen Geld, nicht mehr und nicht weniger. Es spricht hierbei nichts dagegen, diese „verkaufte“ Lebenszeit so angenehm wie möglich zu machen und dafür eine gerechte Bezahlung zu erhalten. Auf der anderen Seite muss dafür natürlich auch die Arbeit geleistet werden, für die diese Bezahlung erhalten wird.
Die normale Arbeit ist profan, zwar wichtig, jedoch nicht weltbewegend, jeder ist austauschbar und man muss auch nicht für seine Arbeit brennen, um sie gut zu machen. Ein realistisches Bild von der Arbeit bewahrt uns vor Frustration und kann uns wiederum zu besseren Arbeitern machen. In gewissem Maße lässt sich diese Erkenntnis auch auf die freimaurerische Arbeit übertragen. Nur wenn wir uns, unsere Fähigkeiten mit ihren Stärken und Schwächen, unsere Bedeutung in unserem privaten und beruflichen Umfeld richtig einschätzen, bewahren wir uns vor Enttäuschungen. Hierzu ist das „Erkenne dich selbst“ genauso wichtig wie das „Schaue um dich“. Und auch wer für die Freimaurerei brennt, muss noch kein guter Freimaurer sein.
Der Diskussionsabend befasste sich diesen Monat mit dem Thema "Veränderung", denn Veränderung findet immer und überall statt. Wir wollen schließlich ständig etwas verändern. Uns. Unsere Freunde. Die Welt.
Doch was ist Veränderung eigentlich? Warum ist sie wichtig und wie kann sie überhaupt funktionieren? Und - welche Rolle kann die Freimaurerei dabei spielen?
Diese Fragen wurden mit Hilfe des folgenden Impulsvortrages erläutert und anschließend rege diskutiert:
Klären wir zunächst die vielleicht leichteste Frage: Was ist Veränderung?
In dem Wort selbst steckt das Wort „ändern“, welches wiederum das Wort „anders“ enthalt. Es geht also darum etwas anders zu machen als es ist. Somit ist es der Versuch den Ist-Zustand in Richtung eines Soll-Zustandes zu bewegen, der dann wiederum ein neuer Ist-Zustand wird.
Das wäre an sich erst einmal eine einfach Sache. Wirft man einen Blick auf die Synonyme, die für diese einfache Sache verwendet werden, offenbart sich jedoch ein komplexeres Bild. Synonyme für Veränderung sind:
Abwandlung, Korrektur, Modulation, Überarbeitung, Umänderung, Umarbeitung, Umbildung, Umformung, Umgestaltung, Modifikation, Revision, Transformation, Novellierung, Abkehr, Abwendung, Neuerung, Neugestaltung, Neuregelung, Umbruch, Umkehr, Umschwung, Umstellung, Wechsel, Wandel, Wende oder Wendung.
An einer Vielzahl dieser Begriffe lässt sich die Dramatik dieses scheinbar einfachen Prozesses bereits erahnen. Denn Veränderung nicht immer so leicht. Es ist nunmal nicht leicht mit dem Rauchen aufzuhören, öfters Sport zu machen, liebevoller mit sich selbst umzugehen und schon gar nicht die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Was ist aber daran so schwer?
Menschliches Verhalten erfüllt immer einen Sinn und Zweck. Bestimmte Verhaltensweise haben wir erlernt, denn sie haben uns in bestimmten Situationen immer wieder geholfen. Unser Gehirn hat sich gemerkt: Wenn ich mich so verhalte, passiert folgendes und das ist gut. So ist es sinnvoller der merkwürdig riechenden Tante doch ein Küsschen zu geben um dann ein Bonbon abgreifen zu können als sie hinterrücks mit Deo einzusprühen. Auf eine ähnliche Weise, in Zusammenspiel mit einer gewissen genetischen Prädisposition, hat sich unsere Persönlichkeit entwickelt, die wiederum unsere Verhaltensweisen bestimmt. Eine tiefgreifende Verhaltensveränderung bedeutet somit auch, dass wir in gewisser Weise die Persönlichkeit verändern müssen.
Was aber immer mitschwingt, ist der benötigte Erfolg. Wo ist mein Vorteil, wenn ich aufhöre zu rauchen? Wo ist mein Benefit, wenn ich meine Mitarbeiter bei Entscheidungen einbeziehe und meine Vorstellungen nicht wie Befehle kommuniziere?
Und warum sollte ich überhaupt etwas verändern? Wann ist der Punkt erreicht, an dem mir auffällt, dass etwas so nicht mehr weiter geht? Ich gehe davon aus, dass wir unser Verhalten ökonomisch betrachten:
Erst wenn die Nachteile, die unser Verhalten mit sich bringt, die Vorteile dieses Verhaltens überwiegen, fangen wir an, unser Verhalten anzuzweifeln. Dabei muss sich nicht einmal das Verhältnis der Pros und Contras verändern, sondern lediglich ihre Gewichtung.
Passend zur Gewichtung, ein Beispiel zum Essen: Ein Mann isst für sein Leben gern Chips. Er ist sich im Klaren darüber, dass Chips essen dick macht und ungesund ist. Er weiß aber auch ganz genau, dass ihn Chips essen sehr glücklich macht. Dieser Mann isst fröhlich weiter Chips und nimmt dabei zu. Für ihn ist das ok, denn sein Verhalten macht ihn ja glücklich. Nun trifft er eine Frau, die ihn sehr beeindruckt. Diese Frau ist gertenschlank, macht viel Sport und hasst Chips. Wie lange wird es wohl dauern, bis er den Konsum von Chips aufgibt?
Es gibt also eine Lücke zwischen Verhalten und Veränderung. Und es gibt noch weitaus mehr Hürden, die überwunden werden müssen:
Meiner Meinung nach, zeigt das sogenannte Transtheoretische Modell, das von James Prochaska von der University of Rhode Island bereits in den 1990er-Jahren entwickelt wurde, die verschiedenen Stadien von Verhaltensänderung am übersichtlichsten auf.
Das Modell ist aufgebaut wie eine Spirale. Ganz unten befindet sich das Stadium der Absichtslosigkeit. Hier haben Menschen noch keinerlei Absicht etwas zu verändern, auch wenn ein Problem schon existiert oder ein gewisser Druck da ist.
Im zweiten Stadium erfolgt dann doch eine erste Absichtsbildung. Es besteht also das Vorhaben irgendwann etwas zu verändern.
Im Vorbereitungsstadium planen Personen konkret, demnächst ihr problematisches Verhalten zu ändern und unternehmen erste Schritte in Richtung einer Verhaltensänderung. Sie lesen also vielleicht Bücher zum Thema.
Im nächsten Stadium vollziehen die Personen dann die geplante Verhaltensveränderung und sind somit im Handlungsstadium. Nun wird es schwieriger, denn damit ist noch nicht alles geschafft. Denn nun folgt das Stadium der Aufrechterhaltung. Im Aufrechterhaltungsstadium haben Personen seit einem längeren Zeitraum das problematische Verhalten aufgegeben. Damit ist aber noch nicht alles vorbei, denn das alte Verhalten muss noch dauerhaft aufgegeben werden - also mindestens ein Jahr. Mit diesem Stadium ist das neue Verhalten verinnerlicht und wird sehr wahrscheinlich aufrechterhalten.
Der Aufbau dieser Stadien in einer Spirale, lässt bereits erkennen, dass der Weg immer wieder vor und zurück gehen kann. Es ist also nicht gesagt, dass eine Person diese Stadien alle jemals durchlaufen wird.
Das alles klingt nun nach einer ganzen Menge Arbeit und irgendwie auch gar nicht so hoffnungsvoll. Daher könnte man auch fragen: Ist das denn überhaupt nötig? Sollen wir nicht lieber alle den Ist-Zustand akzeptieren und endlich mal aufhören ständig einem Soll-Zustand hinterherzuhechten? Denn wenn der Soll-Zustand erst einmal erreicht ist, wird er ja zum neuen Ist-Zustand und wir brauchen vermutlich wieder ein neues Soll. Also warum das Ganze?
Vielleicht haben Philosophen ja auf diese Frage mal eine schlaue Antwort:
Fragt man in der Welt der alten Weisen herum, spielt die Veränderung immer wieder eine Rolle:
„Panta rhei" - alles fließt, sagte bereits Heraklit, einer der ältesten Philosophen, die uns heute noch bekannt sind. Damit wollte er zum Ausdruck bringen, dass alle Dinge im Ausgleich der Gegensätze entstehen würden, dieser Ausgleich aber nie ewiglich herrschen würden und somit immer alles in Bewegung, oder eben in Veränderung, befindlich ist.
Konfuzius meinte: „Wer ständig glücklich sein möchte, muss sich oft verändern.“
Das klingt nach sehr viel Anstrengung und immer glücklich sein, ist nun auch schwer möglich.
Können wir denn dann nicht aufhören uns zu verändern?
Ovid meinte kurz und knapp: „Alles ändert sich.“ Das bedeutet, dass auch wenn wir uns nicht verändern, die Welt um uns herum sich verändert. Die Welt um uns herum nimmt wiederum Einfluss auf uns, also müssen wir uns zwangsläufig verändern. Und wenn wir diesen Prozess des Veränderns zwangsläufig mitmachen müssen, können wir uns auch bemühen ihn aktiv mitzugestalten. Und irgendwie tun wir dies auch mit unserem eigenen Verhalten. In dieser Wechselwirkung von Innen und Außen liegt der Kern der Veränderung.
Das bringt mich zu der Frage: Können wir denn auch andere Menschen gezielt verändern, ohne dass wir uns verändern? Ja, das geht.
Aber dafür müssen einige Vorraussetzungen erfüllt sein und die wichtigste bringt Johann Heinrich Pestalozzi auf den Punkt: „Ihr müßt die Menschen lieben, wenn ihr sie verändern wollt.“
Jeder Therapeut und Pädagoge weiß, dass es immer Möglichkeiten gibt, die Menschen um uns herum zu verändern. Es ist ihr Alltagsgeschäft. Doch ein wichtiger Teil ihrer Arbeit besteht daraus, dass sie verstehen, dass nicht sie die Vorgaben zu Veränderung machen. Nicht sie zeichnen den Weg vor, den andere zu gehen haben, sondern sie erarbeiten ihn gemeinsam mit ihren Klienten. Sie haben verstanden, dass jeder seinen eigenen Weg zu gehen hat.
Und was bedeutet das alles für die Freimaurerei? Die Freimaurerei proklamiert die Veränderung an sich ständig. Der raue Stein soll zum behauenen Stein werden. Es muss also ständig die ursprüngliche Form des Steines verändert werden bis er ein behauener Stein wird. Doch nicht jeder Stein ist gleich und wenn ich ihn nicht mit Vorsicht bearbeite, ihn genau studiere und auch seine Grenzen akzeptiere, dann wird aus ihm niemals ein behauener Stein, der seinen Platz in der Welt, oder maurerisch gesprochen, im Bau des Tempels der Humanität, finden kann.
Am gestrigen Abend, den 14. Februar 2017, hielt unser Br. Wolfgang Heilmann einen spannenden Vortrag zum Thema "Freimaurerei in postfaktischen Zeiten". In diesem wagt er den Versuch die Freimaurerei in unserer heutigen Zeit zu verorten und sie als einen Ort des Austauschs in einer turbulenten Zeit zu zeichnen.
Den gesamten Vortrag finden sie hier zum Download.
Im Rahmen eines öffentlichen Vortrages stellte unser Br. Redner seine Gedanken zum Thema "Freimaurerei und Arbeit" vor. In diesem Vortrag verfolgte er mehrere Ansätze, wie Freimaurerei und Arbeit zusammenhängen, die dann gemeinsam diskutiert wurden. Diesen Vortrag können Sie hier nachlesen:
"Wir Freimaurer sprechen gerne von Arbeit. Wir verwenden beispielsweise Begriffe wie Tempelarbeit oder Festarbeit, deren Termine wiederum im Arbeitskalender festgehalten werden. Am liebsten sprechen wir jedoch von der Arbeit an uns selbst. Das Sinnbild des rauen Steins an dem gearbeitet werden muss begegnet uns immer wieder. Mit diesem bearbeiteten Stein, arbeiten wir dann weiter an dem Tempel der Humanität. Also auch hier wieder: nur Arbeit…
Ich möchte mich heute Abend ein wenig näher mit dem Begriff der Arbeit beschäftigen, aber vor allem darüber sprechen, was die Arbeit an uns und somit die Arbeit am Tempel der Humanität mit der alltäglichen Erwerbstätigkeit zu tun hat.
Den Begriff der Arbeit wirklich zu durchdringen fällt schwerer als man vielleicht erwartet.
So unterscheiden sich die Tätigkeiten einer Hausfrau (und natürlich auch die eines Hausmannes) inhaltlich von denen eines Buchhalters, Bauarbeiters oder Sozialarbeiters. Vor allem aber erhält die Hausfrau keinen Lohn für Ihre Tätigkeit. Ist nun Arbeit nur etwas, für das man auch bezahlt wird? Also ein Mittel zum Zweck um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten?
Geht man in der Geschichte der Arbeit zurück, wird es erst etwas einfacher. Arbeit war zuallererst einmal eine körperliche Tätigkeit, die der Sicherung der Lebens(-unterhaltes) diente. So mussten die, die es nicht nötig hatten, auch gar nicht arbeiten und konnten sich den wichtigen Dingen des Lebens widmen: Beispielsweise der Kunst oder der Philosophie.
Erst mit dem Erstarken des Christentums begann die Diffamierung von körperlicher Tätigkeit nachzulassen. Besonders prägend ist hierbei der Ausspruch des Paulus’: „Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen.“ Martin Luther berief sich in seiner Schrift "An den christlichen Adel deutscher Nation" ausdrücklich auf diesen Paulus-Satz und erklärte Müßiggang zur Sünde: "Müßiggang ist Sünde wider Gottes Gebot, der hier Arbeit befohlen hat. Zum anderen sündigst du gegen deinen Nächsten.“ Arbeit ist nun auch nicht mehr nur eine reine körperliche Tätigkeit, sondern sie schließt auch immer mehr geistige Tätigkeiten ein. Und Arbeit wird nun also auch zu etwas, das von allen erwartet wird und wiederum für alle gut ist. Diese Gedankengang wird immer stärker im 17. und 18. Jahrhundert und so wird von Thomas Hobbes Arbeit zum ersten Male als Quelle des gesellschaftlichen Reichtums hervorgehoben.
Auch der letzte große Philosoph der Aufklärung, Friedrich Hegel, sieht in der Arbeit wesentlich mehr. Für Hegel ist Arbeit weitaus mehr als bloßer Mittel zum Zweck. Für ihn hat die Arbeit auch einen Wert in sich, denn sie bildet den einzelnen Menschen. Darüberhinaus kommt die Tätigkeit selbst, sowie der daraus entstandene Verdienst, der Gesellschaft zugute.
Und diese zwei Gedanken Hegels sind es, die, meiner Meinung nach, entscheidend sind für eine zentrale Frage des heutigen Abends: Was hat die Arbeit an uns mit der alltäglichen Erwerbstätigkeit zu tun?
Zum einen ist es der Gedanke, dass Arbeit uns bildet und zum anderen, dass Arbeit der Gesellschaft zugute kommt.
Den Bildungsbegriff bei Hegel hier weiter auszuführen, würde für heute Abend ein wenig zu weit führen, doch möchte ich ihn im Sinne von „Formen“ verwenden. Arbeit formt uns als Mensch. Überträgt man den Gedanken einmal in die heutige Zeit, finden sich einige Aspekte, die diese Idee unterstützen. Schließlich beginnen wir unsere ersten Schritte in der Arbeitswelt mit einer Ausbildung. Diese Ausbildung verändert zum Teil auch unsere Sichtweise auf die Welt und unser Verhalten zu ihr. Lasse ich mich beispielsweise zum Polizeibeamten ausbilden werde ich mich vermutlich anders entwickeln als wenn ich eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten beginne. Darüberhinaus erfordern die meisten Berufe eine permanente Weiterentwicklung, damit ich diesen Beruf weiter gut ausüben kann. Ein Richter sollte über die aktuelle Gesetzeslage genau so gut informiert sein wie ein Kaufmännischer Angestellter über die Funktionsweisen der neusten Version von Microsoft Excel.
Doch egal welche Art von Lohnarbeit ich verrichte, ich trage meinen Teil zum Funktionieren unserer Gesellschaft bei. Ein Teil meines Lohnes fließt in die Sozialsysteme und den weiteren Teil lasse ich in die Wirtschaft fließen indem ich konsumiere. Dieser Konsum sorgt wiederum dafür, dass andere Menschen Arbeit haben, die wiederum ihre Anteile in die Systeme fließen lassen. Ich trage also etwas dazu bei, dass es uns als Gesellschaft gut geht.
Soviel zu den philosophischen Überlegungen zur Arbeit und wie sie uns nützen kann. Doch was ist mit der Praxis? Könnte man aus diesen Thesen nun schließen, dass es, gesamtgesellschaftlich betrachtet, doch am besten für alle wäre, einen möglichst gut bezahlten Job zu bekommen?
Sehen wir uns diese Berufe einmal an:
Zu den bestbezahlten Berufen gehören in Deutschland (je nach Statistik) Unternehmensberater, Vorstandsmitglieder von Aktien-Gesellschaften, Juristen, Ärzte, Investmentbanker, Marketing- und Vertriebsleiter sowie Ingenieure.
Diese Menschen, würden laut der These, also am meisten für die Gesellschaft tun.
Zum Vergleich dazu eine Auswahl der am schlechtesten bezahlten Berufe, die dementsprechend am wenigsten für die Gesellschaft tun würden: Friseure, Kellner, Kassierer, Pflegekräfte, Arzthelferinnen, Berufskraftfahrer, Hausmeister und Handwerker.
Ich denke, damit ist deutlich geworden, dass der Nutzen einer Tätigkeit nicht nur von der Bezahlung abhängt. Unsere Gesellschaft würde schließlich beim besten Willen nicht funktionieren, wenn wir alle Vorstandsmitglieder eines DAX-Unternehmens wären und niemand sich um uns kümmert, wenn wir alt sind. Mit diesem Hinweis möchte ich beim besten Willen keine Diskussion über Lohngerechtigkeit vom Zaun brechen, sondern lediglich darstellen, dass die Frage nach einer „wertvollen“ Arbeit nicht ganz so leicht zu beantworten ist.
Ist es denn nun demzufolge egal, welche Tätigkeit ich ausübe um am vielgelobten „Tempel der Humanität“ zu arbeiten und einen Beitrag zu einer besseren Gesellschaft zu leisten? Reicht es nicht, wenn ich brav meine Steuern und Sozialabgaben zahle und an Weihnachten möglichst viel Geld für Geschenke ausgebe um die Wirtschaft fleißig anzukurbeln?
Ich denke, es ist nicht egal, welche Tätigkeit ich ausübe. Wie ich gezeigt habe, macht Arbeit etwas mit uns. Somit können wir doch auch etwas mit unserer Arbeit machen. Wir können Sie nutzen um etwas zu verändern, denn wir können Sie uns in vielen Fällen zumindest erst einmal aussuchen. Sicher nicht jeder in vollem Umfang, aber bis zu einem gewissen Grad können wir mitbestimmen, welche Tätigkeit wir für welches Unternehmen ausüben wollen. Wenn ich ein guter Programmierer bin, muss ich nicht zwingend eine Software für VW schreiben. Wenn ich ein guter Verkäufer bin, muss ich mich nicht zwingend in die Dienste eines Rüstungskonzernes begeben. Schon gar nicht, wenn ich als Freimaurer an einer besseren, toleranteren oder menschlicheren Gesellschaft arbeiten möchte.
Ich erwarte nicht, dass wir als Freimaurer nun alle anfangen für eine gemeinnützige Organisation unserer Wahl zu arbeiten. Ich frage mich nur, inwieweit wir unsere alltägliche Arbeit als etwas ebenso wichtiges begreifen wie unsere Tempelarbeiten und die Arbeit an uns selber. Und ob es da nicht Möglichkeiten gibt, diese Arbeiten zu vereinen und wo die Grenzen dafür liegen. Wir verbringen etwa 37 Jahre unseres Lebens im Beruf. Im Laufe eines normalen Arbeitslebens hat ein Mensch in Deutschland etwa 61.283 Stunden gearbeitet. Zeit, die wir sicherlich gut nutzen können um etwas zu verbessern."
Gestern, am 06. September 2016, fand unser erstes Treffen im neuen Maurerjahr 2016/2017 statt. Nach unserer zweimonatigen Sommerpause kamen die Brüder unserer Loge zu einem "Brüderlichen Beisammensein" zusammen um sich über die letzten Monate auszutauschen und sich Gedanken über das kommende Jahr zu machen.
Das kommende Jahr beginnt bereits sehr spannend nächste Woche Dienstag, den 13. September 2016, mit einem Doppelvortrag zweier Brüder, die gegensätzlicher Meinung sind. Das Thema dazu lautet: "Symbole - Sinn oder Unsinn?". Einer der beiden Referenten ist ein ausgesprochener Symbolfan und sieht in Symbolen eine absolute Notwendigkeit - nicht nur auf die Freimaurerei bezogen. Der zweite Referent sieht dies eher gegenteilig und wird seine Sichtweise dazu darlegen. So erwartet uns nicht nur ein Diskussionsabend mit einem spannenden Thema, sondern auch ein Beispiel für den Umgang mit Gegensätzlichkeiten innerhalb der Freimaurerei. Gäste sind uns an diesem Abend herzlich willkommen, denn Symbole finden sich nicht nur in der Freimaurerei, sondern sie begegnen uns überall.
Darüberhinaus erwarten uns diese Jahr Vorträge zu den Themen "Öffentliches Risikobewusstsein", "Arbeit und Freimaurerei" und "TTIP". Die aktuellen Daten entnehmen Sie bitte unserem Internetkalendar oder laden Sie sie hier herunter.
Gestern Abend (14. Juni 2016) fand unser öffentlicher Diskussionsabend statt. Thematisiert wurde dieses Mal der Umgang einer Gesellschaft mit Rauschmittel. Der Referent, der beruflich regelmäßig mit diesen Stoffen, ihren Wirkungsweisen und ihren Folgen zu tun hat, gab einen ersten Überblick über das gesamte Spektrum der Drogen. Anschließend näherte er sich der Frage, wie wir als aufgeklärte und verantwortungsbewusste Bürger mit solchen Stoffen umgehen können und in wie weit der Staat in diesen Bereich eingreifen sollte oder ob Freiheit nicht doch ein noch höheres Gut darstellt als der Schutz vor sich selber. Diese Fragen wurden eingehend und lebhaft mit allen Anwesenden diskutiert.
Den einleitenden Vortrag können Sie in gesamter Länge hier nachlesen:
"Dieser Monat ist wieder Drogenmonat. Denn der neue Drogenbericht der Bundesregierung ist da. Es wird geredet über Jugendliche, die sich wieder weniger ins Koma saufen, über Manager, die wieder mehr koksen und über Kinder, die schon früh vom Computer abhängig werden. Und dann wird da auch immer mehr gekifft.
Warum tut da eigentlich niemand was? Warum ist die Politik machtlos? Und sollte da eigentlich wirklich überhaupt jemand etwas tun?
Im Februar forderte der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan, dass alle Drogen weltweit legalisiert werden sollten. Und mehr noch: Der Staat sollte die Drogen sogar noch beschaffen und den Konsumenten zugänglich machen. Warum sollte der Staat das tun? Hatte Kofi Annan vielleicht selber ein wenig zu viel konsumiert?
Doch bevor wir uns diesen sehr weit reichenden Fragen widmen, vielleicht ein wenig Grundlagenforschung:
Als Droge gilt, nach Definition der Weltgesundheitsorganisation, jeder Wirkstoff, der in einem lebenden Organismus Funktionen zu verändern vermag. Das gilt dann für den im Tabak enthaltenen Wirkstoff Nikotin genauso wie für das im Kaffee enthaltene Koffein. Wikipedia beschreibt Drogen als „im deutschen Sprachgebrauch verwendete Bezeichnung für stark wirksame psychotrope Substanzen und Zubereitungen aus solchen.“ Und weiter: „Allgemein weisen Drogen eine bewusstseins- und wahrnehmungsverändernde Wirkung auf.“
Die bekanntesten sind Tabak, Heroin, Alkohol, Cannabis, LSD, Kokain sowie Amphetamine wie Speed, Ectasy und Crystal Meth.
Am beliebtesten sind unangefochten immer noch Alkohol und Tabak, auch wenn der Konsum leicht zurückgeht.
Doch stolze 9,7 Liter reinen Alkohol tranken die Deutschen durchschnittlich im Jahr 2013. Das entspricht etwas einer Badewanne von 137,2 Liter voll mit alkoholischen Getränken. Darin enthalten sind 106,6 Liter Bier, 21,1 Liter Wein, 5,5 Liter Spirituosen und 4,0 Liter Sekt.
Etwa 74.000 Menschen sterben im Jahr an den Folgen ihres riskanten Alkoholkonsums.
An den direkten Folgen des Rauchens sterben etwa 110.000 Menschen in Deutschland pro Jahr. Zusätzlich geht die Drogenbeauftragte der Bundesregierung von etwa 3.300 Todesfällen durch Passivrauchen
aus.
Am Konsum illegaler Drogen starben in Deutschland im vergangenen Jahr 1.226 Menschen. Die meisten dieser Tode gingen auf das Konto von Heroin.
Doch warum nehmen Menschen Drogen? Warum trinken wir Alkohol? Warum rauchen wir?
Es gibt viele, auch viele gute Gründe, Drogen zu nehmen und sich zu berauschen. Alkohol zum Beispiel erleichtert die Kontaktaufnahme zu anderen und entspannt. LSD bewirkt ein Gefühl, mit allem eins zu sein sowie ein tieferes Verständnis „von den Dingen“, das Gefühl von einer die Ahnung einer „höheren Wirklichkeit“ und dem „Gefühl allumfassender Liebe“ - Gefühle, die wir Freimaurer doch in gewisser Weise suchen.
Doch auch wenn es viele gute Gründe gibt sich zu berauschen, gibt es leider wie bei allem im Leben ein paar Nachteile.
Alkohol ist ein Nervengift und greift den gesamten Körper an, LSD kann latent vorhanden psychische Erkrankungen auslösen, oder ich kann auf dem Trip hängenbleiben und kann nicht mehr zwischen Realität und Halluzinationen unterscheiden.
Und wenn es dann auch noch richtig schiefgegangen ist, habe ich eine Abhängigkeit entwickelt. Von einer Abhängigkeit spricht man, wenn jemand unter dem Zwang leidet mit Hilfe von bestimmten Substanzen oder bestimmten Verhaltensweisen, belastende Gefühle zu vermeiden.
Die meisten Süchtigen sind unter den Rauchern zu finden: Etwa 14,7 Millionen Menschen, 1,8 Millionen Menschen sind alkoholabhängig und etwa 2,3 Millionen Menschen sind vermutlich von Medikamenten abhängig. Rund 600.000 Menschen weisen einen problematischen Konsum von illegalen Drogen auf, weit verbreitet ist hier vor allem Cannabis.
Wenn wir also bereits jetzt ein so großes Problem mit den Drogen haben, die jederzeit verfügbar sind, warum sollten dann auch noch die bis jetzt illegalen Drogen legalisiert werden? Fallen dann nicht alle auf einmal über diese neue Droge her und fröhnen einem ausgelassenen Hedonismus?
Sehen wir uns das ganze mal am Beispiel von Cannabis an:
Etwa 22% der Europäer (ca. 75 Mio.) haben in ihrem Leben bereits einmal Cannabis konsumiert. Somit ist Cannabis keine unbekannte und besonders schwer zu beschaffende Droge, sondern eine, die in der Gesellschaft angekommen ist (oder sogar schon immer da war?). Viele Länder dieser Welt gehen mittlerweile offen damit um und gehen zu einer liberalen Politik über. Unsere niederländischen Nachbarn haben bereits 1976 mit einer Entkriminalisierung begonnen und können nun auf 30 Jahre Erfahrung mit dieser Form der Politik zurückblicken. Dabei zeigt sich, dass der Straßenhandel massiv zurückgegangen ist und dass zusätzliche Steuereinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe generiert wurden. Gleichzeitig wurde der Anteil der neuen Konsumenten oder Süchtigen jedoch nicht erhöht. Diese Erfahrungen machten bis jetzt nicht nur die Niederländer sondern auch Länder, die ebenfalls eine liberale Form des Umgangs mit Cannabis pflegen, auch wenn ihre Erfahrungen bis jetzt noch nicht so weitreichend sind.
Anscheinend sind Menschen doch in der Lage mit einem berauschenden Mittel verantwortungsbewusst umzugehen und müssen nicht von einem übereifrigen Staat bevormundet werden. Drogen wurden immer konsumiert und werden auch weiterhin konsumiert werden. Die Frage ist nur, welche Droge wird das sein? Ich denke, dass jede Zeit ihre eigene Droge mit hervorbringt und der Umgang mit dieser immer wieder neu erlernt werden muss. Schließlich wollen wir doch, dass unsere Mitmenschen verantwortungsbewusste und mündige Bürger ihres Landes sind. Dass man Entscheidungen treffen kann, die diese beiden Adjektive verdienen, bedeutet, dass ich voll und ganz über die positiven und negativen Folgen Bescheid weiß und auch Erfahrungen machen kann, die mich an - und manchmal auch über - meine Grenzen bringen. Es bedeutet auch, dass ich meinen persönlichen Rückzugsraum haben darf, den mir keiner nehmen darf, solange ich niemanden anderen gefährde. Ich glaube, es gibt für jeden Menschen eine bestimmte Form von Rausch, die ihm etwas bedeutet, die ihn wieder runterholt, ihn entspannt, ihm neue Möglichkeiten eröffnet. Ob das nun unbedingt eine Droge sein muss, ist eine ganz andere Frage, aber sollten wir Menschen die diese Weg für sich gehen möchten, auch noch versperren? Und wenn wir ihn versperren, bewirkt es wirklich, dass Menschen diesen Weg nicht gehen? Sollten wir nicht vielleicht unterstützende Maßnahmen einleiten, die Menschen dazu befähigen verantwortungsvoll mit Suchtmitteln umzugehen? Sollten wir „Rauschseminare“ anbieten, in denen - unter Anleitung und im passenden Rahmen - mit solchen Mitteln experimentiert wird? Oder sollten wir dem ganzen einen Riegel vorschieben, einfach alle Rauschmittel, inklusive Tabak und Alkohol, an den Pranger stellen und diese verbieten? Sollten wir dafür sorgen, dass alles, was der Gesundheit schadet, verboten wird und wenn das nicht geht, zumindest an allen McDonalds-Fillialen einen Warnhinweis aufkleben?
Ich hoffe ihr seht, dass der Umgang einer Gesellschaft mit dem Thema auch etwas damit zu tun haben kann, wie viel Freiheit man seinen Bürgern lässt und wie viel Verantwortung man ihnen zutraut. Versteht mich nicht falsch, ich bin nicht der Überzeugung, dass wir nun alles frei zugänglich machen sollten und jeder 15-Jährige sich an der Straßenecke Heroin kaufen kann. Doch ich bin der Meinung, dass wir uns fragen sollten, ob ein aufgeklärter Mensch nicht auch in der Lage sein sollte, mit einem Sicherheitsnetz versehen, auch mal einen kleinen Sprung zu wagen."
Diesen Dienstag (10. Mai 2016) diskutierten wir zum ersten Mal im öffentlichen Rahmen die Flüchtlingskrise. Wie immer bei unseren Diskussionen ging es nicht darum Lösungen zu finden, sondern sich auszutauschen - auch über brisante Themen, die viele gegensätzliche Positionen evoziert. Doch wollen wir zeigen, dass es möglich ist, sich auch bei solchen Themen respektvoll zu begegnen. Den Impulsvortrag lieferte unser stellvertretende Redner Wolfgang Heilmann, der viele Punkte ansprach, die es wert waren ausgiebig diskutiert zu werden. Hier der Vortrag in voller Länge:
"Ich kann es einfach nicht mehr hören…"
Diese spontane Reaktion war und ist häufig zu vernehmen, wenn es um Flüchtlinge, Asyl und Grenzsicherung geht. Aber Überdruss allein hat noch kein Problem behoben. unreflektierter Überdruss führt zu unreflektierten Ergebnissen, zum Beispiel an der Wahlurne. Das Thema ist brisant, gefährlich eskalativ, der Stoff, der aus Freunden Gegner macht und umgekehrt, der Stoff, aus dem brennende Flüchtlingsheime entstehen. Das Thema ist aber auch ein Paradebeispiel dafür, wie schwankend, wie unkalkulierbar des Volkes Stimmung ist.
Erinnern wir uns nur acht Monate später noch an die anscheinend mehrheitliche, euphorische Hilfsbereitschaft, dieses eigentümliche Gemenge von Gefühl und Nüchternheit, Überzeugung und Stolz, die das „Wir schaffen das“ der Kanzlerin geprägt haben, das wärmende Empfinden, in der Weltöffentlichkeit endlich wieder „der gute Deutsche“ zu sein. Vergangenen Dezember wurde Merkel vom Time Magazin als Person des Jahres 2015 ausgezeichnet, als „Kanzlerin der freien Welt". Zitat:
"Bei Merkel schwang ein anderer Wertekanon – Menschlichkeit, Güte, Toleranz – mit, um zu zeigen, wie die große Stärke Deutschlands zum Retten statt zum Zerstören genutzt werden kann. Es ist selten, einem Anführer bei dem Prozess zuzusehen, eine alte und quälende nationale Identität abzulegen."
Kommentar von Donald Trump, der sich um einen verdienten ersten Platz in der Rangliste geprellt fühlte:
"Sie haben die Person ausgewählt, die Deutschland ruiniert."
Eine Meinung, in der sich heute viele Deutsche wiederfinden. Der Wahlkampf in 3 Bundesländern… Verrückte Welt. Christdemokraten und christlich Soziale gehen auf Distanz zu ihrer Kanzlerin, wo sich Sozialdemokraten und Grüne mit ihr solidarisieren? Eine AfD, der Wahlstimmenanteile zugetraut werden, von denen die NPD nur hätte träumen können, die zurzeit vor dem Bundesverfassungsgericht ums Überleben kämpft.
Zweckbündnisse, die zuvor undenkbar erschienen. Seehofer mit Putin, Merkel und die EU mit Erdogan?
Der Amerikaner Samuel Huntington machte 1996 also bereits vor 20 Jahren mit seinem Buch „Clash of Civilisations“ Furore. Heute hat sein Albtraum vom Untergang der westlichen Zivilisation und dem Erstarken der islamischen Kultur einen demographischen Ansatz: Einwanderung und Asyl.
Die einen propagieren die Schließung der Grenzen, vor allem die Schließung der Balkanroute als Rettung des Abendlandes, die anderen sind plakativ empört, aber innerlich hochzufrieden darüber, dass faktisch der Flüchtlingsdruck am Stacheldraht versickert.
Über 1 Million neue Flüchtlinge in Deutschland im Jahr 2015. Damit hat niemand gerechnet, auch nicht die Kanzlerin und die Fortschreibung solcher Zahlen stimmt auch überzeugte Flüchtlingshelfer nachdenklich. Wo soll das enden? Die Beantwortung dieser Frage darf man nicht der AfD überlassen, aber zurzeit sind die etablierten Parteien erschreckend sprachlos. Aktionsalismus ersetzt Nachdenklichkeit und Argumentation.
Ich kann und möchte keine Lösung liefern, aber ich möchte Eure Meinungen, Eure Haltungen zu diesem Thema erfahren. Die Freimaurerei ist durch die Idee des Humanismus geprägt. Unserer Arbeit wäre nur halb getan, wenn wir gefühllos blieben gegen die Not um uns her. Wenn das Thema Flüchtlinge kein Lackmustest für unsere Ideale ist, welches andere dann? Wir sind mit der offenen Diskussion und Erörterung ziemlich spät dran. Der öffentliche Druck der Flüchtlingsströme an unseren Grenzen ist spürbar geringer geworden, ohne dass unsere Regierung dazu etwas nachhaltig Überzeugendes beigetragen hätte. Das Thema Asyl ist nicht mehr der Dauerbrenner in den Schlagzeilen, der Schock der Silvesternacht in Köln und der drei Landtagswahlen vom 13. März sind abgeklungen. Es besteht begründete Hoffnung, sich etwas leidenschaftsbegrenzter mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Im allgemeinen Wortgebrauch bedeutet Asyl gewähren, einem in Not geratenen Menschen eine Zuflucht, ein Obdach gewähren. Bis ins Mittelalter waren Asyle Orte christlicher Nächstenliebe, meistens im Rahmen einer Klostergemeinschaft oder einer Missionsstation. Im modernen politisch, juristisch geprägten Wortgebrauch betrifft das Asyl indessen nur Flüchtlinge, d.h. Menschen, die in ihrem Herkunftsland wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Überzeugung verfolgt werden. Damit werden ausgenommen Personen, die vor einer wirtschaftlichen Not, vor Hunger und Obdachlosigkeit fliehen. Warum die politisch Verfolgten eher unserer Hilfe und Nächstenliebe bedürfen sollen als die Hungernden, lässt sich unter humanitären Gesichtspunkten nicht begründen, hat seine Ursache vielleicht darin, dass man gemeint hat, die Zahl politisch Verfolgter durch geeignete Definitionen und die politische Festlegung so genannter sicherer Herkunftsländer eher in den Griff zu bekommen.
Asylpolitik ist ein Brennspiegel des modernen Menschen, seiner Gesellschaften, deren Befindlichkeiten und politischer Hilflosigkeit. Lob und Tadel liegen verdammt nah beieinander. Im September 2015 waren wir überwiegend stolz auf unsere Kanzlerin, deren selbstbewusstes „Wir schaffen das“ auf einen Sturm von Hilfsbereitschaft traf, den die Welt den deutschen Erbsenzählern nicht zugetraut hätte. Das Verfallsdatum guter Taten ist indessen erschreckend kurz, zumal wenn man im Überschwang humanistischer Regungen deren Spätfolgen vernachlässigt. Der Preis ist dann ein überschäumender Stammtisch, mit Seehofer und AFD als Trittbrettfahrer und Brandbeschleuniger.
Wir haben den Sozialstaat, dessen unmittelbare Nutznießer eifersüchtig über ihre Pfründe wachen, die Zuwanderung (nicht nur die Spielart der Asylanten) als Belastung der letztendlich nicht beliebig steigerbaren Ressourcen empfinden, an dessen Höhe und Verteilungsmodus man sich doch schon so gewöhnt hat. Mehr und länger lebende Rentner bedeuten niedrigere Renten. Mehr Asylanten bedeuten mehr Wettbewerb um Sozialleistungen und Wohnraum und damit letztendlich Abstriche für die derzeitigen Leistungsempfänger, so die Logik nicht nur der Straße, sondern auch eines oberflächlich besorgten Vizekanzlers.
Politiker sind eine viel verachtete, viel gescholtene Spezies. Wen wundert es, dass sie zunächst überwiegend und parteiübergreifend die Gelegenheit ergriffen haben, sich einmal als „Menschen“ zu zeigen. Das Wort „Gutmensch“ ist allerdings zwischenzeitlich eher zu einem Schimpfwort degeneriert und so rudert man wieder vorsichtig zurück, was man als bessere Einsicht verkaufen möchte, aber irgendwie schon nach opportunistischen Fähnlein im Winde der Volkswut riecht.
Beim Asyl prallen Ideal und Wirklichkeit, Humanismus und Abgrenzung, politische Verantwortung und der Zorn der Straße ziemlich heftig aufeinander.
Die Ambivalenz ist dabei hausgemacht. Jahrzehntelang haben unsere Politiker geleugnet, dass wir ein Zuwanderungsland seien. Da hatten andere Nationen längst eine realistischere Betrachtung und vor allen Dingen eine durchdachte gesetzliche Regulierung der Migration gewonnen. Nomen Est Omen. Wir Deutschen haben kein Einwanderungs- oder Zuwanderungsgesetz, sondern - getrennt - ein Aufenthaltsgesetz und Asylgesetz. Der Ausländer ist etwas Fremdartiges, als Urlauber oder Investor, allenfalls noch als von unseren Unternehmen dringlich benötigter, qualifizierter Mitarbeiter willkommen, aber ansonsten möglichst weg zu regulieren. An EU-Bürger hat man sich gewöhnt, obwohl sie ja an und für sich auch Ausländer sind. Aber wir haben die Grenzen unserer my home is my castle Mentalität einfach EU erweitert. Multikulti hat infolge islamistischen Terrors ohnehin seinen romantischen Charme deutlich eingebüßt.
Humanismus, Menschenliebe, Hilfsbereitschaft in der Not oder Abgrenzung, Erhalt eines Bevölkerung-Status quo, der bereits jetzt als verbesserungswürdig empfunden wird, bei negativem Bevölkerungswachstum.
Die ungerechte und wachsende Kluft zwischen Arm und Superreich in unserem Land empört die Straße evident deutlich weniger als die Aussicht mit zugewanderten anderen Armen konkurrieren zu müssen. Dass die Superreichen abgeben sollen, beispielsweise über eine gerechtere Versteuerung von Kapitaleinkünften oder eine spürbare Erbschaftssteuer, erscheint weniger naheliegend, als dass der Import von neuen Hungerleidern zu unterbleiben habe. Es geht auch nicht wirklich um Kriegsopfer, Kriegsflüchtlinge. Es geht um die Abwendung von Völkerwanderungen der Ärmsten zu den Sozialtöpfen der reichen Nationen. Versteht mich nicht falsch: Das ist völlig legitim, die Sorge um materielle Überforderung unseres Sozialstaates. Aber man soll das Kind dann auch ehrlich beim Namen nennen.
Man soll die verdammte Bigotterie einstellen. Den guten Deutschen herauskehren, Ungarn, Österreich und die Balkanstaaten wegen deren sachlich durchaus naheliegender alternativen Grenzpolitik schelten und gleichzeitig die versiegenden Flüchtlingsströme als unmittelbare Folge dieser Sperrung der Balkanroute als erholsame Entlastung wertschätzen. Das ist genauso unredlich wie der Deal mit Erdogan. Ehrlichkeit und Realismus, schlichtes Verwaltungshandwerk tun Not.
Ganze Völker, Volksmassen sind unterwegs auf der Suche nach einer neuen Heimat, weil die alte ihnen nur Krieg, Armut und Not bietet, eine Zukunft verweigert. Dies gilt es zu unterbinden bzw. so weit zu regulieren, dass nicht die Zielländer überfordert und mit in den Abgrund gezogen werden.
Entwicklungshilfe und militärische Interventionen in Fluchtländern können aus vielfältigen Gründen die Zuwanderungsbewegungen weder verhindern noch wesentlich eindämmen. Sie sind wichtig, aber nicht geeignet, uns die Frage zu ersparen: Wie viel Zuwanderung wollen/können wir uns leisten?
Grenzen haben eine staatstragende Funktion. Ich darf, ich muss ungeregelte, anonyme massenhafte Grenzübertritte unterbinden. Diese Erkenntnis zu leugnen, kann sich nur ein Land leisten, dass keine Außengrenzen der EU aufweist oder dessen Grenzen jenseits aller gebräuchlichen Flüchtlingsrouten liegen. Die Freizügigkeit innerhalb der EU und die damit verbundenen Vorteile europäischer Unternehmen im Binnenverkehr können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Staatsgrenzen notwendig sind und auch die Funktion erfüllen müssen, ungewollte, gesetzwidrige Grenzübertritte möglichst zu verhindern. Man sollte also mit der Dämonisierung von Grenzen und Grenzsicherung aufhören. Die aktuelle Lage ist für Deutschland im Grenzbereich ziemlich bequem. Die „bösen Hardliner“ in Europa haben die Balkanroute unterbrochen. Sie übernehmen die undankbare Rolle, Flüchtlingsströme, die sie auf ihrem Staatsgebiet nicht, auch nicht vorübergehend, dulden wollen, notfalls mit Gewalt an einer Grenzüberschreitung zu hindern. Sie treffen die bösen Bilder von Tränengasgranaten auf Frauen und Kinder. Unsere eigene Landesgrenze ist nicht gefordert, solange diese Zustände (formal beanstandet) fortbestehen. Österreich und die Balkanstaaten handeln rational und regelkonform, werden aber ein wenig scheinheilig als „bad guys“ gehandelt.
Unser Ruf als beamten- und bürokratiestarke Nation nimmt Schaden, wenn es nicht gelingt, Asylbewerber zeitnah und zuverlässig zu registrieren und die Verfahren rechtsstaatlich und zeitnah abzuschließen. Integration, Sprachförderung, örtliche Verteilung der Asylbewerber sind organisierbar. Hier klaffen Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit, die nicht weniger befremden als der Zustand unserer Straßen, Brücken, Schulen oder auch der Zustand der Ausstattung der Bundeswehr. Es verbreitet sich der Eindruck mangelnder Voraussicht, Planung und exekutiver Elementarfähigkeiten.
Juristisch ist das Problem hingegen in den Griff zu bringen. Nach einem sprunghaften Anstieg der Asylbewerber in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren wurde das bis dahin schrankenlos gewährte Asylgrundrecht neugestaltet:
- Ausländer, welche über einen Staat der Europäischen Union oder einen sonstigen sicheren Drittstaat einreisen, können sich nicht auf das Asylrecht berufen (Art. 16a Abs. 2 GG).
- Bei bestimmten Herkunftsstaaten (sog. sichere Herkunftsstaaten) kann vermutet werden, dass dort keine politische Verfolgung stattfindet, solange der Asylbewerber diese Vermutung nicht entkräftet (Art. 16a Abs. 3 GG).
Die Entscheidung der Bundesregierung im September 2015, Flüchtlinge aus Ungarn einreisen zu lassen und ihnen die Berufung auf das Asylrecht zu ermöglichen, verstößt gegen Art. 16a Grundgesetz. Insoweit ist der Gesetzwidrigkeitsvorwurf nicht von der Hand zu weisen. Ob eine Regierung auf der anderen Seite nicht berechtigt ist und sein können muss, in einer Ausnahmesituation eine solche Maßnahme als einmalige bzw. zeitlich beschränkte humanistische Hilfe zu ergreifen, müsste letztendlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden, eine Alternative mit der Seehofer zwischenzeitlich zunehmend zögerlich droht.
Art. 16a I Grundgesetz lautet derzeit: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“. Es wäre ein Einfaches hinzuzufügen: „Das Nähere regelt ein Bundesgesetz“. Das würde klarstellen, dass es sich beim Asylrecht um eine sogenannte institutionelle Garantie handelt und die Möglichkeit schaffen, einfach gesetzliche Grenzen des Asylrechtes festzulegen, etwa in Form von Quoten. Also eine Neukonzeptionierung des Art. 16 a, weg vom Individualgrundrecht für jedermann, hin zu einer institutionellen Garantie oder eine „Staatszielbestimmung“. Politisch Verfolgten würde nur noch „nach Maßgabe der Gesetze“ Asyl gewährt. Die staatlichen Organe blieben in der Pflicht, hätten aber größeren Gestaltungsspielraum gewonnen. Vor allem könnte der (einfache) Gesetzgeber Obergrenzen und Kontingentierungen festsetzen und bei Bedarf flexibel verändern. Eine solche Neukonzeptionierung des Asylrechts wäre nur im Wege einer Grundgesetzänderung möglich und bedürfte zugleich einer Änderung europarechtlicher Vorgaben, würde aber der Bundesrepublik die Möglichkeit verschaffen, eine angemessene, an der humanistischen Notlage auf der einen und den wirtschaftlichen und innenpolitischen Befindlichkeiten auf der anderen Seite entsprechende Einwanderungsquote zu bestimmen. Es fehlt nur der politische Wille dazu.
Die derzeit vorgesehenen Schranken sind nicht wirklich überzeugend. Nach Art. 16 Abs. 2 kann sich auf das Asylrecht niemand berufen, der aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder einem sogenannten sicheren Drittstaat einreist. Das ist ein ziemlich realitätsfremdes Ruhepolster, das man schnellst möglichst gegen eine Quotenregelung austauschen sollte, anstatt es, wie im letzten September geschehen, schlicht zu ignorieren. Der derzeitige Rechtszustand belastet nur die an den bekannten Flüchtlingsrouten belegenen Länder mit EU Außengrenzen, vor allen Dingen Griechenland und Italien. Das war zu keinem Zeitpunkt eine gerechte Lastenverteilung. Die exponierte Stellung der Länder mit EU Außengrenzen ist seit über 20 Jahren bekannt, aber mangels Belastungsprobe nicht ernst genommen worden. Erst der Bürgerkrieg in Syrien und der Fluchtweg über die Türkei und das Mittelmeer nach Griechenland haben diese konstruktive Schwachstelle des europäischen Asylrechts deutlich werden lassen.
Frau Merkel: Es war eine schöne, humanistische Geste vorbehaltloser Hilfsbereitschaft, aber sie hätten es von Anfang an als zeitlich und zahlenmäßig beschränkte Soforthilfe ausweisen müssen und durften nicht Hoffnungen auf eine Dauerlösung wecken. Diese Einsicht kam zu zögerlich, zu spät und letztendlich auch zu unredlich.
Eine Nation hat auch etwas mit Kultur, Geschichte, Sprache, Tradition (auch politischer), mit Heimat zu tun. Eine Zuwanderung in einem Ausmaß, dass wesentliche Teile der Bevölkerung sich im eigenen Land als Fremde fühlen, darf nicht stattfinden. Wer diese Überfremdungsängste nicht ernst nimmt, dem steht keine verantwortliche Position in unserer Politik zu, genauso wenig wie denjenigen, die Überfremdungsängste und Ausländerhass befeuern. Das Potenzial einer AFD beschränkt sich nicht auf tumbe Nationalsozialisten sondern rekrutiert sich nicht zuletzt aus vielen ganz normalen Bürgern, Erst- und Wiederwählern, die es leid sind, in dem, was sie bewegt und ängstigt, kein Gehör zu finden, weil die Politik abgehoben ist, eine kleine Elite, die unter sich aushandelt, was 80 Millionen Bürger betrifft und ausbaden müssen. Das sind keine Repräsentanten des Volkes mehr, sondern sie sind an seine Stelle getreten. Genau das meint „Wir sind das Volk“.
Ich soll dem Volk aufs Maul schauen, aber das, was ich dort höre, verantwortungsbewusst und gemäß unserer Verfassung in Realpolitik umsetzen. Ich darf und soll auch dem Volk verweigern, was ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann. Aber ich darf mich nicht so weit von ihm entfernen, dass ich es überhaupt nur noch an der Wahlurne wahrnehme.
Die Nation hat auch in Globalisierungszeiten, bei allem Zusammenwirken und Zusammenwachsen der Staaten, ihre Bedeutung behalten. Unsere Gesellschaften sind auch durch Zuwanderung bunter, vielfältiger, ja klüger geworden. Unsere Kulturen tauschen sich aus, beeinflussen einander. Dennoch bleibt die Nation identitätsbildend, macht Heimat aus. Ein Aspekt, den übrigens gerade die EU sträflich vernachlässigt.
Wir kehren der Not nicht den Rücken. Wir helfen, wo wir können, auch und gerade Asylanten. Das ist uns ein humanistisches Bedürfnis. Aber keine Hilfe ist schrankenlos. Sie darf den Helfenden nicht überfordern, entfremden, ängstigen. Wir müssen unsere Position zwischen den Extremen Hilfe und Eigennutz, aufeinander Zugehen und Angst, Weltoffenheit und Entfremdung, Nächstenliebe finden. Hilfe um jeden Preis ist ziemlich einfältig, gefährlich, letztendlich hilflos. Grenzenlose Angst vor dem Fremden, die Vorstellung, dass nur am deutschen Wesen die Welt genesen wird, gleichermaßen. Also Aufklärung, Offenheit, Ehrlichkeit, Dialog mit dem Wähler statt einsamer, abgekoppelter Entscheidungen da oben. Sprecht mit denen, die ihr repräsentiert, hört ihnen zu und wenn Euch nicht gefällt, was ihr hört, überzeugt sie eines Besseren, aber lasst sie nicht sprach- und bedeutungslos zurück. Europa ist zuvörderst eine Gemeinschaft von Wirtschaftsinteressen, ein großer Binnenmarkt mit einer gemeinsamen Währung, sowie einem größtmöglichen Maß an Freizügigkeit. So weit, so gut. Das mit der abendländischen Wertegemeinschaft klappt dagegen nicht so gut. Als moralischer Zuchtmeister der Gemeinschaft sind wir Deutschen weder bestimmt noch mehrheitsfähig. Wir bleiben verschiedene Völker, Kulturen, Traditionen, die sich nicht gleich machen lassen wollen und sollen. Auch das hat die Asyllage überdeutlich gemacht. Deutschland steht mit seiner liberalen, an und für sich regelwidrigen Asylpolitik ziemlich allein. Es sind ja nicht nur die osteuropäischen Staaten und der Balkan, die möglichst gar keine Flüchtlinge aufnehmen wollen. Auch Frankreich und Großbritannien handhaben eine Flüchtlingspolitik der ganz kleinen Zahlen und selbst die liberalen Skandinavier haben anhand der außerordentlichen Flüchtlingszahlen resigniert und ihre Grenzen geschlossen.
Lasst uns daher den Teil der Asylbewerber aufnehmen, der unserer eigenen, umsichtigen Abwägung zwischen Humanität und Überforderung entspricht und diese Quoten offen und gastfreundlich aufnehmen und integrieren. Sollen die übrigen EU-Staaten das ihrige tun. Ich bin sicher, wir werden im Vergleich gut dastehen, wie auch gewiss ist, dass man sich immer mehrfach trifft und dass die Asylverweigerer bei anderer Gelegenheit mit unserer dort zu treffenden verantwortlichen Entscheidung weniger zufrieden sein werden. Politische Übereinkunft ist ein Geben und ein Nehmen. Ein Mitgliedsland, das die humanitäre Wertegemeinschaft aus egoistischen nationalen Erwägungen nicht mitträgt, muss damit leben, dass wir andere Belange eben dieses Mitgliedslandes ebenso restriktiv empfinden. Wir können den europäischen Zuwanderungstotalverweigerern nicht unsere humanitären Vorstellungen aufzwingen. Aber wir dürfen uns an ihre Haltung zum Asyl und gemeinsam zu tragende Lasten erinnern.
Lösungswege sind kompliziert und vor allen Dingen nicht kurzfristig erfolgversprechend. Die Ursachen der Flüchtlingswelle in Syrien zu beheben? Wie soll das gehen und wie vor allen Dingen das Vertrauen der vielen bereits auf der Flucht Befindlichen in ihr Heimatsland und ein menschenwürdiges Leben dort zurückgewinnen? Die Türkei als „Zwischenlager“ war schon immer ein eher aus Verzweiflung geborener Rettungsanker. Das gleiche gilt für die Hoffnung einer europäischen Einigung auf Flüchtlingskontingente.
Abschließend noch einige Worte zu Zahlen oder eher Zahlenkunststücken. In der Flüchtlingsdebatte wird uns immer wieder der Eindruck vermittelt, wir würden zurzeit eine noch nie dagewesene Massenwanderung erleben. Wenn man nach belastbaren, validen Zahlen forscht, ist dieses Menetekel zumindest fragwürdig. Mit Zahlen und Statistiken lässt sich so gut wie jede Politik begründen. Mit Zahlen der gleichen Quelle lassen sich sowohl der Untergang als auch die Entwarnung belegen.
Betrachtet man die Migration global, so könnte man genauso gut die Frage stellen: Warum gibt es so wenig davon? Auf der Welt leben zurzeit 7,3 Milliarden Menschen. Weltweit haben hiervon 36,5 Millionen in den letzten fünf Jahren ihr Heimatland verlassen, sind also migriert. Das sind 0,5 % der Weltbevölkerung. 99,5 % der Bevölkerung sind nicht Migranten, lebten also 2015 noch im gleichen Land wie 2010. Die Welt bleibt also ganz überwiegend zu Hause. Die Nichtmigration ist die Regel, die Migration die große Ausnahme.
Alle Zahlen zur Migration stammen von den Vereinten Nationen. Die UNO zählt und addiert die Migranten/Flüchtlinge aller Länder. Als Migrant gilt jede Person, die nicht in dem Land lebt, in dem sie einst geboren wurde.
Jüngst hat die UNO folgende Pressemeldung herausgegeben:
„Im Jahr 2015 hat die Zahl der internationalen Migranten 244 Millionen erreicht. Das ist ein Zuwachs von 41 % gegenüber dem Jahr 2000.“
Im Jahr 2000 zählte die UNO 173 Millionen Migranten. Das waren 2,8 % der damaligen Weltbevölkerung von 6,1 Milliarden. Seitdem ist die Weltbevölkerung auf 7,3 Milliarden angewachsen, die 244 Millionen Migranten, die aktuell gezählt werden, machen dementsprechend 3,3 % davon aus. Tatsächlich ist also der Anteil der Migranten bezogen auf die Weltbevölkerung in den letzten 15 Jahren lediglich um 0,5 % gewachsen und nicht um 41 %, wie sich die Pressemeldung der UNO wohl nicht ganz unbeabsichtigt glauben macht.
Die Zahl 244 Millionen ist nicht falsch. Es wird aber versäumt zu vermitteln, dass diese Zahl den gesamten addierten Migrantenbestand der Welt seit 1960 wiedergibt. Jeder, der jemals aus seinem Geburtsland weggezogen und noch am Leben ist, ist in dieser Zahl enthalten. Die UNO misst Migranten-Bestände. Interessanter für die aktuelle politische Diskussion sind jedoch Migranten-Bewegungen.
Es wird der Eindruck vermittelt, die ganze Welt wolle nach Europa. Wenn man die Migrationsbewegungen der letzten fünf Jahre betrachtet, stellt man schnell fest, dass dem nicht so ist. Die größten globalen Wanderbewegungen finden innerhalb einzelner Weltregionen statt, nicht über Kontinente hinweg. Die meisten Flüchtlinge migrieren von Afrika nach Afrika, von Nahost nach Nahost. Viele 100 tausende Menschen sind vom Sudan in den Südsudan, von Indien nach Dubai oder von Syrien in den Libanon gezogen. Es migrieren wesentlich mehr Europäer innerhalb Europas als Afrikaner nach Europa. Es migrieren ungleich mehr Menschen innerhalb des Nahen Ostens als von Nahost nach Europa. Die größte transkontinentale Bewegung findet nach wie zuvor zwischen Süd-und Nordamerika statt. Nordamerika und Europa sind die wichtigsten Zielregionen internationaler Migration, wobei Nordamerika eine wesentlich geringere Abwanderung hat als Europa. Der Anteil Europas am gesamten Wanderungsvolumen ist gesunken. Migrationswege führen auch nicht überwiegend von sehr armen in sehr reiche Länder, sondern folgen einem Stufenmodell. Die Menschen ziehen jeweils in Länder, deren Wirtschaft etwas stärker ist als die ihres Heimatlandes also etwa von Bangladesch nach Indien oder von Simbabwe nach Südafrika.
Tatsächlich ist die globale Migration in den vergangenen fünf Jahren sogar rückläufig. Die Zahl der wandernden Migranten zwischen 2010 und 2015 (36,5 Millionen) ist um mehr als 8 Millionen kleiner als in der vorherigen Fünfjahresperiode (45 Millionen). Eine historische Spitze erreichte die globale Wanderungsrate zwischen 1990 und 1995, als der Eiserne Vorhang gefallen war, Afghanistan im Bürgerkrieg versank und der Völkermord in Ruanda geschah. Die 0,5 % der letzten fünf Jahre sind der tiefste Wert seit 1960. Der Anteil der wandernden Migranten an der Weltbevölkerung ist seit mehr als einem halben Jahrhundert nahezu konstant und bewegt sich stets um die 0,6 % Marke pro fünf Jahre. D.h., pro Fünfjahresperiode sind weltweit 6 von 1000 Menschen auf Wanderschaft. Bei den Pressemeldungen der UNO klingt das irgendwie anders.*
Letzte Woche wurde in Rom Papst Franziskus der Aachener Karlspreis verliehen. Zum Abschluss meines Vortrages möchte ich aus seiner Festrede zitieren, die nicht nur die europäischen Gäste der Veranstaltung nachdenklich gestimmt hat:
„Was ist mit dir los, humanistisches Europa, du Verfechterin der Menschenrechte, der Demokratie und der Freiheit? … Ich träume von einem Europa, von dem man nicht sagen kann, dass sein Einsatz für die Menschenrechte an letzter Stelle seiner Visionen stand. … Ich träume davon, dass Politik mehr auf die Gesichter blickt, als auf die Zahlen, mehr auf die Geburt von Kindern als auf die Vermehrung der Güter achtet, … von einem Europa, in dem das Migrantsein kein Verbrechen ist.“
*sämtliche Zahlen sind Auswertungen der Daten der UNO durch das Wittgenstein Centre for Demgraphy in Wien-zitiert Spiegel 2016/18
Gestern Abend (12. April 2016) führten wir eine spannende Diskussion zum Thema Freiheit der Presse und dem Umgang mit einer Flut von (Kurz-)Informationen, der mit folgendem Impulsvortrag eingeleitet wurde:
"'Lügenpresse - halt die Fresse' schallt es einem auf manchen Demonstrationen entgegen und in einer Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens infratest dimap gaben 20 Prozent der Befragten Ende letzten Jahres an, dass sie persönlich von „Lügenpresse" sprechen würden, wenn sie an Zeitungen, Radio und Fernsehen in Deutschland denken.
Doch was bedeutet dieses Wort eigentlich und warum ist es nun in aller Munde? Wo kommt es her? Haben die Menschen wirklich kein Vertrauen in die Medien mehr? Und - gibt es vielleicht sogar allen Grund dazu?
Der Begriff „Presse“ kommt ursprünglich von dem Wort „Druckerpresse“ und wurde zunächst für alle Arten von Druckerzeugnissen verwendet. Heute versteht man unter dem Begriff eher die Gesamtheit aller Zeitungen und Zeitschriften in jeglicher Form sowie für das damit zusammenhängende Nachrichten- und Meinungswesen.
Etwa zu der Zeit als die Presse begann sich zu etablieren, vor etwa 400 Jahren, wurde ihr auch schon eine etwas einseitige Berichterstattung vorgeworfen - und das nicht immer zu Unrecht. Das Wort Lügenpresse selbst lässt sich seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts nachweisen. Es ist keine Erfindung der Nazis und wurde im Laufe der Zeit von nahezu allen politischen Lagern verwendet.
Heute ist die Arbeit der Presse in Deutschland besonders mit dem Artikel 5 des Grundgesetztes geschützt, der besagt:
„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“
Hier findet sich also das Recht auf eine unabhängige Berichterstattung, sowie das Recht auf freie Meinung in Kombination. Ich kann also meine Meinung frei in einer Zeitung äußern, solange ich nicht gegen geltendes Recht verstoße und beispielsweise den Holocaust leugne.
Eine Lüge ist eine Aussage, von der der Sender weiß oder vermutet, dass sie unwahr ist, und die mit der Absicht geäußert wird, dass der Empfänger sie trotzdem glaubt.
Der Pressekodex des Deutschen Presserates verbietet das Lügen im ersten von 16 Punkten:
„Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.“
Somit ist zumindest auf dem Papier klar: Lügen ist für die Presse verboten.
Doch ein gewisses Misstrauen bleibt. Schließlich lügen wir alle jeden Tag mehrmals. Im Internet kursieren Informationen, die besagen, dass wir sogar bis zu 200 Mal am Tag lügen. Einen echten Beleg dafür lässt sich leider nicht finden, sodass auch diese Zahl vermutlich nur eine Lüge ist.
Es wird vielleicht nicht so oft gelogen, aber es wird gelogen. Lügen dienen dazu, einen Vorteil zu erlangen, zum Beispiel um einen Fehler oder eine verbotene Handlung zu verdecken und so Kritik oder Strafe zu entgehen. Gelogen wird auch aus Höflichkeit, aus Scham, aus Angst, Furcht, Unsicherheit oder Not. Lügen dienen uns als sozialer Kitt. Wir wollen, dass man uns weiter zuhört, dass man uns interessant findet, dass man sich wieder trifft, wollen niemandem weh tun, und so weiter, und so fort…
Also warum sollte dann gerade die Presse nicht lügen? Ist es manchmal nicht sogar sinnvoll, wenn sie nicht immer ganz bei der Wahrheit bleibt? Zum Beispiel, wenn es die gesamtwirtschaftliche Situation eines Landes schützen kann? So wirkte beispielsweise in den Jahren 1856 und 1857 die französische Regierung massiv auf die Finanzpresse ein um die drohende Weltwirtschaftskrise doch noch abzuwenden und die panisch verkaufenden Wertpapierhändler zu einem Umdenken zu bewegen.
Und schließlich sitzen doch auch hinter der Presse nur Menschen wie wir, die nur das beste für sich oder andere wollen.
Doch wer sind denn eigentlich wirklich die Menschen hinter den Medien?
Ein erster Blick auf die Medienlandschaft lässt eine Vielfalt an Informationsgebern vermuten. Hier finden sich 335 lokale und regionale Tageszeitungen, sowie große, einflussreiche und überregionale Zeitungen wie BILD, FAZ, Süddeutsche und die Zeit.
Doch trotz der großen Vielfalt an Titeln und Produkten ist die Zahl der eigenständigen Verlage seit Mitte der fünfziger Jahre in Deutschland stetig zurückgegangen. Wirtschaftlich und technisch führende Verlage konnten in verschiedenen regionalen Märkten Konkurrenten verdrängen. Die wirtschaftliche Entwicklung auf dem Pressemarkt hat zur Bildung großer Verlagsunternehmen geführt. Führend ist hier die Bertelsmann AG, zu denen nicht nur die RTL-Gruppe, sondern auch das Verlagshaus Gruner & Jahr mit Publikationen wie der Stern und National Geographic, sowie einige Firmen, die sich mit dem Druck selbst und der Distribution von Druckmitteln beschäftigen.
Kurz dahinter kommt, nach der ARD, der Verlag Axel Springer mit Veröffentlichungen wie der BILD, Welt, Handelszeitung, BZ und Rolling Stone. Für einige Zeit arbeiteten Axel Springer und Bertelsmann jedoch auch zusammen im Bereich des Drucks im Rahmen einer Joint Venture.
Ebenfalls in Verbindung stand zeitweise ein weiterer großer Spieler: Die Hubert Burda Media. Diese kaufte in den 80er-Jahren Anteile von Axel Spinger, bringt unter anderem den Fokus heraus und sendet hauseigene Formate wie „Faszination Leben“ oder „GRIP - Das Automagazin“ bei RTL - einem Teil von Bertelsmann.
Ebenfalls große Medienunternehmen in Deutschland sind die ProSiebenSat1-Media, die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, die Bauer Media Group, Weltbild, das ZDF und die Funke Mediengruppe.
Auffallend ist, dass viele dieser größten Medienunternehmen Deutschlands in Familienbesitz sind. So gehört Bertelsmann der Bertelsmann-Stiftung, die wiederum zum großen Teil in Besitz der Erben des ehemaligen Bertelsmann-Besitzers Reinhard Mohn ist und von einem Kuratorium kontrolliert wird, deren Vorstandsvorsitzender Werner Bauer, unter anderem, gleichzeitig Generaldirektor bei der Nestlé AG ist.
Der Verlag Axel Springer wird zwar von Mathias Döpfner, einer auch nicht gerade unumstrittenen Person, geleitet, doch eine nicht zu verachtende Zahl von Anteilen hält die Witwe des ehemaligen Geschäftsführers, die ebenfalls eine Zeit lang den Verlag leitete. Sie gilt auch als gute Bekannte Angela Merkels.
Weitere Verflechtungen mit der Politik finden sich auch in den Kontrollgremien der öffentlich-rechtlichen Sender. So ist seit 2012 der ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete und Staatssekretär des saarländischen Arbeitsministeriums Martin Karren Verwaltungsdirektor des Saarländischen Rundfunks. Über ihm sitzt lediglich der Intendant.
Auch andersrum funktioniert der Wechsel: Die Journalistin Susanne Gütte ist seit diesem Monat Sprecherin des Bundesfamilienministeriums. Zuvor hatte sie jahrelang beim Privatfernsehen gearbeitet. Zuletzt bei N24 und RTL2.
Wenn man sich also diesen Dschungel von Verstrickungen betrachtet, kann man tatsächlich auf die Idee kommen, dass hier und da ein wenig beschönigt oder aufgebauscht wird oder vielleicht sogar ein wenig gelogen wird.
Gerade das Aufbauschen von Informationen scheint ein gutes Erfolgsrezept zu sein, schließlich geht es ja den Medienmachern nicht nur um die reine Berichterstattung, sondern auch um das Verkaufen ihrer Medien. Letzten Endes entscheidet schließlich die Auflage darüber wie viel ich für eine Anzeige verlangen kann.
Nehmen wir zum Beispiel die Tageszeitung BILD. Sie erreicht, zusammen mit der in Berlin erscheinenden B.Z., 10,35 Millionen Leser pro Ausgabe mit einer Auflage von etwa 2.220.000. BILD selbst bewirbt ihre Anzeigenkunde mit dem Satz „Die perfekte BILD-Schlagzeile sorgt dafür, dass Deutschland jeden Tag die BILD aufschlägt“, und verlangt für eine ganze Seite Werbung 495.000€.
Wir wollen also anscheinend die schnelle und einfache Erklärung auf dem Silbertablett serviert bekommen. Am liebsten wollen wir innerhalb einer Schlagzeile schon alles erklärt haben, das wir wissen müssen.
Der Soziologe Armin Nassehi spricht davon, dass es „derzeit in Europa eine Sehnsucht nach einfachen Erklärungen für eine außerordentlich komplizierte Welt gibt“. Das spielt sicherlich auch im Moment vielen Populisten in die Karten.
Zum Glück scheint es aber immer noch Journalisten zu geben, die sich Zeit nehmen sich in solche Sachverhalte einzuarbeiten und sie informativ aufzubereiten. Als aktuelles Beispiel lassen sich hier im Moment wohl die Schreiber des „ICIJ“, des Internationalen Konsortiums der investigativen Journalisten, nennen, die mit ihren Enthüllungen der „Panama Papers“ von sich reden machen. Sie werteten über ein Jahr lang 2,6 Terrabyte an Daten aus, verschafften sich einen Überblick, bereiteten alles auf und gingen dann erst an die Öffentlichkeit.
Doch auch hier zeigt sich, dass diese Welt nicht einfach ist. Sie ist verworren und voller Widersprüche. Es gibt nicht die eine Lösung. Je tiefer man sich in einen Sachverhalt einarbeitet, umso besser versteht man ihn - oder man versteht, dass man ihn nicht verstehen kann, oder das das Problem vielleicht ein ganz anderes ist.
Doch ist es die Wirtschaft, die hier an allem Schuld ist? Sind es die großen Konzerne, die dem Neokapitalismus freien Lauf lassen und uns damit in den Wahnsinn treiben? Sind es vielleicht doch die Politiker? Die CIA? Oder doch einfach nur die Freimauerer oder Illuminaten?
Ich frage mich: Wie können wir also dieser Flut an Kurzinformationen begegnen? Wie können wir lernen damit umzugehen? Wie können wir herausfinden, ob etwas tatsächlich gelogen, aufgebauscht oder falsch dargestellt wird? Haben wir nicht auch eine Verantwortung für das, was wir da konsumieren und wie wir es konsumieren? Ist es nicht wie bei jedem Konsum? Schließlich haben wir doch auch eine Verantwortung für das Essen, das wir essen und das Handy aus China mit dem tollen neuen Design."
Sollten Sie auch einmal mit uns und anderen Gästen diskutieren wollen, freuen wir uns auf Ihre Nachricht.
Nun sind auch wir bereit in das neue Jahr zu starten und freuen uns Ihnen den neuen Arbeitskalender für die erste Hälfte des noch jungen Jahres präsentieren zu können.
Es erwarten Sie, uns und euch einige spannende Veranstaltungen. So feiern wir beispielsweise in diesem Jahr unser 60-jähriges Bestehen und dürfen gleich drei unserer Mitglieder in den Meistergrad begleiten.
Der aktuelle Arbeitsplan findet sich hier.
Wie funktioniert eigentlich ein Aufzug? Warum haben viele Menschen Angst vor diesem Gerät, das tagtäglich Millionen Menschen befördert? Was macht es zu einem der sichersten Verkehrsmittel unserer Welt? Was ist ein Aufsturz?
Diese, und noch viele weitere Fragen, konnte unser Referent mit seinem Fachwissen anschaulich und für alle verständlich in unserem Gästeabend darstellen. Vor allem konnten alle Fragen, die sich ein jeder sicherlich zu diesem Thema schon einmal gestellt hat hervorragend beantwortet werden.
Der Referent führte uns durch die Geschichte der Aufzugstechnik von den Ägyptern über die Erfindung des Flaschenzuges zu den heute hochtechnisierten Maschinen, die uns das Leben erleichtern. Mit diesem Eindruck ließ sich gut nachvollziehen, welchen Aufwand Menschen vor unserer Zeit betrieben haben um Personen und Lasten zu befördern und wie selbstverständlich wir heute mit technischen Errungenschaften umgehen. Und vor allem die Angst vor einem Absturz konnte vielen genommen werden.
Am Dienstag fand zum ersten Mal eine weiße Arbeit mit unseren befreundeten Logen Spectemur Agendo und Tusculum statt. Im Rahmen dieser Arbeit hielt unser Br. Wolfgang einen Vortrag mit dem Titel "Vorbild und Identität - oder Erkenne dich selbst":
Als Ziel des „Erkenne dich selbst“ werden häufig verkürzt nur die Negativmerkmale unseres Charakters fokussiert, unserer Fehler, Schwächen und Wertedefizite, die es anschließend abzubauen gilt.
Das erkenne dich selbst hat aber durchaus auch eine positive Seite, nämlich wenn es darauf gerichtet ist, sich seine wirklichen Neigungen, Hoffnungen, Fähigkeiten, Ziele ja sogar Träume bewusst
zu machen. In beiden Fällen geht es darum, Irrtümer auszumerzen, mein Leben aktiv zu gestalten, danach auszurichten, was ich wirklich will und bin.
Sind wir hilflose Reisende auf der für uns vorgegebenen Spur unserer Herkunft, von außen uns angedienter Vorbilder, der Gesellschaft, der wir angehören und deren Wertesystem? Oder sind wir in der Lage, aus solchen fremdbestimmten Mustern, dem Mainstream auszubrechen und autonom unseren ganz eigenen Weg zu suchen und zu finden? Diese Frage haben wir kürzlich äußerst lebhaft am Beispiel von Berufswahl und Berufsleben diskutiert.
Unter Identität verstehen wir die Gesamtheit der Merkmale, die einer Person Einmaligkeit/Unverwechselbarkeit /Individualität verleihen. Identität lässt sich als Antwort auf die Fragen verstehen: Wer bin ich, warum handele ich, wie ich handle, empfinde ich, wie ich es tue? Wodurch unterscheide ich mich von jemandem/jedem anderen? Identität dient der Selbstverortung. Wo stehe ich in der Gemeinschaft mit anderen Identitäten. Identität dient also der Bestimmung meines ganz persönlichen Sinnes.
Vorbilder sind demgegenüber Personen und Verhaltensmuster, die von außen auf uns einwirken, sich uns als geeignete Lösung für unsere eigene Charakterbildung und Lebensführung empfehlen, häufig zur Identifikation führen. Der Begriff Vorbild ist ein wenig euphemistisch. Er suggeriert eine positive Auswirkung auf die Rezipienten, lenkt davon ab, dass es auch schlechte Vorbilder gibt, dass Vorgaben, die für den einen richtig sind für den andern gar nicht passen mögen.
Vorbilder erleichtern, bestimmen unsere Entscheidungen, aber sind es dann noch unsere? Vorbilder können zweifellos eine wichtige Orientierung sein und sicherlich mangelt es unserer Gesellschaft bisweilen an vorbildhaften Einzelpersonen. Aber Vorbilder entlasten uns auch von Verantwortung, davon unseren eigenen Weg zu erkennen, zu finden und konsequent zu beschreiten. Sie sind ein Hilfsmittel für diejenigen, denen die Bereitschaft oder Fähigkeit der Selbstreflexion, der bewussten eigenständigen Lebensgestaltung fehlt, für die anderen aber letztlich nur zweite Wahl.
Die Bildung von Identität beginnt mit der Übernahme erlebter/mir vorgelebter Vorbilder, mit Identifizierung. Gerade der neugeborene, der junge Mensch identifiziert sich schnell mit etwas Außenstehenden, Ideen, Idealen, einzelnen Menschen oder Gruppen. Dadurch, dass wir uns bestimmten Gruppen zugehörig fühlen, soziale Rollen innerhalb dieser Gruppen übernehmen, nehmen wir die Merkmale der Gruppenidentität als eigene Wesensmerkmale an. Solche Identifikations-Subjekte/Objekte können eine Nation und ihre Kultur sein, die Familie, eine politische oder religiöse Gruppierung, deren Werte, Empfindungen, Ziele, die ich als meine eigenen übernehme. Eine äußerst wichtige Rolle bei solchen Identifizierungsmechanismen spielen Herkunft und Erziehung.
Identifizierung ist aber nur ein Aspekt bei der Erlangung von Identität, uns zwar angeboren, aber passiv, zu einem großen Teil unbewusst.. Der andere ist die aktive, bewusste Entwicklung eigener, wirklich persönlicher Merkmale. Durch mein Erleben, meine Erfahrungen entstehen Verhaltensmuster, Neigungen/Abneigungen, individuelle Wertvorstellungen/Unwertvorstellungen.
Beide Prozesse stehen in einer Wechselwirkung zueinander. Entwickelt sich beispielsweise die Identität einer Kultur, Nation, politischen oder religiösen Gruppierung in einer Art und Weise, die mit den von mir selbst entwickelten persönlichen Merkmalen und Überzeugungen nicht/nicht mehr harmoniert, werde ich neue Identifikationsobjekte suchen, wie umgekehrt natürlich die von mir als Teil der Gruppe entwickelten Merkmale und Überzeugungen wiederum die Gruppenidentität beeinflussen. Meine Identität wird also einerseits durch Gruppenzugehörigkeiten und die Rolle bestimmt, die ich innerhalb der Gruppe übernehme (Identifikation), das „Wir“, andererseits durch die Erfahrung meiner Einzigartigkeit, indem ich mich als anders erlebe, das „Ich“.
Wenn wichtige Gruppenzugehörigkeiten verloren gehen (Familie, Volk, Staatsangehörigkeit, Nation, Religion) kann dies zu Identitätsverlusten führen. Wenn die betroffene Person sich nicht mehr mit diesen Gruppen identifiziert oder identifizieren kann, ist sie, zumindest vorübergehend, physisch und psychisch isoliert. Auf der anderen Seite ist die Identifikation mit einer Gruppe häufig das Ergebnis des letztendlich zufälligen Umfeldes, in das ich hineingeboren werde, von Erziehung und äußeren Zwängen. Der Verlust oder auch der bewusste Ausbruch aus einer bisherigen Identität kann ein Akt der Emanzipation sein, der Lösung von fremdbestimmten Identitäten.
Ein Mensch verliert seine Identität, wenn er sich so verändert , dass wesentliche Merkmale entfallen, anhand deren er bislang identifiziert wurde und sich selbst identifizierte.
Identitäten sind nicht statisch, von der Geburt bis zum Tod festgelegt. Sie entwickeln und verändern sich. Bei der Geburt ist die Identität noch nicht vorhanden, jedenfalls nicht in der Form eines entwickelten Bewusstseins, wer ich bin und wohin ich will. Anfangs wird sie sich überwiegend fremdbestimmt entwickeln, durch Vorbilder, das Angebot und Vorleben von Identifikationsobjekten, durch Erziehung. Mit zunehmendem Alter sucht der Mensch sich eigene Wege, gewinnt persönliche Erfahrungen und Schlussfolgerungen hieraus für sein weiteres Leben, sollte es jedenfalls.
So kommt es vor, dass ich mich plötzlich fremd unter den Personen/Gruppen fühle, mit denen ich mich zuvor identifiziert habe. Mein persönliches Erleben, meine Erfahrungen führen mich in eine andere, eine neue Richtung, und das ist wichtig.
Platon lässt Sokrates folgende Worte sprechen:
„Charakterzüge, Gewohnheiten, Meinungen, Begierden, Freuden und Leiden, Befürchtungen: alles das bleibt sich in jedem einzelnen niemals gleich, sondern das eine entsteht, das andere vergeht.“
Identität ist also grundsätzlich nicht statisch/dauerhaft, kann es aber werden, wenn ich das wichtigste Element einer gesunden Identität missachte, die Selbstreflexion, die zur Selbsterkenntnis
führt, das entscheidende Regulativ, um falsche Identifikationen und fehlerhaft ausgedeutete Erfahrungen zu korrigieren. Wenn ich als Kind misshandelt werde, kann ich mich mit diesem
Verhaltensmuster der Eltern identifizieren und zulassen, dass dies meine Haltung zu den eigenen Kindern prägt, was erschreckend häufig geschieht. Wir imitieren, was wir erleben und als normal
vorgeführt erhalten. Erst durch die Reflexion: Wie hast du dich damals gefühlt? Hast du die erlebten Misshandlungen als angemessen und gerecht, als vorbildhaft empfunden? Kann ich aus der
falschen Identifikation entkommen. Das „Erkenne dich selbst“, hinterfrage dein Leben, Verhalten, deine Wertvorstellungen und Handhabung von gut und böse, richtig und falsch, sind wesentliche
Bedingung für die Entwicklung einer wertigen Identität und damit letztendlich für ein glückliches Leben.
Erkenne dich selbst heißt: Lese in dir, wie in einem Buch. Hinterfrage deine Impulse, Überzeugungen und Haltungen zu deinem Leben und dem deiner Mitmenschen. Reflektiere die Vorgaben deiner bisherigen Vorbilder und Identifikationsobjekte und die Schlussfolgerungen, die du vielleicht voreilig aus deinen persönlichen Erfahrungen gezogen hast. Dieses erkenne dich selbst ist die elementare Kontrollinstanz, das Regulativ für fragwürdige Identitäten, ein Leben, Ziele, einen Beruf, die nicht wirklich für dich bestimmt sind. Sonst laufe ich Gefahr, in der Oberflächlichkeit hängen zu bleiben, unkritisch etwa den Modellen meines Vaterlandes, meiner Kultur, meiner Eltern, generell fremdbestimmten Identitäten, verhaftet zu bleiben, oberflächlich dem hinterher zu laufen, was mir spontan Vergnügen und Lust bereitet oder auch mangels erprobter Alternativen zu bereiten erscheint.
Identitäten sind unendlich vielfältig. Sie sind ein Gesamtkunstwerk aus Herkunft, Charakter, individuellen Erfahrungen, Vorlieben, Idealen, Neigungen und Abneigungen. Was bedeutet mir mein Heimatland, die Familie, beruflicher Erfolg, Wohlstand, Kultur, Kunst, was bereitet mir Langeweile und Desinteresse?
Die Identität als Einzigartigkeit und damit gleichzeitig als Garant für Vielfalt, Individualität und Kreativität, ist ständig in Gefahr. In Gefahr, aus Einfalt und Unachtsamkeit fremdbestimmt zu
werden, nicht mehr meine Identität sondern die Wunschidentität Aussenstehender/eigentlich Fremder zu sein. Vielfalt ist dem Kapital und den es repräsentierenden Unternehmen verdächtig, erschwert
unnötig den Zugang zum Konsumenten, verteuert die Produktion, steigert das unternehmerische Risiko, reduziert den Profit. Simple Identitäten, die massenhafte Identifikation mit einheitlichen
Marken und Produkten, die einen globalen „Mainstream“ bilden, gilt es zu fördern. Besser noch von den Produzenten und ihren Helfern nach ihren Vorstellungen gestaltete und dem Konsumenten
implantierte Identitäten. Selbstreflexion, kritisches Hinterfragen der schönen neuen Welt von Amazon, Apple und Facebook erschwert den erstrebten wirtschaftlichen Erfolg. Logarithmen machen den
einzelnen berechenbar, ermöglichen es, Gemeinsamkeiten aus einer unendlichen Vielzahl von Identitäten herauszufiltern, sie gezielt zu fördern. Logarithmen bestimmen den kleinsten gemeinsamen
Nenner möglichst großer Bevölkerungsgruppen, deren Präferenzen dann wieder als meinungsbildend für die anderen genutzt werden können. Und plötzlich hört man weltweit die gleiche Musik,
applaudiert den gleichen Büchern und Filmen, trägt die gleiche Mode und reiht sich gehorsam in die endlosen Schlangen vor den Apple Stores ein, weil die neueste Auflage des iPhone unbedingt
identitätsprägend ist.
Unter Identitätsdiebstahl versteht man herkömmlich den Missbrauch der Daten einer fremden Person. Ich verstehe darunter eher den systematischen Versuch, unsere Vorbilder, Ideale, Ziele zu vereinheitlichen, die theoretisch unendliche Vielfalt auf profitoptimierte Weltkultur-Produkte zurückzustutzen. Manchmal fühle ich mich ein wenig fremd in der Gesellschaft, die sich mir so überaus allgegenwärtig und hartnäckig zur Identifizierung anbietet, zur Übernahme von Werten, in denen sich meine persönliche Identität so gar nicht wieder finden mag.
Am 10.11.2015 wurde als Teil des öffentlichen Vortragsabends unserer Loge folgender
Impulsvortrag gehalten:
"In unregelmäßigen Abständen tauchen in einigen Medien aufsehenerregende Nachrichten und vor allem Bilder auf, die angebliche Grausamkeiten in Tierexperimenten zeigen, woraus ein allgemeines Verbot von Tierversuchen abgeleitet wird. Von der wissenschaftlichen Seite werden diese Bedenken häufig mehr oder weniger lust- und vielleicht auch mutlos abgewiegelt. Gründe hierfür liegen vielleicht in einem mangelnden Interesse, die Bevölkerung über die eigenen Methoden und deren Sinnhaftigkeit zu informieren oder auch an fehlender Zeit und einer schlicht unzureichenden Öffentlichkeitsarbeit. Auf jeden Fall scheint mir die Tierschutzlobby was die Verbreitung ihrer Thesen angeht, engagierter und auch erfolgreicher zu sein. Denn wer will schon, dass Hunde oder Affen getötet werden?
In den letzten Jahren hat sich auch dieses Thema zunehmend in die sozialen Medien verlagert, was aber, wie so oft, nicht unbedingt hilfreich für eine sachliche Diskussion war. Aber was kann man denn an Fakten festhalten zum Thema Tierversuchen?
Im Jahr 2013 wurden knapp 3 Millionen Wirbeltiere (Wirbellose Tiere müssen bis auf wenige Ausnahmen nicht angezeigt werden und Gegensatz zu Versuchen an Wirbeltieren müssen diese in keinem Fall genehmigt werden – eine historische, wenn auch naturwissenschaftlich nur schwer zu haltende Trennung) verwendet, was nach einem Jahrzehnt des Anstiegs erstmals ein leichter Rückgang war. Wichtige Anwendungsbereiche sind die Grundlagenforschung (genveränderte Mäuse und zunehmend auch Ratten), die toxikologische Prüfung und die Arzneimittelforschung. Zu den am häufigsten genutzten Tieren gehören Mäuse, Ratten und mit einigem Abstand Fische. Hunde, Affen und Katzen stellen nur einen Bruchteil der Versuchstiere, auch wenn sie meistens die mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Der Grund könnte darin liegen, dass wir für die eben genannten Haustiere eine größere Empathie empfinden bzw. vor allem Affen uns so ähnlich erscheinen. Vielleicht wären Tierversuche nur an Nagern leichter der Öffentlichkeit zu „verkaufen“, aber würde sie das besser machen? Auch gegen den Einsatz von Schweinen oder Kühen in Tierversuchen lässt sich nur schwer argumentieren, wenn jährlich alleine in Deutschland 700 – 800 Millionen Schlachttiere getötet werden.
Und was ist mit der Sinnhaftigkeit? Im §1 des Tierschutzgesetzes findet sich die interessante Formulierung: „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“
Diese zwei Sätze beschreiben eigentlich gut, wie die Stellung von Tieren vor dem Gesetz ist:
Mitgeschöpf ja, Leben und Wohlfühlen auch ja, jedoch ist Töten und notfalls Schmerzen verursachen ok, wenn es sein muss. Später wird noch detaillierter darauf eingegangen, dass Schmerzen, Leiden und Schäden so gut es geht mit allen möglichen Mitteln (z. B. Betäubungsmitteln) abgemildert oder besser noch vermieden werden müssen. Auch ist es mit zunehmendem Maß der verursachen Schmerzen oder Leiden immer schwieriger, einen Versuch genehmigt zu bekommen und es muss ein wirklich großer Erkenntnisgewinn zu erwarten sein – aber ihre Verursachung ist nach dem Gesetz prinzipiell gestattet.
Aber sind Tierversuche ein vernünftiger Grund? Geht man zu den Kritikern, wird man ein eindeutiges Nein hören, manchmal sogar der Versuch unternommen, dies wissenschaftlich zu untermauern. Die PETA geht sogar so weit und behauptet, 99 % der so gewonnen Erkenntnisse ließen sich nicht auf den Menschen übertragen und die Experimente und die damit verbundenen Leiden seien dadurch sinnlos.
Wenn man mit dieser Meinung zu Wissenschaftlern geht, erfährt man höchstens ungläubiges Kopfschütteln. Denn was man auch festhalten kann, ist, dass auch aus den unterschiedlichsten, uns scheinbar nur wenig verwandten Arten wie Kopffüßlern, Fadenwürmern, Fliegen und sogar Bakterien Erkenntnisse gewonnen werden können, die sich auf den Menschen übertragen lassen und das Fundament von zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen begründet haben.
Allgemein lässt sich sagen, dass entgegen aller Beschwörungen seitens der Tierschützer es ohne Tierversuche zu einer drastischen Reduzierung der Forschungsleistung in den Bereichen der Grundlagenforschung und zu einem Einbruch bei der Entwicklung und Risikoabschätzung von neuen Substanzen kommen würde. Die häufig genannten Alternativmethoden bieten hierfür noch keinen Ersatz, sondern dienen als durchaus wichtige Ergänzung. Man könnte am ehesten sagen, dass weder Tierversuche noch Alternativmethoden alleine die besten Ergebnisse liefern, sondern ihre Kombination und wissenschaftliche Bewertung zurzeit am sinnvollsten sind. Verschweigen sollte man hier jedoch nicht, dass für zahlreiche offiziell nicht als Tierversuche deklarierte Experimente Zellen aus Tieren benötigt werden, was oft mit deren Tötung verbunden ist. Auch wird häufig für die Kultivierung von Zellen Serum aus fötalen Kälbern benötigt, welches nicht ohne deren Tod gewonnen werden kann.
Ihr habt gesehen, ich bin in diesem Punkt vielleicht etwas einseitig, jedoch kann ich nur davon erzählen, was ich weiß und erlebt habe und das ist in diesem Fall klar für eine Notwendigkeit von Tierversuchen. Weiterhin halte ich es sogar für wichtig, dies klar zu kommunizieren und auch gerne zu diskutieren, um einer einseitigen, emotional aufgeladenen Propagandaschlacht entgegenzutreten!
Ein weiterer Aspekt, der in dieser Thematik nicht außer Acht gelassen werden sollte, ist der ethische. Die Verwendung in Tierexperimenten aber auch zur Nahrungsproduktion oder für zahlreiche andere Anwendungen ist nur konsequent mit der Haltung, die im zuvor erwähnten §1 des Tierschutzgesetzes eingenommen wurde. Doch ist sie richtig? Es wird sogar von einer Verantwortung des Menschen gegenüber dem Mitgeschöpf gesprochen. Werden wir ihr gerecht, wenn wir Tieren Leiden zufügen und sie töten? Der Moralphilosoph Peter Singer geht davon aus, dass alle Tiere, die das Interesse haben, Schmerzen zu vermeiden, das gleiche Recht auf Unversertheit haben, wie Menschen. Demnach wäre eine Forschung an menschlichen Embryonen, denen kein Interesse an Schmerzvermeidung und Lebenserhaltung unterstellt wird, in Ordnung, Versuche an Mäusen „Speziesismus“, vergleichbar mit Rassismus oder Sexismus. Doch wer entscheidet und woran macht er es fest, wann ein Tier schmerzempfindlich ist? Wird es an einer bestimmten Entwicklungsstufe des Nervensystems festgemacht? Und wieso gilt es nur für Tiere? Auch Pflanzen kommunizieren, empfinden Stress und hat nicht jedes Lebewesen ein natürliches Interesse, zu leben und sich fortzupflanzen? Ist dies doch die Triebfeder der Evolution. Sollten wir daher Pflanzen abwerten, nur weil wir sie nicht schreien hören können?
Noch weiter geht die Position der Rechte der Tiere. Diese verleiht allen Tieren ähnliche individuelle Rechte wie Menschen, was Zwangsmaßnahmen und Bevormundungen jeglicher Art, also Tierhaltung generell, unmöglich machen würde. Hier stellt sich die Frage, wie man Lebewesen Rechte verleihen kann, ohne dass diese eine Chance haben, ihre Rechte zu verstehen und entsprechend zu handeln. Auch hier scheint mir eine Fokussierung auf Tiere inkonsequent. Aber wie sähe eine Gesellschaft aus, die lebt, ohne andere Lebewesen zu töten oder zu belasten. Selbst ein sich quasi nur von Fallobst ernährender Fruitarer schränkt das Interesse der Pflanze ein, sich fortzupflanzen.
Daher scheint unser Überleben nur auf Kosten anderer möglich zu sein. In diesem Punkt hat sich seit Beginn der Zivilisation nichts geändert und das wird es wohl auch sobald nicht. Gibt es auf diese Weise überhaupt die Möglichkeit eines Miteinanders? Führt dies dann zurück zu dem Kompromiss, wenigstens die verursachen Leiden zu reduzieren und werden wir überhaupt dieser Minimalforderung in Deutschland gerecht?"
Wesentliche Punkte waren
die Überlegung, dass aus wissenschaftlicher Sicht Tierversuche zurzeit noch unverzichtbar seien, da Alternativmethoden in der Regel noch keinen angemessenen Ersatz leisten können. Diese Haltung
wird auch durch das Tierschutzgesetz unterstützt. Alternativmethoden stecken noch in den Kinderschuhen und leiden unter schlechter Sensitivität und Spezifität, wobei auch Tierversuche immer auf
diese Kriterien überprüft werden müssen. Zudem arbeiten sie auch häufig mit biologischem Material, welches aus Tieren gewonnen werden muss. Basierend hierauf fand eine anregende Diskussion statt,
wobei jedoch immer eine brüderliche Atmosphäre zugegen war. Wie häufig bei unseren Vortragsabenden wurden neue, vom Vortragenden noch gar nicht bedachte interessante Punkte und Themen eingebracht
und erörtert.
Der gestrigen Diskussionsabend begann mit dem folgenden Impulsvortrag:
"Eigentlich wollte ich heute über das sprechen, was derzeit in Heidenau, in Freital und immer wieder in Dortmund passiert.
Ich wollte diskutieren wie es zu solch rechten Bewegungen kommen konnte, die sich selbst als „besorgte Bürger“ oder „Asylkritiker“ titulieren und auch in der Presse und der Politik oft so genannt werden. Ich wollte wissen, ob es eine Lösung geben kann mit diesem braunen Mob umzugehen und ob nicht viel früher etwas hätte passieren müssen.
Gerne hätte ich auch darüber gesprochen wie das Internet für die Verbreitung von falschen Tatsachen genutzt wird um zu polarisieren, wie Neonazis seit Jahren systematisch in die Mitte der Gesellschaft vordringen und ihr Gedankengut schön verpackt an den Mann bringen.
Doch letzten Endes fragte ich mich: Darf ich das hier eigentlich?
Schließlich besagen unsere Statuten seit 1723:
„Auch sollt ihr nichts tun oder sagen, das verletzen oder eine ungezwungene und freie Unterhaltung unmöglich machen könnte. Denn das würde sich nachteilig auf unsere Eintracht auswirken und den guten Zweck vereiteln, den wir verfolgen. Deswegen dürfen keine persönlichen Sticheleien und Auseinandersetzungen und erst recht keine Streitgespräche über Religion, Nation oder Politik in die Loge getragen werden.“
Dass nicht über Religion gestritten werden soll, ist für mich durchaus einleuchtend. Es ist etwas persönliches, etwas, das tiefer geht und keiner Erklärung bedarf. Religion kann nicht rational besprochen werden. Ich glaube an dieses oder jenes. Und dieses „ich glaube“ ist es, dass jedem selbst überlassen sollte.
Ist das in der Politik nicht irgendwie dasselbe? Schließlich glaube ich an bestimmte Werte, die die eine Partei mehr oder weniger vertritt.
Allerdings sollte ich diese Dinge durchdacht haben. Ich kann mich mit Fakten eindecken und diese für mich persönlich auswerten. Das gestaltet sich bei der Religion etwas schwieriger.
Und gerade dieses Durchdenken, dieses Hinterfragen sollte etwas sein, dass meiner Meinung nach, zur spekulativen Freimaurerei gehört wie das Amen in die Kirche.
Was sollte uns also davon abhalten über Politik zu streiten?
„Politik geht uns alle an“, habe ich in der Schule gelernt. Sie ist nicht geprägt von parteipolitischen Ränkelspielchen, sondern sie ist etwas, dass unseren Alltag gestaltet. Es geht um mehr als alle paar Monate zur Wahl zu gehen.
Natürlich will ich keinen Streit innerhalb der Loge, doch ich möchte, dass die Probleme, die uns alle etwas angehen offen und ehrlich besprochen werden können. Dabei sollten extreme Formen wir Rechtsextremismus keinen Raum haben. Eine solche Form der Meinungsäußerung würde gegen unsere humanitären Grundwerte verstoßen.
Was mich zu meiner nächsten Frage bringt:
Warum äußern sich Freimaurerlogen bzw. die Vereinigte Großloge von Deutschland als unsere Generalvertretung, nicht zu menschenverachtenden Äußerungen wie sie im Zuge der Flüchtlingspolitik vermehrt getätigt werden. Sind Freimaurer nicht in der Vergangenheit und auch heute noch immer wieder Opfer von Verfolgung und abstrusen Verdächtigungen geworden? Sollten wir nicht alles, auch öffentlich, ablehnen, dass gegen Menschenrechte und ein friedliches Miteinander verstößt?
Dass die Vereinigten Großlogen sich nicht zu jedem politischen Thema äußern sollte - und kann - liegt im Kern unserer Bruderschaft, die frei von Dogmen ist. Jeder hier darf und soll seine eigene Meinung haben. Eine einhellige Meinung nach außen zu vertreten ist schwer und auch nicht immer gewollt, doch alles was unseren Grundwerten Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit entgegensteht, sollte ein klares Zeichen entgegengesetzt werden.
Prominente wie Til Schweiger, Oliver Kalkofe, Anja Reschke, sowie Joko und Klaas formieren sich unter dem Motto „Mund Aufmachen“ und sprechen sich klar gegen Fremdenhass und Rechtsextremismus aus. Ein solches Zeichen zu setzen scheint mir heute nötiger als vor ein paar Jahren.
Wie, wo und wann machen wir also unseren Mund auf?"
Nach diesen einleitenden Worten begann eine rege Diskussion mit den unterschiedlichsten Meinungen.
Sollten Sie Interesse haben, einmal mit uns zu diskutieren und unsere Ansichten kennen zu lernen, nehmen Sie einfach Kontakt auf und besuchen Sie einen unserer Diskussionsabende.
Liebe Brüder, liebe Suchende, liebe Interessenten, wir freuen uns nun den neuen Arbeitsplan für das erste Halbjahr 2015 vorstellen zu können.
Es erwarten uns wieder einige spannende Diskussions- und Vortragsabende, mindestens eine Tempelarbeit in jedem Grad, sowie Besuche von befreundeten Logen.
Sollte Ihr und euer Kalender am kommenden Sonntag, den 11. Januar noch nicht gefüllt sein, weisen wir gerne auf den Neujahrsempfang der Düsseldorfer Freimaurerlogen hin. Wir freuen uns auf ein spannendes und ebenso arbeitsreiches Jahr 2015 und hoffen euch und Sie bald bei uns begrüßen zu können.
Mit einer Beförderungsarbeit (TA II) in der letzten Woche bildete diese Arbeit unserer Loge die letzte für dieses Jahr und brachte so ein spannendes und arbeitsreiches Jahr zum Ende. In diesem Jahr haben wir viel über uns und über andere gelernt und sind dabei enger zusammengerückt, auch mit Hilfe unserer neu aufgenommenen Brüder.
Und nun freuen wir uns auf ein ebenso schönes Jahr 2015, das sicherlich viele schöne Momente bereithält, die wir gerne mit Ihnen und euch teilen möchten.
Doch nun wünschen wir Ihnen und euch eine ruhige und besinnliche Weihnachtszeit, sowie einen guten Übergang ins neue Jahr! Wir würden uns freuen Sie und euch auf einer unserer Veranstaltungen zu treffen - so zum Beispiel auf dem Neujahrsempfang der Düsseldorfer Logen am 11. Januar oder zu unserem Vortragsabend am 13. Januar.
Warum sollte man sich in einer Freimaurerloge mit dem Thema Depressionen beschäftigen?
Als Freimaurer versuchen wir die Welt um uns herum genauer wahrzunehmen und vielleicht so uns und andere ein wenig besser zu verstehen. So fügte sich dieser Vortrag hervorragend in unsere "Arbeit am rauen Stein" ein.
Im Rahmen dieses Vortrages wurden uns die Fakten dargelegt und die Gefühlswelt eines Depressiven wurde anhand einer Kurzgeschichte erläutert. Diese können Sie gerne hier nachlesen.